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«Vielen sind die Herz-KreislaufRisiken der rheumatoiden Arthritis noch unbekannt»
Verschiedene Studien haben in jüngerer Vergangenheit gezeigt, dass Patienten mit rheumatoider Arthritis im Vergleich zur Allgemeinbevölkerung ein erhöhtes kardiovaskuläres Risiko besitzen. Allerdings scheint diese Erkenntnis noch nicht überall angekommen zu sein, meint der Internist und Rheumatologe Prof. Klaus Krüger vom Praxiszentrum St. Bonifatius in München.
A RS MEDICI: Bei der Betrachtung der rheumatoiden Arthritis geraten kardiovaskuläre Komorbiditäten immer mehr in den Fokus des Interesses. Auf was sollte der Hausarzt achten? Prof. Dr. med. Klaus Krüger: Als Erstes ist es für den Hausarzt wichtig zu erfahren, dass es überhaupt ein solches Risiko gibt beziehungsweise dass schwere entzündliche Erkrankungen die Arteriosklerose massiv begünstigen. Da
besteht noch ein gewaltiges Informationsdefizit, sicherlich sind viele Hausärzte mit diesem Zusammenhang nicht vertraut. Dieses Risiko steigt im ersten Jahr der Rheumaerkrankung steil nach oben, wo es – unbehandelt – dann auf hohem Niveau bleibt. Der Hausarzt muss die richtige Einstellung des Blutdrucks und der Cholesterinwerte sehr viel ernster nehmen. Letzteres ist ein schwieriger Punkt. Viele meinen nämlich, dass eine CholesterinProf. Dr. med. Klaus Krüger senkung eigentlich überflüssig ist. Sie ist jedoch bei chronisch entzündlichen Erkrankungen von grosser Bedeutung, das LDL sollte also unbedingt normalisiert werden.
zur Erkenntnis, dass Gefässentzündungen und die Entstehung der rheumatoiden Arthritis die gleiche Pathogenese haben.
Lässt sich durch eine Behandlung der rheumatoiden Arthritis das Risiko für kardiovaskuläre Ereignisse wieder senken? Wenn die Krankheit kontrolliert ist, geht das Risiko auch wieder runter. Zwar haben wir hierzu noch keine randomisierten, kontrollierten Studien. Die sind auch schwer zu bewerkstelligen, weil man für Einflüsse von therapeutischen Interventionen auf das kardiovaskuläre Risiko eigentlich Fünf-Jahres-Verläufe braucht. Die Daten aus Kohortenstudien und den Biologikaregistern zeigen jedoch eindeutig, dass das kardiovaskuläre Risiko bei einer gut kontrollierten rheumatoiden Arthritis wieder zurückgeht. Dieser Effekt ist vor allem bei der Behandlung mit Biologika zu sehen, aber auch unter Methotrexat, wenn auch dort etwas schwächer.
Welches Target sollte ins Visier genommen werden? Die Vermeidung der Knochendestruktion bei der rheumatoiden Arthritis ist natürlich für die Funktion wichtig, als Target für die Verminderung des kardiovaskulären Risikos spielt sie aber keine Rolle. Vor allem der hohe Wert des C-reaktiven Proteins im Blut besitzt einen pro-
Bei der Erforschung entzündlicher Erkrankungen kann man noch einiges erwarten … Erst seit rund vier Monaten weiss man, dass die Arteriosklerose eine Autoimmunerkrankung ist. Junge Forscherinnen aus München und Würzburg haben herausgefunden, dass sich in arteriosklerotischen Plaques hochtitrig Doppelstrang-DNA-Antikörper befinden und dass dendritische Zellen, die in der Pathologie der rheumatoiden Arthritis eine Rolle spielen, auch bei der Arteriosklerose fehlreguliert sind. In der Plaque laufen autoinflammatorische Prozesse ab. Letztlich kommt man somit
«Um die rheumatoide Entzündung
kümmern wir uns, um die anderen Risikofaktoren sollten sich die Haus-
»ärzte kümmern.
gnostischen Wert für das kardiovaskuläre Risiko. Aus kardiovaskulärer Sicht ist daher die Normalisierung der Entzündungsparameter das Ziel.
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Wo sehen Sie als Rheumatologe Ihren Platz beim Erkennen kardiovaskulärer Risiken? Wir Rheumatologen müssen die kardiovaskulären Risikofaktoren suchen und müssen im Arztbrief darauf hinweisen, dass die rheumatoide Arthritis ein zusätzlicher kardiovaskulärer Risikofaktor ist und dass bei Vorhandensein weiterer Risikofaktoren reagiert werden muss. Die Arbeitsteilung ist dann klar: Um die rheumatoide Entzündung kümmern wir uns, und um die anderen Risikofaktoren sollten sich die Hausärzte kümmern.
Welche Reaktionen erhalten Sie? Die Resonanz ist ganz unterschiedlich. Die einen sagen: «Was geht den Rheumatologen das Herz an, das haben
wir schon selbst im Griff.» Die anderen sind über die zusätzlichen Informationen sehr froh und wollen sich zukünftig verstärkt um die kardiovaskulären Risiken von Rheumapatienten kümmern.
Herr Prof. Krüger, wir bedanken uns für das Gespräch.
Die Fragen stellte Klaus Duffner.
Das Interview wurde geführt, am Rande des von der Firma Abbott veranstalteten Medienanlasses «Understanding the Impact of Rheumatologic Diseases in Individuals, Employers and Economies: What the Future Holds». Berlin 5.6.2012.
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