Transkript
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BPH-Management weist Schwachstellen auf
Aber es gibt auch viel Potenzial für einfache Massnahmen zur Optimierung
Männer sprechen nicht ohne Weiteres über LUTS (lower urinary tract symptoms) als Folge einer BPH. Auch dann nicht, wenn das Problem immer mehr Bereiche im Alltag tangiert und die Lebensqualität spürbar abnimmt. Doch auch Ärzte tendieren offenbar dazu, eher einen Bogen um dieses heikle Thema zu machen.
Die Situation in Europa
Noch immer viel zu häufig wird stillschweigend über das
Thema «Prostatabeschwerden» hinweggegangen – ob-
wohl in Europa 24 Millionen Männer über 50 Jahre mit an-
fänglich lästigen, im Verlauf jedoch zunehmend belasten-
den Miktionsproblemen im weitesten Sinne konfrontiert
sind. Die bekannten klinischen BPH-Ma-
nifestationen (schwacher Harnstrahl,
Harnstottern, unvollständige Blasenent-
leerung, Nachträufeln, imperativer Harn-
drang, Pollakisurie und Nykturie) schla-
gen sich auf die Lebensqualität nieder,
erklärte Prof. Dr. Mark Emberton (Lon-
don) und zählte eine lange Liste von Aus-
wirkungen der LUTS/BPH auf:
•Die Symptome verursachen eine signifi-
kante Verschlechterung der Lebensquali-
Mark Emberton
tät durch Unterbrechung des Schlafs, Be-
einträchtigung bei beruflichen Aktivitäten, in der Partnerschaft, in der Freizeit und im Sexualleben und durch Angstgefühle und Scham. • Die Symptome haben negative Auswirkungen auf die Lebensqualität der Partnerinnen. • Bei der BPH handelt es sich um ein chronisch progredientes Leiden, und unbehandelt kommt es zur allmählichen Symptomverschlechterung mit den Risiken für ernste Langzeitkomplikationen wie akuter Harnverhalt oder Notwendigkeit eines chirurgischen Eingriffs. • Bei entsprechendem Schweregrad leiden auch die persönlichen Beziehungen: Betroffene vermissen körperliche Intimität. Es kommt zu Vermeidungsverhalten und sozialem Rückzug. Partner werden sich fremd, man redet nicht «darüber», es entstehen Missverständnisse und Konflikte. Trotz dieser umfassenden Beeinträchtigung warten Männer im Durchschnitt etwa zwei Jahre, bis sie endlich einen Arzt ansprechen. Das ist an sich nicht erstaunlich, da knapp zwei Drittel überzeugt sind, dass sie sich mit dieser «Alterserscheinung» arrangieren müssen. Dabei ist der Leidensdruck vergleichbar mit demjenigen von Patienten mit Asthma oder Epilepsie. Der britische Experte verwies auf Studiendaten, die gezeigt haben, dass 66 Prozent der Männer, die ihren Hausarzt wegen LUTS aufsuchen, eine benigne Prostatahyperplasie aufweisen. Bei 80 Prozent bestehen moderate bis schwere Symptome, 46 Prozent hatten einen PSA-Wert > 1,5 ng/ml, und 3 von 4 wiesen eine deutlich vergrösserte Prostata auf.
Abbildung: Durchschnittliche Veränderungen der LUTS/BPH-Symptomatik in der CombAT-Studie unter der Kombination Dutasterid/Tamsulosin und den beiden Monosubstanzen (IPSS: International Prostata Symptom Score).
Therapeutische Optionen bei LUTS/BPH
Für die Behandlung von belastenden Prostatabeschwerden kommen in erster Linie Alphablocker und 5-AlphaReduktaseinhibitoren (5-ARI) infrage, aber auch Anticholinergika können als Kombinationspartner sinnvoll sein, erklärte Prof. Emberton. In den EAU-Guidelines von 2011
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wird für das Management von symptomatischen BPH-Patienten mit Progressionsrisiko (vergrösserte Prostata, PSA > 1,5 ng/ml, Alter > 50 Jahre) eine duale Therapie mit einem Alphablocker plus 5-ARI wie Tamsulosin plus Dutasterid empfohlen (Duodart®). Die 4-Jahres-Resultate der zulassungsrelevanten Studie CombAT (The Combination of Avodart and Tamsulosin) belegen den Nutzen der dualen Strategie. In diese randomisierte, multizentrische Doppelblindstudie wurden Männer > 50 Jahre mit moderater bis schwerer BPH und erhöhtem Progressionsrisiko aufgenommen (n = 4844). Weitere Einschlusskriterien waren IPSS > 12, Prostatavolumen > 30 ml, PSA-Wert 1,5 bis 10 ng/ml. Sie wurden über 48 Monate mit Dutasterid/Tamsulosin oder mit Dutasterid oder Tamsulosin allein behandelt. Primärer Endpunkt war die Zeit bis zum Auftreten eines akuten Harnverhalts oder der Notwendigkeit eines operativen Eingriffs wegen der BPH. Im Hinblick auf wichtige Erfolgskriterien erwies sich die Kombinationstherapie als signifikant überlegen:
• Abnahme der BPH-Symptome (erfasst mit dem IPSS) (Abbildung)
• Nachlassen von Miktionsproblemen und verbesserte Speicherkapazität der Blase
• Geringeres Risiko für eine klinische Progression. Darüber hinaus wurde das relative Risiko für einen akuten Harnverhalt und/oder eine chirurgische Intervention signifikant vermindert (relative Risikoreduktion 65,8%). Und last, but not least überzeugte die Kombination durch eine signifikant überlegene Patientenzufriedenheit und gute Verträglichkeit.
Renate Weber
Satellitensymposium GlaxoSmithKline: «Evidence and rationale for initial treatment of patients with symptomatic BPH at risk of progression». Pressegespräch GlaxoSmithKline, 25. Februar 2012.
Benigne Prostatahyperplasie
Chancen und Grenzen der medikamentösen Therapie
Vor 20 Jahren standen einem Patienten mit benigner Prostatahyperplasie und unterer Harntraktsymptomatik lediglich Phytopharmaka oder grössere chirurgische Eingriffe zur Verfügung. Neben minimalinvasiven Operationstechniken wurde inzwischen eine Reihe wirksamer Medikamente entwickelt.
Die benigne Prostatahyperplasie (BPH) zählt zu den häufigsten gutartigen Veränderungen des alternden Mannes. Auch auf dem EAU-Kongress 2012 wurde deutlich, dass die Ursache bis heute noch immer nicht geklärt ist. Das klinische Krankheitsbild – das benigne Prostatasyndrom (BPS) –, das sich bei Männern mit BPH entwickeln kann, ist gekennzeichnet durch eine unterschiedliche Ausprägung von Prostatavergrösserung, Symptomen des unteren Harntrakts und einer Blasenauslassobstruktion (Tabelle 1). Histologische Veränderungen, die auf eine BPH hinweisen, sind oftmals bereits um das 30. Lebensjahr erkennbar. Im 50. Lebensjahr ist jeder zweite und im 8. bis 9. Lebensjahrzehnt nahezu jeder Mann betroffen. Bei etwa der Hälfte der Männer mit BPH entsteht eine klinisch vergrösserte Prostata (benign prostate enlargement, BPE).
Hiervon entwickeln mindestens 50 Prozent Symptome des unteren Harntrakts (lower urinary tract symptoms, LUTS). In der Gruppe der 60- bis 70-Jährigen geben etwa 40 Prozent LUTS an. Bei den Symptomen des unteren Harntrakts können obstruktive und irritative voneinander unterschieden werden (Tabelle 2). Irritative Blasenbeschwerden bei Männern wie Pollakisurie, Nykturie und imperativer Harndrang sind oftmals auf eine überaktive Blase (overactive bladder, OAB) zurückzuführen und nicht nur auf eine vergrösserte Prostata. Daher benutzt die neue Leitlinie der EAU nun die Bezeichnung «Male LUTS» als Oberbegriff und nicht mehr BPH. Die Einengung der Harnröhre führt zu einer Blasenauslassobstruktion (benign prostatic obstruction, BOO). Infolgedessen kann es zu Veränderungen der Harnblasen-
EAU 2012 Urologie
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