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Erektile Dysfunktion
Vorbote und Spätkomplikation
Die erektile Funktion ist für die Lebensqualität und Lebensfreude eines Mannes entscheidend. Der Prophylaxe einer erektilen Dysfunktion (ED) kommt eine hohe Bedeutung zu – insbesondere dann, wenn die ED in Zusammenhang mit kardiovaskulären Risikofaktoren steht. Eine kausale Therapie der ED ist nicht immer möglich. Die symptomatische Therapie mit 5-Phosphodiesterasehemmern hat dann die besten Erfolgsaussichten.
Die Häufigkeit von Erektionsstörungen nimmt mit dem Alter zu. Etwa 8 Prozent der 55-Jährigen leiden an einer ED, bei den 65-Jährigen sind es 25 Prozent und bei 80-Jährigen bis zu 75 Prozent. Bei den meisten Patienten ist die Erkrankung vaskulär bedingt. «Die erektile Dysfunktion kann auch Vorbote einer systemischen Gefässerkrankung sein», erklärte Prof. C. Fasoulakis, Hippokration-Klinik Athen. In der von ihm vorgestellten Studie war bei 235 Patienten mit erektiler Dysfunktion eine Dopplersonografie der Penisgefässe durchgeführt worden. Nach intrakavernöser Injektion von 10 mg Prostaglandin E1 wurde die maximale systolische Strömungsgeschwindigkeit in den Penisarterien (PSV, peak systolic velocity) bestimmt. Die Studie kam zu dem Ergebnis, dass die Abnahme der PSV sowohl mit dem Alter als auch mit der Höhe des Blutdrucks korreliert. Eine deutliche Abnahme der PSV zeigte sich bei hypertensiven Patienten bereits in jungen Lebensjahren, wohingegen sie sich bei Männern mit normalem Blutdruck erst in höherem Lebensalter (≥ 60 Jahre) manifestierte. Ging man früher davon aus, dass die erektile Dysfunktion eine Sekundärkomplikation von Diabetes mellitus oder kardiovaskulären Erkrankungen sei, so ist heute bekannt, dass sie weniger Spätkomplikation als vielmehr Frühmanifestation einer Arteriosklerose und systemischer Gefässerkrankungen ist: Schädigungen der penilen Gefässe sind bereits vor den klinischen Zeichen einer generalisierten Gefässerkrankung erkennbar. Eine verminderte Erektionsfähigkeit kann daher nicht nur im Verlauf einer kardiovaskulären Erkrankung auftreten, sondern durchaus auch das erste Symptom einer bis anhin noch nicht diagnostizierten kardiovaskulären oder metabolischen Erkrankung sein.
Vielfalt der Ursachen
«Eine Erektionsstörung sollte nie isoliert betrachtet werden, denn sie ist fast immer Symptom einer Grunderkran-
kung wie Diabetes mellitus, Bluthochdruck oder koronarer Herzkrankheit», erklärte Prof. Marta Piqueras Bartolomé, Hospital Clínic de Barcelona. In der von ihr vorgestellten Studie zeigte sich ein klarer Zusammenhang zwischen Diabetes mellitus und erektiler Dysfunktion. Die altersabhängige Abnahme der sexuellen Leistungskraft korreliert auch stark mit anderen kardiovaskulären Risikofaktoren wie Arteriosklerose, Hyperlipidämie, Adipositas oder übermässigem Alkohol- und Nikotinkonsum. Bewegung, Gewichtsnormalisierung, Nikotinentwöhnung und eine ballaststoffreiche Ernährung können einer erektilen Dysfunktion vorbeugen. In jedem Fall steht aber die Therapie der Grunderkrankung im Vordergrund. Blutdruck, Herzfrequenz, Blutfette und Blutzucker sollten nach Möglichkeit im Normalbereich liegen. Neurogen bedingte Erektionsstörungen können durch Verletzungen und operative Schäden bedingt sein, zum Bei-
Wie wirken PDE-5-Hemmer?
Die Erektion des Penis basiert auf einem hämodynamischen Prozess. Kommt es zu einer sexuellen Stimulation im Gehirn, wird über das Rückenmark ein Signal ausgesendet. Dieses löst die Freisetzung von Stickstoffmonoxid (NO) in den glatten Muskelzellen des Corpus cavernosum (Schwellkörper) im Penis aus. NO aktiviert Guanylatcyclase, sodass zyklisches Guanosinmonophosphat (cGMP) synthetisiert wird. Die erhöhten cGMP-Spiegel bewirken eine Erschlaffung der glatten Muskulatur, wodurch vermehrt Blut in den Penis einströmt. Es kommt zur Erektion. Der cGMP-Spiegel wird über die Syntheserate der Guanylatcyclase und die Abbaurate der cGMP-hydrolysierenden Phosphodiesterase (PDE) reguliert. PDE-5-Hemmer erhöhen den cGMPSpiegel, indem sie selektiv den Abbau von cGMP durch die cGMP-spezifische PDE-5 hemmen. Damit verstärken PDE-5Hemmer den Effekt des endogenen NO, das als Reaktion auf eine sexuelle Stimulation freigesetzt wird. Dies bedeutet, dass PDE5-Hemmer ohne eine gleichzeitige sexuelle Stimulation keine Wirkung zeigen.
EAU 2012 Urologie 11
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Tabelle:
Heute in der Schweiz verfügbare Phosphodiesterase-5-Hemmer
Internationaler Freiname
Sildenafil Vardenafil
Tadalafil
Handelsname
Viagra® Levitra®, Vivanza® Cialis®
Halbwertszeit (h)
3–5
4–5 17,5
Dosierung (mg)
25–100
5–20 10–20
Wird bei der Diagnostik ein Testosteronmangel festgestellt, sollte das Hormon bei regelmässiger ärztlicher Kontrolle und nach Ausschluss von Kontraindikationen substituiert werden. Denn ein physiologischer Testosteronspiegel ist hier Voraussetzung für den erfolgreichen Einsatz von PDE-5-Hemmern. In einer von Prof. M.G. Park, Paik-Hospital, Seoul, Südkorea, vorgestellten Studie erwies sich die Kombinationstherapie aus Testosteron und Tadalafil bei Patienten mit Testosteronmangel als hoch effektiv.
spiel durch Prostataoperationen, durch Morbus Parkinson oder eine multiple Sklerose. Nach einem Trauma oder einer Operation kann es Monate dauern, bis sich die Erektionsfähigkeit regeneriert. In der Zwischenzeit besteht durch die mangelnde Sauerstoffzufuhr die Gefahr der Schwellkörperfibrose mit zusätzlicher Beeinträchtigung der erektilen Funktionsfähigkeit. Regelmässige Erektionen fördern die Oxygenierung der Schwellkörperfibrose und verhindern eine damit verbundene venookklusive Insuffizienz. Um der Fibrose vorzubeugen, kann dem Patienten auch abends ein Phosphodiesterase-5-(PDE-5-)Hemmer verabreicht werden. Endokrine Störungen wie ein Hypogonadismus gehen mit einem erhöhten Risiko für eine ED einher. Generell sollte bei einer Erektionsstörung immer eine Testosteronbestimmung im Serum – am besten zwischen 8.00 und 10.00 Uhr morgens – erfolgen, um einen Hypogonadismus auszuschliessen.
Symptomatische Therapie
Ist keine Kausaltherapie der erektilen Dysfunktion möglich, stellt die orale medikamentöse Behandlung die zumeist vom Patienten bevorzugte Therapie dar. Sildenafil (Viagra®) war ein Zufallsfund der klinischen Forschung. Inzwischen stehen mit Vardenafil (Levitra®, Vivanza®) und Tadalafil (Cialis®) noch weitere PDE-5-Hemmer zur Behandlung der erektilen Dysfunktion zur Verfügung. Sie unterscheiden sich von Sildenafil hinsichtlich der Pharmakokinetik und damit in Wirkungseintritt und -dauer (Tabelle). Als Nebenwirkungen werden häufig Kopfschmerzen, Flush sowie gelegentlich Dyspepsie, verstopfte Nase und Schwindel beobachtet. Auch kann es zu einem Priapismus kommen. Wahrscheinlich steht in Zukunft ein neuer PDE-5-Hemmer mit günstiger Pharmakokinetik zur Verfügung – das Avanafil. Die Wirkung von Avanafil tritt bereits innerhalb von 15 Minuten ein; die Wirkungsdauer liegt bei 6 Stunden. Prof. J.K. Park vom Chonbuk National University Hospital in Jeonju, Südkorea, stellte eine Studie vor, die eine gute Wirksamkeit und Verträglichkeit von Avanafil zeigte.
Lokale Pharmakotherapie
Ist eine orale Therapie nicht ausreichend wirksam, können Prostaglandin-E1-haltige Pellets über die Harnröhre (MUSE®, medical urethral system for erection) eingeführt werden. Für die Schwellkörperautoinjektionstherapie (SKAT) ist in der Schweiz nur das Prostaglandin E1 Alprostadil (Caverject®) zugelassen. Nebenwirkungen der SKAT sind prolongierte Erektionen und lokale Fibrosen am Schwellkörper. Die Therapie ist zwar bei arteriell bedingten und neuropathischen Störungen wirksam, jedoch für die Patienten erheblich belastend. Hilfsmittel wie Vakuumpumpen oder operative Eingriffe wie die Penisprothesenimplantation stellen nur für einen kleinen Teil der Patienten eine akzeptable therapeutische Alternative dar.
Claudia Borchard-Tuch
Literatur: Kaminsky A, et al. Primäre und sekundäre Prävention der erektilen Dysfunktion. Urologe 2011; 50: 1265–1270. Wirth A, et al. Metabolisches Syndrom und erektile Dysfunktion. Epidemiologische und pathogenetische Zusammenhänge. Urologe 2007; 46: 287–292.
• Poster Presentation: M. Piqueras Bartolome, et al. Is the Oral Glucose Tolerance Test a valid tool for diabetes mellitus screening in males with erectile dysfunction?
• Poster Presentation: C. Fasoulakis, et al. High blood pressure accelerates penile arterial insufficiency in young erectile dysfunction patients. A window of opportunity for preventing vascular disease.
• Poster Presentation: J.K. Park, et al. Efficacy and safety of avanafil for the treatment of erectile dysfunction: Results of a multicenter, randomized, double-blind, placebo-controlled trial.
• Poster Presentation: M.G. Park, et al. The efficacy and safety of combination of injectable testosterone undecanoate and once-daily dose of tadalafil 5 mg in the treatment of erectile dysfunction with testosterone deficiency syndrome.
26. Februar 2012
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