Transkript
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Persistierende Refluxsymptome
Wie weiter, wenn sie trotz hoch dosierter PPI-Therapie bestehen?
Die empirische Therapie mit PPI gegen Reflux ist gut etabliert, sodass eine invasive Diagnostik meist erst dann in Betracht gezogen wird, wenn die PPI-Therapie versagt. An einem Symposium ging es um die Frage der Abklärung von GERD und NERD sowie die Zukunft der Säuresuppression.
E inleitend erinnerte Professor Dr. André Smout, Amsterdam, an die Entwicklung der GERD-Therapie: Es begann mit Cimetidin (1977), dann kam Ranitidin (1981), bis die PPI den H2RA den Rang abliefen: Omeprazol (1989) machte den Anfang, 2001 kam Esomeprazol auf den Markt. Seither lassen Innovationen auf sich warten, und heutzutage sehen sich die Gastroenterologen mit dem Problem der inkompletten PPI-Responder konfrontiert. Bei 40 Prozent der Patienten mit Refluxbeschwerden (Sodbrennen, Regurgitation, retrosternalen Schmerzen) liegt eine Refluxösophagitis vor (GERD), bei 60 Prozent handelt es sich um eine nicht erosive Refluxkrankheit mit intakter Schleimhaut (NERD). Zur Wirksamkeit der PPI (Esomeprazol 40 mg, Lansoprazol 30 mg) bei Ösophagitiden unterschiedlicher Schweregrade erklärte Smout, dass nach acht Wochen die Heilungsraten bei über 95 Prozent liegen (Schweregrad A und B); bei höhergradiger GERD werden Abheilungsraten zwischen 60 und 80 Prozent erreicht. Den überzeugenden Heilungsraten auf der einen Seite steht jedoch das teilweise Persistieren von Sodbrennen und Regurgitation gegenüber (siehe Tabelle). Bei Patienten mit NERD wurde geprüft, ob eine Dosiserhöhung des PPI zur kompletten Symptombefreiung beiträgt. Es zeigte sich allerdings, dass die Dosis eine geringere Rolle spielt als die Therapiedauer: Mit 20 mg Omeprazol sowie mit 20 oder 40 mg Esomeprazol war nach 14 Wochen bei knapp 40 Prozent der Patienten das Sodbrennen völlig beseitigt; diese Rate erhöhte sich nach 28 Wochen auf fast 60 Prozent.
Unvollständiges Ansprechen von Refluxbeschwerden auf eine PPI-Therapie
Die empirische Therapie mit PPI hat im Praxisalltag einen hohen Stellenwert erlangt, sodass auf eine invasive Diagnostik häufig verzichtet wird. Erst wenn die PPI-Therapie versagt, wird weiter abgeklärt. Mit der 24h-pH-Metrie lässt sich die ösophageale Säureexposition erfassen, und man ermittelt den Prozentanteil der Zeit mit pH < 4. Eine
zeitliche Assoziation zwischen dem Auftreten von Symptomen und Refluxepisoden kann mit der Impedanz-pHMessung dokumentiert werden; ausserdem erlaubt das Verfahren die Unterscheidung zwischen saurem und nicht saurem Reflux. Das pH-Impedanz-Monitoring erhöht die Chance, eine GERD als Ursache von Refluxproblemen zu entdecken, um etwa 30 Prozent, so André Smout. Er berichtete über eine Studie mit 168 Patienten, die trotz PPI-Therapie über persistierende Symptome klagten. Mithilfe des pH-Impedanz-Monitorings sollten die Ursachen des Therapieversagens abgeklärt werden. Bei 144 Patienten (86%) kam es zu Refluxbeschwerden während der Untersuchung, und bei 24 Patienten traten keine Symptome auf. Bei jenen mit Symptomen wurde der Symptomindex (SI) ermittelt: Ein positiver SI bedeutete, dass es bei mindestens der Hälfte der symptomatischen Episoden innerhalb der vorangegangenen 5 Minuten zu einem Refluxereignis gekommen war. Resultate: • Bei 75 Patienten (52%) war der SI negativ, was den Aus-
schluss einer GERD erlaubt • Bei 69 Patienten fand man einen positiven SI
Take Home Messages
● Unter einer PPI-Therapie kommt es in aller Regel zu einer Abheilung der Ösophagitis, der PPI-Effekt hängt jedoch von der Dosis und dem Schweregrad der Ösophagitis ab.
● Das PPI-Versagen beruht nur sehr selten auf einer unzureichenden Anhebung des intragastralen pH-Werts.
● Unter PPI-Therapie wird häufig eine unvollständige Symptombefreiung beobachtet, wobei sich Regurgitationen als besonders resistent erweisen.
● Wenn Refluxsymptome ungenügend auf PPI ansprechen, liegt häufig ein funktionelles Sodbrennen vor und keine GERD.
● Am zweithäufigsten ist ein nicht saurer Reflux bei hypersensitivem Ösophagus für den unbefriedigenden Therapieerfolg verantwortlich.
● Für die differenzialdiagnostische Abklärung hat sich das pHImpedanz-Monitoring am besten bewährt.
UEGW 2011 Gastroenterologie
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Tabelle:
Wirksamkeit einer säuresupprimierenden Therapie (Standarddosis)
Heilung der Ösophagitis völliges Verschwinden des Sodbrennens völliges Verschwinden der Regurgitationen
PPI 90% 58% 47%
H2-RezeptorAntagonisten
52%
Plazebo 8%
40%
17%
43%
30%
• Von jenen mit positivem SI wiesen lediglich 16 einen Säurereflux auf
• Bei den verbleibenden 53 Patienten handelte es sich um eine GERD mit nicht saurem Reflux.
Das pH-Impedanz-Monitoring erlaubt auch weitere differenzialdiagnostische Abgrenzungen zwischen verschiedenen NERD-Formen. Eine klassische NERD liegt bei exzessiver Säureexposition vor. Wenn bei physiologischer Säureexposition eine positive Symptomassoziation besteht, geht man von einer NERD bei hypersensitivem Ösophagus aus. Als dritte Kategorie erwähnte Smout das funktionelle Sodbrennen, das sich durch physiologische Säureexposition und negative Symptomassoziation auszeichnet. Allerdings sollte man hier auch andere Diagnosen wie eine Achalasie in Betracht ziehen: 35 Prozent der Patienten mit nicht erkannter Achalasie berichten über Sodbrennen.
Zukunft der Säuresuppression
Das Management säureassoziierter Erkrankungen lässt durchaus noch zu wünschen übrig, erklärte Professor Dr. Carmelo Scarpignato, Parma. Bei Weitem nicht alle GERD- und NERD-Patienten sprechen ausreichend auf die etablierte Therapie an. Viele klagen über eine unzureichende nächtliche Säurekontrolle, und bei Patienten mit schwerer erosiver Ösophagitis wären höhere Heilungsraten wünschenswert. Selbst unter 40 mg Esomeprazol erzielte man bei 50 Prozent der Patienten mit Ösophagitis (LA-D) nach 4 Wochen keine Heilung, und nach 8 Wochen waren 20 Prozent nicht geheilt. Die Reduktion der Häufigkeit belastender nächtlicher Säuredurchbrüche sei ein weiteres wichtiges Ziel, so Scarpignato.
Was ist in der Pipeline?
Scarpignato beklagte die seiner Ansicht nach unzureichend gefüllte Gastro-Pipeline der pharmazeutischen Industrie: Insgesamt befinden sich 33 Medikamente mit potenzieller Wirksamkeit im oberen Gastrointestinaltrakt in der klinischen Entwicklung (sämtliche Phasen zusammengerechnet), Studien der Phase III laufen mit lediglich 3 Wirkstoffen. In Zukunft wären potentere H2RA und H2RAPPI-Fixkombinationen von Interesse, ebenso wie Gastrin-
Rezeptorantagonisten, Kalium-kompetitive Säureblocker, neue PPI-Formulierungen oder lang wirksame PPI wie Tenatoprazol. Als neue Technologie bietet sich neben den bekannten IRund ER-Formulierungen die «Dual-delayed-release»Galenik (DDR) an: In einem ersten Freisetzungsschritt werden 25 Prozent des Wirkstoffs bei pH 5,5 freigesetzt, danach folgte ein zweiter Schritt mit Freisetzung der restlichen Substanz bei einem pH von 6,75. Bei Patienten mit schwerer erosiver Ösophagitis war 90 mg Dexlansoprazol (Kapseln mit DDR-Galenik; in der Schweiz nicht auf dem Markt) einer Therapie mit 30 mg Lansoprazol signifikant überlegen. Als weitere Beispiele für Medikamente mit verlängerter Wirkdauer erwähnte der Referent Rabeprazol-ER, Tenatoprazol und ein Sulfonamidderivat von Omeprazol (die beiden Letztgenannten sind in der Schweiz nicht verfügbar). Die Gabe von 1 x täglich 50 mg Rabeprazol-ER war ähnlich wirksam wie 1 x 40 mg Esomeprazol (bei mässig schwerer und schwerer Ösophagitis). Tenatoprazol weist eine ungewöhnlich lange Halbwertszeit von 7,8 bis 8,7 Stunden auf (verglichen mit rund 1,5 h bei den bisherigen PPI). Ausserdem zeigte sich ein günstiger Effekt auf den nächtlichen intragastralen pH (4,64 statt 3,61 bei Esomeprazol). Im Steady State erreicht man mit Tenatoprazol über mehr als 20 Stunden einen pH > 4, was als eine der entscheidenden Voraussetzungen für die Abheilung der Ösophagitis angesehen wird. Als weitere vielversprechende Innovation wird ein Sulfonamidderivat von Omeprazol (AGN 201904) entwickelt: Dieser PPI ist ein Prodrug in doppeltem Sinn. AGN 201904 muss erst zu Omeprazol hydrolysiert und anschliessend in der Belegzelle aktiviert werden. Mit diesem PPI erzielt man über 83 Prozent der Zeit einen pH > 4, verglichen mit 38 Prozent der Zeit unter Esomeprazol. Für derartige Wirkstoffe mit langer HWZ und lang anhaltendem antisekretorischem Effekt bestehe ein grosser Bedarf, so das Fazit des Referenten.
Renate Weber
«GORD: Controversies in management» Symposium, 24. Oktober 2011, UEGW, Stockholm.
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