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Arthrose: Schmerzbehandlung im Vordergrund
Die Arthrose zeigt weltweit, quer durch alle Länder und Ethnien, eine hohe Prävalenz. Trotz intensiver klinischer Forschung sind bis heute keine entscheidend neuen Behandlungsstrategien in Sicht. Nach wie vor steht die Behandlung des Schmerzes im Vordergrund. Der norwegische Rheumatologe Prof. Tore K. Kvien gab am EULAR-Kongress einen kurzen Überblick zur Evidenz einiger zentraler Behandlungsoptionen.
Das immer noch grösste Problem für Arthrosepatienten ist der Schmerz. Beispielsweise gaben in einer Umfrage 70 bis 80 Prozent der Patienten mit Handarthrose an, dass unter allen Beschwerden Schmerzen die zentrale Bedeutung für sie besässen. Zudem wurden funktionelle Einschränkungen sehr unterschiedlich bewertet. Während Tätigkeiten, wie mit der Hand schreiben oder Gemüseputzen, als weniger bedeutsam angesehen wurden, hatten Behinderungen beim Öffnen von Gefässen und Flaschen einen deutlich wichtigeren Stellenwert für von Arthrose Betroffene. «Solche Daten sind für uns sehr wichtig, da sie uns Hinweise auf die Prioritäten hinsichtlich unseres Arthrosemanagements geben», erklärte der Rheumatologe Prof. Tore K. Kvien vom Diakonhjemmet Hospital in Oslo.
Paracetamol und NSAR
Nach wie vor spielen orale nichtsteroidale Antirheumatika (NSAR) eine zentrale Rolle bei der Behandlung der Arthrose. Obwohl NSAR bei der Reduktion von Arthroseschmerzen effektiver als Paracetamol seien, so Prof. Kvien, bleibt Paracetamol wegen der geringeren Nebenwirkungsrate in fast allen Empfehlungen die erste Wahl. Dabei besitzen orale NSAR mit selektiver COX-2-Hemmung geringere gastrointestinale Nebenwirkungen als die weniger selektiven NSAR. Solche ernsthaften gastrointestinalen Komplikationen lassen sich zwar durch Misoprostol reduzieren, der Einsatz dieses E1-Prostaglandins kann aber seinerseits mit Nebenwirkungen, wie zum Beispiel Durchfall, Abdominalschmerzen oder Nausea verbunden sein. Bei akuten muskuloskeletalen Schmerzen seien Paracetamol und NSAR etwa gleich wirksam. Hinsichtlich der Effektivität solcher Schmerzen seien zwischen den verschiedenen oralen NSAR im Übrigen keine grösseren Unterschiede festgestellt worden, sagte Prof. Kvien. Auch bei Knieschmerzen haben sich NSAR bewährt. Allerdings sei es in enger Abstimmung mit den Patienten ratsam,
sehr individuell zu testen, welche NSARPräparate für welche Patienten wirksam und verträglich seien.
Weniger Schmerzmittel durch flexible Dosierung
Wenn Paracetamol alleine keine ausrei-
chend schmerzstillende Wirkung zeigt,
wird häufig mit NSAR kombiniert. In ei-
ner interessanten Vergleichsstudie aus dem Jahr 2011 wurde die Wirksamkeit ei-
Prof. Tore K. Kvien
ner solchen Kombination untersucht (1).
Dabei zeigte sich Paracetamol (1000 mg) plus Ibuprofen
(400 mg) den jeweiligen Monotherapien, aber auch der
niedriger dosierten Kombination, leicht überlegen, so
Prof. Kvien. Sollte nun mit einer fixen oder lieber mit ei-
ner flexiblen Dosierung behandelt werden? In einer älte-
ren Untersuchung konnten hinsichtlich der Wirksamkeit
zwischen fix und flexibel keine Unterschiede festgestellt
werden. Allerdings wurden von Patienten, die ihre Dosie-
rung nach Bedarf selbst wählen durften, 20 bis 30 Prozent
weniger Naproxen verwendet. Zudem liessen sich in der
Gruppe mit variablen Dosierungen signifikant weniger
Therapieabbrüche beobachten. In Anbetracht der allge-
meinen Empfehlung, stets die geringstmögliche NSAR-Do-
sierung zu verwenden, scheine eine flexible Dosierung da-
her die sinnvollere zu sein, sagte Prof. Kvien.
Moderates kardiovaskuläres Risiko
Können selektive COX-2-Inhibitoren und traditionelle NSAR das Thromboserisiko erhöhen? In einer grossen englischen Metaanalyse zeigte sich, dass die Behandlung der Arthrose mit selektiven COX-2-Hemmern mit einem moderaten Anstieg des kardiovaskulären Risikos verbunden ist (2). Dieser Zusammenhang konnte bei – allerdings hochdosiertem – Ibuprofen und Diclofenac, nicht aber bei Naproxen hergestellt werden. Hinsichtlich ernster vasku-
EULAR 2012 Rheumatologie 15
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Empfehlungen des American College of Rheumatology (ACR) zur medikamentösen Therapie der Arthrose (Osteoarthritis, OA), Update 2012
Initiales Management der Hand-OA
Initiales Management der Knie-OA
Initiales Management der Hüft-OA
Empfohlen: • topisches Capsaicin • topische NSAR ink. Trolaminsalicylat,
orale NSAR, inkl. selektive COX-2Hemmer • Tramadol Menschen über 75 Jahre sollten topische den oralen NSAR vorziehen.
Nicht empfohlen: • Intraartikuläre Therapien • Opioid-Analgetika
Empfohlen: • Paracetamol • orale NSAR • topische NSAR • Tramadol • Intraartikuläre Kortikosteroidinjek-
tionen
Nicht empfohlen: • Chondroitinsulfat • Glucosamin • topisches Capsaicin Keine Empfehlung hinsichtlich der Verwendung von intraartikulärer Hyaluronsäure, Duloxetin, Opioid-Analgetika
Empfohlen: • Paracetamol • orale NSAR • Tramadol • intraartikuläre Kortikosteroidinjektio-
nen
Nicht empfohlen: • Chondroitinsulfat • Glucosamin Keine Empfehlung hinsichtlich der Verwendung von topischen NSAR, intraartikulärer Hyaluronsäure-Injektionen, Duloxetin, Opioid-Analgetika
Die neuen amerikanischen und die etwas älteren europäischen Behandlungsempfehlungen zur Behandlung von Arthrosen unterscheiden sich in ihrer Einschätzung zu gewissen Therapien und Wirkstoffgruppen deutlich. Dies ist u.a. auf die unterschiedlichen Regulationsbedingungen zurückzuführen. Abstracts der EULAR-Empfehlungen zu Knie-, Hüft- und Handarthrosen sind (auf englisch) über diesen Link zugänglich: www.eular.org > Recommendations.
lärer Ereignisse waren zwischen selektiven COX-2Hemmern und traditionellen NSAR keine Unterschiede festzustellen. Auch Glukosamin- und Chondroitinverbindungen werden zur Behandlung der Kniearthrose eingesetzt. Dabei hätte eine Metaanalyse aus dem Jahr 2009 (3) einen nur geringen Effekt hinsichtlich des Abbremsens der Gelenkspaltverkleinerungen gezeigt, meinte Prof. Kvien. Andere Analysen zeigten eine positive Wirkung. Da die Daten quer durch die Studien ziemlich inkonsistent seien, müsse man noch mehr über diese Substanzen lernen. Noch viel mehr wissen muss man auch über den Einsatz von TNFα-Inhibitoren bei Arthrose. In einer aktuellen Studie wurden Patienten mit Handarthrose mit solchen humanen Antikörpern behandelt (4). Dabei war zwar in einem 12-Monats-Follow-up sowohl in der Verum- als auch in der Plazebogruppe ein weiteres Voranschreiten der Arthrose festzustellen. Allerdings zeigte sich die Progression der Erosion in den Interphalangealgelenken der Finger unter anti-TNF-α im Vergleich zu Plazebo signifikant abgebremst. Ganz eindeutige Korrelationen bestehen hingegen zwischen Gewichtsabnahme und der Reduktion der Arthroseprogression, speziell bei Kniearthrose. So konnte in einer französischen Untersuchung aus dem Jahr 2011 unlängst gezeigt werden, dass eine massive Abnahme des BMI um 20 Prozent nach sechs Monaten mit einer hochsignifikan-
ten Verminderung der Schmerzen (VAS-Score), einer Reduktion der Morgensteifheit (WOMAC-Score) und einer Verbesserung der Funktionalität (WOMAC) verbunden ist (5).
Klaus Duffner
Referenzen: 1. Doherty M et al. A randomized controlled trial comparing oral ibuprofen, paracetamol and two doses of fixed combination tablet of ibuprofen/paracetamol in community-drived people with knee pain. Ann Rheum Dis 2011;70 (Suppl3): 390. 2. Kearney PM et al. Do selective cyclo-oxygenase-2 inhibitors and traditional non-steroidal anti-inflammatory drugs increase the risk of atherothrombosis? Meta-analysis of randomised trials. BMJ 2006; 332: 1302. 3. Black C et al. The clinical effectiveness of glucosamine and chondroitin supplements in slowing or arresting progression of osteoarthritis of the knee: a systematic review and economic evaluation. Health Technology Assessment 2009; 13 (52). 4. Verbruggen G et al. Tumour necrosis factor blockade for the treatment of erosive osteoarthritis of the interphalangeal finger joints: a double blind, randomised trial on structure modification. Ann Rheum Dis 2012; 71 (6): 891–898. 5. Richette P et al. Benefits of massive weight loss on symptoms, systemic inflammation and cartilage turnover in obese patients with knee osteoarthritis. Ann Rheum Dis 2011; 70: 139–144.
HOT Session: How to manage Osteoarthritis (Tore K. Kvien). EULAR-Kongress 2012, 6. Juni 2012 in Berlin.
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