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CongressSelection
Prostatakarzinom
Individualisierte Diagnostik und Therapie gefordert
Das Prostatakarzinom ist die häufigste Krebserkrankung des Mannes – auch in der Schweiz. Auf dem Gebiet der Diagnostik besteht nach wie vor Optimierungsbedarf. Hoffnung liegt in der Biomarkerdiagnostik, welche die Diagnostik mittels Prostata-spezifischen Antigens (PSA) in Zukunft ersetzen könnte. Mit Cabazitaxel (Jevtana®) steht ein neues Taxan zur Therapie des metastasierenden kastrationsresistenten Prostatakarzinoms (mCRPC) zur Verfügung.
O ftmals zählt der PSA-Spiegel mehr als die Befindlichkeit des Patienten», erklärte Prof. Alexandre De La Taille, Henri-Mondor-Hospital Creteil, Paris, «Überdiagnostik und Übertherapie sind aber für den Patienten wenig hilfreich.» Die Diagnose des Prostatakarzinoms erfolgt in den meisten Fällen nach einem Screening auf erhöhte PSA-Werte durch Biopsie. Weder zur Diagnostik noch zur Verlaufskontrolle sind die Bestimmung des PSA-Werts oder andere herkömmliche Verfahren wie die digitale rektale Untersuchung (DRE, digital rectal examination), die Prostatabiopsie oder bildgebende Diagnostiken wie MRT (Magnetresonanztomografie) oder Positronenemissionstomografie (PET) aber absolut verlässlich, so De La Taille. Bei einem Drittel der Patienten, bei denen ein niedriges Tumorstadium diagnostiziert wurde, verläuft die Erkrankung tödlich. Bei mässig erhöhtem PSA-Spiegel (4–10 ng/ml) ist die Aussagekraft dieses Tests aufgrund seiner eingeschränkten Spezifität begrenzt. Der PSA-Test ermöglicht es auch nicht, zwischen lokalem und Fernrezidiv zu unterscheiden. Aus diesem Grund wird intensiv nach neuen Markern gesucht. Deren Bedeutung liegt vor allem im prädiktiven Wert, das heisst in der genauen Prognoseabschätzung und der Identifikation von Tumoren, bei denen eine Therapie sofort notwendig ist.
Score > 35 eine Rebiopsie sinnvoll ist. Der PCA3-Score korreliert direkt mit dem Tumorvolumen, nicht aber mit dem Volumen der Prostata. Die Wahrscheinlichkeit einer positiven Rebiopsie steht daher in direktem Zusammenhang mit dem Score. Bei einem Score > 100 liegt sie bei 68 Prozent. Der PCA3-Score erhöht sich nicht nur mit dem Tumorvolumen, sondern auch mit dem Tumorgrading. Der Gleason-Score ist das wichtigste Prognosekriterium bei einem diagnostizierten Prostatakarzinom; die Bestimmung beruht ausschliesslich auf histologischen Tumormerkmalen. Bei Tumoren mit einem Gleason-Score ≥ 7 ist der PCA3Score signifikant höher als bei solchen mit einem Gleason-Score < 7. In einer von Professor Bertrand Tombal, Cliniques Universitaires Saint-Luc, Brüssel, vorgestellten Studie wurde die Anzahl der Rebiopsien bei Männern mit hochgradigem Tumor (Gleason-Score ≥ 7) bestimmt. Es zeigte sich, dass die Anzahl der Rebiopsien durch Bestimmung des PCA3Scores signifikant gesenkt werden konnte, wobei die Sensitivität gleich blieb. Der PCA3-Score zeigte sich der digitalen rektalen Untersuchung und der Bestimmung des PSA-Spiegels überlegen. «Dies ist von hoher Bedeutung für den Patienten», erklärte Tombal, «denn jede Biopsie ist mit Schmerzen verbunden und kann zu schweren Komplikationen wie einer Septikämie führen.» PCA3 – ein neuer Biomarker PCA3 (prostate cancer antigen 3) ist ein prostataspezifisches Gen, das auf Chromosom 9 lokalisiert ist. Bei etwa 95 Prozent der Patienten geht das Prostatakarzinom mit einer 60- bis 100-fachen Überexpression des Gens einher. Da die PCA3-Werte interindividuell stark schwanken, wird für die klinische Diagnostik der sogenannte PCA3-Score bestimmt. Hierbei wird die PCA3-mRNS ins Verhältnis zur PSA-mRNS gesetzt. Verschiedene Studien wiesen nach, dass bei einem PCA3- Vorgehensweise bei gesichertem Prostatakarzinom Die radikale Prostatektomie gehört zu den wichtigsten Therapieformen des lokalisierten Prostatakarzinoms; allerdings kann es zu schweren Nebenwirkungen wie Inkontinenz und Impotenz kommen. In den letzten Jahren gelang es, die Technik der nerverhaltenden radikalen Prostatektomie deutlich zu verbessern. Die Strahlentherapie stellt bei adäquater Dosierung und technischer Durchführung eine der radikalen Prostatekto- 20 Urologie EAU 2012 CongressSelection mie gleichwertige Behandlungsmöglichkeit dar. Voraussetzung ist die lokale Begrenzung des Prostatakarzinoms. Entscheidend für das Ergebnis der Strahlentherapie ist eine ausreichende Dosierung. Für Prostatakarzinome mit niedrigem Risiko genügen zumeist Dosen im Bereich von 70 bis 72 Gy. Für Patienten mit einer potenziell höheren Tumormasse und einem schlechteren histologischen Grading sind nach allen vorliegenden Ergebnissen höhere Dosen erforderlich. Mit einer Bestrahlungsdosis von 78 Gy (vs. 70 Gy) können eine bessere biochemische Kontrolle und geringere Raten von sekundärer Metastasierung erreicht werden. Metastasierendes Prostatakarzinom Nach Diagnose eines metastasierenden Prostatakarzinoms gelingt es in über 80 Prozent der Fälle, durch eine antiandrogene Hormontherapie der Patienten eine Krankheitskontrolle für eine Zeit von etwa 18 bis 24 Monaten zu erreichen. Sekundäre hormonelle Massnahmen sind in der Lage, bei Patienten mit progredienten Tumoren ein erneutes Ansprechen zu erzielen. Letztlich gelangen jedoch die meisten Betroffenen in ein Stadium, in dem von einem metastasierenden kastrationsresistenten Prostatakarzinom, mCRPC, ausgegangen werden muss. Oftmals sind Metastasen in den Knochen zu finden. Charakteristisch ist eine Allgemeinsymptomatik, die den Patienten stark belastet. Es kommt zu Müdigkeit, Gewichtsverlust und Anämie. Eine systemische Chemotherapie kann die Symptome bessern und das Fortschreiten der Erkrankung verzögern und so zu einer Lebensverlängerung beitragen. Nach zwei randomisierten Phase-III-Studien gilt derzeit die Therapie mit Docetaxel (Taxotere®, 75 mg/m2 alle 3 Wochen) als Standard. Hierunter kommt es zumeist zu einer signifikanten Verlängerung des Lebens, einer Verbesserung der Lebensqualität und der Schmerzsymptomatik. Neuer Wirkstoff Cabazitaxel Bei der Einnahme von Taxanen wie Docetaxel können Resistenzen auftreten. Aus diesem Grund wurde das neue Taxan Cabazitaxel (Jevtana®) entwickelt, das auch bei Zelllinien wirksam ist, die auf andere Taxane nicht ansprechen. Ziel war eine Erhöhung der Wirksamkeit und eine Erniedrigung der Toxizität. Cabazitaxel überwindet die Resistenz und kann die Gesamtüberlebenszeit von Patienten mit mCRPC signifikant verlängern. In der PhaseIII-Studie TROPIC war ein signifikanter Überlebensvorteil von 2,4 Monaten bei der Behandlung mit Cabazitaxel in Kombination mit Prednison nachweisbar. Zudem verbesserten sich die progressionsfreie Überlebenszeit, die Tumor-Response-Rate und das PSA. Daher kann Cabazitaxel als aussichtsreiches Zweitlinien-Chemotherapeutikum bei der Behandlungsplanung des fortgeschrittenen, Docetaxel-resistenten mCRPC angesehen werden. In einer von Professor Amit K. Bahl, Zentrum für Hämatologie und Onkologie, Bristol, vorgestellten Studie waren 62 an einem mCRPC erkrankte Patienten mit Cabazitaxel plus Prednison behandelt worden (i.v. 25 mg/m2 alle 3 Wochen, zusätzlich Prednison oral 10 mg/Tag). «Es gelang eine wirksame Schmerzkontrolle und eine Stabilisierung des Gesundheitszustands», fasste Bahl das Ergebnis zusammen. «Schwere toxische Nebenwirkungen traten nur selten auf.» Eine andere von Professor Axel Heidenreich, Rheinisch-Westfälische Technische Hochschule Aachen, vorgestellte Studie, in der 111 an mCRPC erkrankte Patienten ebenfalls diese Therapie erhielten, konnte das Ergebnis bestätigen. Claudia Borchard-Tuch Literatur: Adamietz IA, et al. Prostatakarzinom. Onkologe 2008; 14: 1087–1102. De Santis M, Bachner M. Rolle der Chemotherapie beim kastrationsresistenten Prostatakarzinom. Gibt es neue Ansätze? Urologe 2012; 51: 39–43. Universitätsklinikum Heidelberg. Ein neuer Marker des Prostatakarzinoms, www.klinikum.uni-heidelberg.de/Ein-neuer-Marker-des-Prostatakarzinoms.111326.0.html, 2012. • Plenary Session: Personalised treatment for low and intermediate risk prostate cancer • Poster Presentation: A.K. Bahl, et al. Cabazitaxel for metastatic castration resistant prostate cancer (mCRPC): Interim safety and quality of life (QOL) data from the UK early access programme • Poster Presentation: A. Heidenreich, et al. Cabazitaxel plus prednisone for patients with metastatic castration-resistant prostate cancer previously treated with a docetaxel-containing regimen: Interim analysis on treatment associated side effects resulting from a compassionateuse programme (CUP). • Poster Presentation: B. Tombal, et al. PCA3 can reduce repeat prostate biopsies with maintained sensitivity of detecting high-grade cancer: Application of an expert recommendations model to the placebo cohort of the REDUCE study. 25. bis 28. Februar 2012 EAU 2012 Urologie 21