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Hepatitis B und C
State of the Art und Behandlungskonzepte
Das Management bei Hepatitis B und neue therapeutische Optionen für Hepatitis-C-Patienten waren Themen an mehreren Symposien an der UEGW 2011 in Stockholm. Professor Heiner Wedemeyer, Hannover, und Professor Markus Heim, Basel, fassten in ihren Vorträgen wichtige Punkte für die Praxis zusammen.
Ü ber das Management der chronischen Hepatitis B berichtete Professor Dr. Heiner Wedemeyer, Medizinische Hochschule Hannover, im Rahmen eines Symposiums. Für die Therapieentscheidung spielen das Ausmass der Virusreplikation (HBV-DNA), der Entzündungs- und Fibrosestatus und die Erhöhung der Serumtransaminasen eine entscheidende Rolle: • HBV-DNA > 2000 IU/ml und Serum ALT > ULN und/oder
histologische Hinweise auf entzündliche Aktivität oder Fibrose • Bei bestehender Zirrhose bedeutet jeglicher HBV-DNANachweis eine Behandlungsindikation. Wedemeyer verwies auf den Nutzen einer konsequenten antiviralen Therapie – auch bei Patienten mit fortgeschrittener Fibrose: Unter einer Langzeittherapie mit Entecavir über 268 Wochen war es zur massiven Rückbildung der fibrotischen Veränderungen gekommen; der Fibrosegrad hatte sich von 6 auf 2 verringert.
Interferon und Nukleos(t)idanaloga
Zwei unterschiedliche Konzepte bieten sich für die Therapie der Hepatitis B an: (pegyliertes) Interferon-alpha, das wöchentlich injiziert wird, und Nukleos(t)idanaloga, welche als Tabletten zur Verfügung stehen. Beide Optionen haben Vor- und Nachteile (Tabelle 1). Interferon kommt infrage bei Patienten mit HBV-Genotyp A, mit hohen ALT (> 2 x ULN), bei kompensierter Lebererkrankung sowie bei niedriger HBV-DNA (< 108 IU/ml). Die Therapie wird abgesetzt, wenn keine HBs-Ag-Abnahme und keine HBV-DNA-Response nach 12 beziehungsweise 24 Wochen objektivierbar ist, erklärte Wedemeyer. Folgende Nukleos(t)idanaloga sind bei Hepatitis B zugelassen: Lamivudin, Adefovir, Entecavir, Telbivudin und Tenofovir. Als First-line-Therapie werden Entecavir (0,5 mg bzw. 1 mg bei Lamivudin-Resistenz) und Tenofovir (300 mg) empfohlen. Im Praxisalltag lässt sich mit Entecavir nach 6 Monaten eine virologische Response von 67 Prozent erzielen, diese er-
höht sich nach 12 Monaten auf 87 Prozent
und steigt nach 30 Monaten weiter an auf
94 Prozent. Bei Tenofovir hängt die Re-
sponse vom Resistenzmuster ab, so We-
demeyer. Die Wahrscheinlichkeit einer
Response mit einer HBV-DNA-Last < 400
Kopien/ml liegt beim Wildtyp und bei La-
mivudinresistenz bei > 90 Prozent, bei
Adefovirresistenz bei etwa 50 Prozent.
Bei Resistenzentwicklung sollte die Viruslast alle drei Monate kontrolliert und bei
Heiner Wedemeyer
Anstieg mit einem zweiten Medikament
(ohne Kreuzresistenz) kombiniert werden.
Bei Nukleosidresistenz kombiniert man
mit einem Nukleotid und umgekehrt. Ak-
tuelle Empfehlungen: Bei Nukleosidresis-
tenz kommt Tenofovir als Add-on infrage
beziehungsweise bei Adefovirresistenz
ein Nukleosid oder aber Tenofovir. Eine
Studie hat gezeigt, dass Patienten mit
suboptimaler Response auf Adefovir bei
Umstellung auf Tenofovir nach 48 Monaten eine Response von 81 Prozent auf-
Markus Heim
wiesen (< 400 Kopien/ml). Die Langzeittherapie mit Nukleos(t)iden kann frühestens 12 Monate nach einer HBs-Ag-Serokonversion abgesetzt werden, das heisst wenn die Patienten HBs-Ag-negativ sind und einen Anti-HBs-Antikörpertiter > 100 IU/ml auf-
weisen. Diese immunologische Kontrolle ist Vorausset-
zung für die Beendigung der Therapie.
Neue Therapieoptionen bei Hepatitis C
Für die Behandlung der Hepatitis C (Genotyp 1) haben zwei Proteaseinhibitoren kürzlich die Zulassung in der Schweiz erhalten. Professor Dr. Markus Heim, Basel, stellte Boceprevir (BOC) und Telaprevir (TVR) an einem UEGW-Symposium vor – als Fortschritt, aber auch als Herausforderung, denn mit den Newcomern wird die Therapie nicht einfacher, son-
UEGW 2011 Gastroenterologie
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Tabelle 1:
Hepatitis-B-Medikamente
(Peg) IFN-alpha • HBs-Serokonversion bis 10% • HBe-Serokonversion bis 50% • abhängig vom HBV-Genotyp:
• keine Resistenz • begrenzte Therapiedauer
(24–48 Wo.)
Nukleos(t)idanaloga • hoch effizient • sehr wenig Nebenwirkungen • auch bei fortgeschrittener
Erkrankung wirksam
Aber: • Nebenwirkungen und
Kontraindikationen • anhaltende HBV-DNA-
Suppression nur bei 30 Prozent der Patienten
Aber: • Resistenz • Relaps nach Absetzen der
Therapie • niedrige Raten einer
anhaltenden Hbe-Ag- und HBs-Ag-Serokonversion • Langzeittherapie
Tabelle 2:
Nebenwirkungen unter PegI-R im Vergleich mit einer BOC-Tripletherapie
Anämie < 10 g/l Erythropoetingabe erforderlich Geschmacksstörungen BOC plus PegI-R 49% 43% 37% PegI-R 29% 24% 18% PegI-R: peg. Interferon plus Ribarivin; BOC: Boceprevir; nach Poordad et al., NEJM 2011 Tabelle 3: Nebenwirkungen unter PegI-R im Vergleich mit einer TVR-Tripletherapie Anämie < 10 g/l Anämie < 8,5 g/l Rash Pruritus Nausea TVR plus PegI-R 36% 9% 37% 50% 43% PegI-R 14% 2% 24% 36% 31% PegI-R: peg. Interferon plus Ribarivin; TVR: Telaprevir; nach Jacobson et al., NEJM 2011 dern komplexer und aufwendiger. Doch der Aufwand dürfte sich lohnen, denn die SVR (sustained viral response), die mit Peg-Interferon plus Ribavirin (PegI-R) bei rund 40 Prozent liegt, erhöht sich durch die Tripletherapie auf über 65 Prozent (BOC) beziehungsweise knapp 80 Prozent (TVR). Beide Tripletherapien stellen erhebliche Anforderungen an die Compliance, da komplizierte Therapieschemata und Monitoringmodalitäten eingehalten werden müssen. Zusätzlich zu den wöchentlichen subkutanen PegI-Injektionen und der zweimal täglichen Einnahme von Ribavirin sind folgende Einnahmevorschriften zu beachten: • BOC: 3 x täglich (im Abstand von 7–9 h) 800 mg BOC, entsprechend 4 Kapseln mit 200 mg während einer Mahlzeit/eines Snacks. • TVR: 3 x täglich (im Abstand von 7–9 h) 750 mg TVR, entsprechend 2 Tabletten mit 375 mg während einer Mahlzeit/eines Snacks. Die Tripletherapie mit BOC startet nach einer 4-wöchigen Initialphase mit PegI-R, danach folgt die Tripletherapie mit PegI-R plus BOC. Das gilt für nicht vorbehandelte Patienten, für partielle Responder und solche mit einem Relaps. Die Dauer dieser Tripletherapie hängt davon ab, wie rasch der HCV-RNA-Nachweis negativ ausfällt. Ist dies bei Patienten ohne Zirrhose bereits nach 8 Wochen der Fall, kann der Therapiezyklus nach insgesamt 28 Wochen beendet werden. Bei Patienten mit Zirrhose liegt die Therapiedauer bei 48 Wochen. TVR hingegen wird von Anfang an zusammen mit PegI-R verabreicht. Therapie-naive Patienten und solche mit Relaps, ohne Zirrhose, erhalten die Tripletherapie über 12 Wochen, danach folgen 12 Wochen PegI-R, sofern der HCV-RNA-Nachweis nach 4 und 12 Wochen negativ ist. Nicht zirrhotische Patienten ohne rasches Ansprechen und Patienten mit Zirrhose werden nach der 12-wöchigen Tripletherapie auf PegI-R umgestellt (für 36 Wochen). Partielle Responder auf eine vorangegangene Therapie sowie Nonresponder werden über 12 Wochen mit PegI-R plus TVR und anschliessend für 36 Wochen mit PegI-R therapiert. Bei positivem HCV-RNA-Nachweis nach 24 Wochen sollte die Therapie als erfolglos angesehen und beendet werden. Nebenwirkungen, Interaktionen und Resistenzen Die Therapie mit BOC und TVR ist mit erheblichen Nebenwirkungen (Tabelle 2 und 3) belastet, die bei einem hohen Prozentsatz der Behandelten das blutbildende System betreffen. Bei TVR treten ausserdem unerwünschte Hautreaktionen und gastrointestinale Störungen auf. Die Therapie der Hepatitis C mit den neuen Tripletherapien wird ausserdem dadurch kompliziert, dass es sich sowohl bei TVR wie auch bei BOC um potente Hemmer des Zytochrom P450 (CYP2C, CYP3A4, CYP1A) handelt. Die Liste der Arzneimittel, die potenziell mit den Proteasehemmern interagieren können, kann unter www.hep-druginteractions.org/Interactions.aspx abgerufen werden. Von einer Monotherapie mit Proteasehemmern wird abgeraten, da sich rasch resistente HCV-Varianten entwickeln. Bei Therapie-naiven Patienten in den Zulassungsstudien wurde unter der BOC-Tripletherapie bei 16 Prozent und unter der TVR-Tripletherapie bei 12 Prozent eine Resistenzentwicklung beobachtet. Renate Weber Vorträge an den Symposien «Challenges in chronic hepatitis B management» und «The improving management of chronic hepatitis C» am 24./25. Oktober 2011, UEGW Stockholm. 4 Gastroenterologie UEGW 2011