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27. SCHWEIZERISCHE TAGUNG FÜR PHYTOTHERAPIE, BADEN, 22. NOVEMBER 2012
Sicherheits- und Wirksamkeitsprofil von Echinacea purpurea zur Erkältungsprävention: Eine randomisierte, kontrollierte Doppelblindstudie
Roland Schoop
Einleitung
Das National Institute of Allergy and Infectious Diseases geht von einer Milliarde Erkältungen alleine in den Vereinigten Staaten aus (1, 2). Insgesamt 100 Millionen Arztbesuche, rund 42 Millionen Schulfehltage sowie 148 Millionen Tage mit Aktivitätseinschränkungen werden auf die Erkältung zurückgeführt. Die Gesamtkosten dieser Erkrankungen belaufen sich auf zirka 40 Milliarden US-Dollar (3). Atemwegsinfekte werden durch eine Vielzahl unterschiedlicher Viren verursacht, beispielsweise Rhinoviren, Coronaviren, Respiratorische Synzytial-Viren (RSV), Metapneumoviren, Boccaviren und nicht zuletzt Parainfluenza- und Influenzaviren (4). Nicht nur Influenza-, auch Parainfluenza-, RSV, ja sogar die verbreiteten Rhinoviren können schwere Infekte, erhebliche Morbidität und Mortalität verursachen (5–7). Impfungen bieten wirksamen Schutz gegen Influenzaviren, doch es sind derzeit keine pharmakologischen Wirkstoffe verfügbar, die Schutz vor anderen respiratorischen Viren bieten würden. Die Entwicklung einer umfassenden Prophylaxe gegen Atemwegsinfekte wird durch die Vielzahl an Viren und deren starke Mutationsneigung behindert. Ein alternativer Ansatz greift auf die Fähigkeit unseres Körpers zurück, sich gegen Erreger selbst zur Wehr setzen zu können.
Hier steht dem roten Sonnenhut (Echinacea purpurea) eine einzigartige Rolle zu. Über die breite antivirale und entzündungshemmende Wirkung eines ethanolischen Extrakts aus erntefrischer Echinacea purpurea (Echinaforce®) wurde bereits berichtet (8–10). Eine Vielzahl membranöser Atemwegsviren ist empfindlich gegenüber dem Präparat, welches in der Anwendung keinerlei Tendenz zur Ausbildung von Resistenz zeigte. Eine 8-tägige Therapie mit dem Spezialextrakt aus 95 Prozent Herba und 5 Prozent Wurzeln bewirkte eine gesteigerte Produktion chemotaktischer Mediatoren (Interleukin-8 [IL-8], MCP-1) bei gleichzeitiger Reduktion der entzündlichen TNF-α und IL-1. Antiviral wirkendes Interferon gamma (IFN-γ) wurde in Probanden mit erhöhter Infektanfälligkeit und bei gestressten Personen gezielt induziert. Die Effekte deuten darauf hin, dass der Extrakt immunologische Prozesse unterstützt, welche zu einer verbesserten antiviralen Resistenz führen. Infektanfällige Personen und solche mit schwacher Immunreaktion scheinen von einer Therapie besonders zu profitieren (11).
Sicherheit und Wirksamkeit in der Langzeitprävention von Erkältungen
Respiratorische Viren treten gehäuft von Oktober bis April auf und mit ihnen die grippalen Infekte. Eine vorbeugende Behandlung sollte daher nicht nur wirksam, sondern bei Anwendung über den gesamten Herbst und Winter hinweg auch sicher sein. Die jüngste randomisierte, doppelblinde, plazebokontrollierte, klinische Studie befasste sich mit der Sicherheit und Wirksamkeit einer prophylaktischen Anwendung von Echinaforce® über einen Zeitraum von 4 Monaten. Teilnehmern mit akuter Erkältung wurde Nasensekret ent-
nommen und mittels RT-PCR-Methode auf respiratorische Viren untersucht. Mit 755 Teilnehmern ist dies die bisher grösste Studie zu Echinacea. Sie wurde am Common Cold Centre der Cardiff University, GB, unter der Leitung von Prof. Ronald Eccles durchgeführt (12). Im Hinblick auf unerwünschte Ereignisse, unerwünschte Arzneimittelwirkungen, BlutLabor-Parameter sowie auf die Einschätzung der Verträglichkeit durch Prüfer und Teilnehmer erwies sich Echinacea im Vergleich zu Plazebo als nicht unterlegen. In der Vergangenheit vermutete Sicherheitsprobleme wie allergische Reaktionen, Leukopenie oder Autoimmunerkrankungen wurden unter der Behandlung mit Echinacea nicht beobachtet. Wie aus Abbildung 1 hervorgeht, traten unter Plazebo insgesamt deutlich mehr Erkältungsepisoden, mehr Erkältungstage und 52 Prozent mehr Erkältungsepisoden auf, die den Einsatz von Schmerzmitteln erforderlich machten (p < 0,05). Der Extrakt reduzierte zudem die Anzahl virologisch bestätigter Infektionen, insbesondere derjenigen durch Influenza-, respiratorische Synzytial-, Parainfluenza- und Coronaviren (Abbildung 2). Maximale Prävention war bei Probanden mit rezidivierenden Erkältungskrankheiten zu beobachten: 100 Episoden bei 43 Plazeboprobanden standen 63 Episoden bei 28 Probanden unter Echinacea gegenüber. Das entspricht im Hinblick auf rezidivierende Infektionen einem Häufigkeitsverhältnis von 1,59. Mit p = 0,017 erreicht der Unterschied ebenfalls statistische Signifikanz. Die Anzahl rezidivierender Episoden mit positivem Virusnachweis ging von 34 auf 14 zurück. In einer Gruppe von Probanden (n = 187), die mindestens 100 Prozent der empfohlenen Dosis eingenommen hatten, wurden insgesamt 58 Erkältungsepisoden mit 268 thema18 PHYTOTHERAPIE 1/2013 27. SCHWEIZERISCHE TAGUNG FÜR PHYTOTHERAPIE, BADEN, 22. NOVEMBER 2012 Erhöhtes Risiko ohne Echinacea 70 60 * * 50 Risiko (%) 40 30 ** 20 10 0 Erkältungsepisodes Erkältungstage Wiederkehrende Infekte Co-medizierte Episoden Abbildung 1: Die Echinacea-Prophylaxe reduzierte die Anzahl von (wiederkehrenden) Erkältungsepisoden, die gesamten Erkältungstage sowie den Bedarf an Schmerzmitteln deutlich (*p < 0,05; **p < 0,01). Virale Infekte ohne Echinacea 100 * 90 80 70 Risiko (%) 60 50 40 30 20 10 0 Virale Infekte Membranöse Virus Infekte Abbildung 2: Während der Studie wurden 54 Virusinfektionen in der Echinacea-Gruppe und 74 in der Plazebogruppe diagnostiziert (+37%, p > 0,05). Interessanterweise zeigte sich die stärkste Wirkung bei behüllten Erregern wie Corona-, Influenza-, Parainfluenza- oder RS-Viren mit 24 beziehungsweise 47 diagnostizierten Infektionen in den beiden Gruppen (*p < 0,05). Erkältungstagen unter Plazebo gegenüber lediglich 36 Episoden mit 155 Erkältungs- tagen unter Echinacea berichtet. Das ent- spricht einem hochsignifikanten Unter- schied sowohl bei den Erkältungsepisoden als auch bei den Erkältungstagen von 61,1 beziehungsweise 72,9 Prozent (p < 0,0001). Die präventive Wirkung wurde weiter in ei- ner Gruppe von Probanden untersucht, die über Stressbelastung berichteten. Stress- belastete Personen wurden ausgewählt, wenn ihr Score auf der von Cohen ent- wickelten Perceived Stress Scale (PSS-10) 14 Punkte überschritt (13, 14). Die Anzahl der Erkältungsepisoden und Erkältungstage war in der Plazebogruppe signifikant hö- her, nämlich um 66,6 beziehungsweise 40,7 Prozent (p < 0,05). Ähnliche Ergebnisse zeigten sich bei Personen mit erhöhter An- fälligkeit (> 2 Erkältungen/Jahr), mit Schlaf-
mangel (< 8 Stunden) sowie bei Rauchern, wobei die letztgenannte Gruppe mit 43 Probanden sehr klein war (Abbildung 3). Diese neuen Ergebnisse bestätigen, dass ein Spezialextrakt aus Echinacea purpurea die Immunabwehr gezielt unterstützt und parallel dazu gegen eine Reihe von Atem- wegsviren direkt aktiv ist. Das scheint eine effektive Therapiemöglichkeit zu eröffnen, die nicht nur auf der Ebene des mensch- lichen Organismus, sondern auch direkt gegen Infektionserreger wirkt – all das bei hervorragender Verträglichkeit. ◆ Anschrift des Referenten: Dipl. biochem. Roland Schoop Bioforce AG 9325 Roggwil r.schoop@bioforce.ch Erkältungsrisiko ohne Echinacea 90 80 70 60 50 40 30 20 10 0 > 2 Erkältungen Compliance > 100% PSS-10 > 14 pro Jahr
Schlaf 2–6 h
Raucher
Abbildung 3: Der prophylaktische Nutzen war bei Personen mit vermuteter schwacher Immunreaktion und entsprechender Neigung zu Atemwegsinfekten stärker ausgeprägt als in der Gesamtpopulation.
Referenzen:
1. Rotbart HA, Hayden FG. Picornavirus infections: a primer for the practitioner. Archives of Family Medicines 2000; 9(9): 913–922.
2. Adams PF, Hendershot GE, Marano MA. Current estimates from the National Health Interview Survey, 1996. Vital and Health Statistics Series 10, Data from the National Health Survey 1999: 1–203.
3. Fendrick AM, Monto AS, Nightengale B, Sarnes M. The economic burden of non-influenza-related viral respiratory tract infection in the United States. Archives of Internal Medicine 2003; 163: 487–494.
4. Johnston SL. Problems and prospects of developing effective therapy for common cold viruses. Trends in Microbiology 1997; 5(2): 58–63.
5. Ackermann J. Ah-Choo!: Twelve Hachett Book Group 2010.
6. Johnston SL, Pattemore PK, Sanderson G, Smith S, Lampe F, Josephs L, Symington P, O’Toole S, Myint SH, Tyrrell DA, et al. Community study of role of viral infections in exacerbations of asthma in 9–11 year old children. BMJ 1995; 310: 1225–1229.
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7. Jefferson T. Mistaken Identity: seasonal influenza versus influenza-like illness. Clinical Evidence 2009; Oct: 1–4: http://www.clinicalevidence.com/x/mce/ file/05-10-09.pdf. 8. Sharma M, Anderson SA, Schoop R, Hudson JB. Induction of multiple pro-inflammatory cytokines by respiratory viruses and reversal by standardized Echinacea, a potent antiviral herbal extract. Antiviral Research 2009; 83: 165–170. 9. Pleschka S, Stein M, Schoop R, Hudson JB. Anti-viral properties and mode of action of standardized Echinacea purpurea extract against highly pathogenic avian influenza virus (H5N1, H7N7) and swine-origin H1N1 (S-OIV). Virology Journal 2009; 6: 197. 10. Schapowal A. The triple action of the herbal medicine Echinaforce in the treatment of colds and flulike infections. Swiss Journal of Integrative Medicine 2011; 23: 1–5. 11. Ritchie MR, Gertsch J, Klein P, Schoop R. Effects of Echinaforce® treatment on ex vivo-stimulated blood cells. Phytomedicine 2011; 18(10): 826–831. 12. Jawad M, Schoop R, Suter A, Klein P, Eccles R. Safety and Efficacy Profile of Echinacea purpurea to Prevent Common Cold Episodes: A Randomized, Double-Blind, Placebo-Controlled Trial. Evidence-Based Complementary and Alternative Medicine 2012; doi:10.1155/2012/841315. 13. Jawad M, Schoop R, Suter A, Eccles R. Randomized, double blind, placebo-controlled study on longterm prophylaxis with Echinacea purpurea (Echinaforce®. In Phytopharm 2012, St. Petersburg (Poster presentation). 14. Cohen S, Kamarck T, Mermelstein R. A global measure of perceived stress. Journal of Health and Social Behavior 1983; 24: 385–396.
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