Transkript
27. SCHWEIZERISCHE TAGUNG FÜR PHYTOTHERAPIE, BADEN, 22. NOVEMBER 2012
Influenzavirus:
Pflanzliche Wirkstoffe im Vergleich zu synthetischen Produkten
Stephan Pleschka
Einleitung
Influenzaviren (IV) stellen nach wie vor eine andauernde Bedrohung für Mensch und Tier dar. Von den drei Genera A, B und C sind die Influenza-A-Viren (IAV) die klinisch relevantesten. Im Menschen führt die Infektion zur echten Virusgrippe – der Influenza. Dabei kann sich das Virus vom oberen Respirationstrakt in die tieferen Regionen der Lunge bis in die Alveolaren ausbreiten und eine schwere Pneumonie verursachen und zum Tod führen. Aufgrund der Tatsache, dass ihr eigentliches natürliches Reservoir wildlebende Wasservögel sind, besteht keine Möglichkeit, diese Viren auszurotten. Darüber hinaus besitzen IV eine hohe genetische Plastizität, welche es ihnen erlaubt, sich sehr schnell sich ändernden Umweltbedingungen anzupassen und einem Selektionsdruck zu entziehen. Zum einen macht die virale Polymerase bei der Vermehrung des Virusgenoms viele Fehler. Diese werden nicht korrigiert, was zur Folge hat, dass sich die Struktur des Oberflächenproteins (HA), das für die Bindung an die Zelle notwendig ist und welches vom Immunsystem erkannt wird, ändert. Dadurch kann das HA nicht mehr von neutralisierenden Antikörpern erkannt werden, und das Virus entzieht sich der Immunabwehr. So entstehen Jahr für Jahr neue Epidemien, die jedes Mal eine neue Impfung erfordern. Zum ande-
ren besitzen IV ein segmentiertes Genom, welches es ihnen erlaubt, bei einer Ko-Infektion von zwei verschiedenen IV ihre Segmente auszutauschen. Dadurch entstehen Viren mit völlig neuen Eigenschaften, welche sich eventuell im Menschen vermehren können, aber nicht mehr vom Immunsystem erkannt werden. Das führt zu Pandemien mit teilweise verheerenden Folgen.
Impfung als beste Prävention
Der beste präventive Schutz gegen die jährlichen Epidemien stellt nach wie vor die Impfung dar. Diese schützt sehr wirksam, aber meist nur für eine Saison. Die therapeutischen Möglichkeiten bei einer vorhandenen Infektion sind allerdings äusserst begrenzt. Bislang sind zur Behandlung nur zwei Klassen von Medikamenten zugelassen, und das auch nicht überall. Hierzu gehören die Ionenkanal- oder M2Blocker Amantadin und Rimantadine. Diese greifen eine wichtige virale Funktion an, welche bei der Infektion der Zelle gebraucht wird. Sie wirken aber nur gegen IAV, und mittlerweile sind die meisten resistent geworden. Die andere Klasse sind Neuraminidasehemmer (Tamiflu, Relanza), welche die Aktivität des viralen NA-Proteins hemmen, das für die Verbreitung der Viren im Organismus nötig ist. Sie wirken nicht nur gegen IAV, sondern auch gegen die Influenza-B-Viren, welche ebenfalls den Menschen infizieren und zur Grippe führen. Allerdings sind auch hier zunehmend Resistenzen zu beobachten, sodass es eine Frage der Zeit ist, wann diese Stoffe nicht mehr wirken. Daher besteht ein dringender Bedarf an alternativen antiviralen Substanzen, welche breit verfügbar sind, gegen möglichst viele verschiedene IV wirken und idealerweise keine Resistenzen hervorrufen.
Inhibition von Zellfunktionen
Unsere Arbeitsgruppe beschäftigt sich schon seit Jahren mit Virus/Wirts-Interaktionen. Da jedes Virus auf zelluläre Dienstleistungen für seine Vermehrung angewiesen ist, ist es von Interesse, solche Leistungen der Zelle zu definieren, auf die das Virus nicht verzichten kann. Durch die gezielte Inhibition dieser Funktionen ist es möglich, die Virusvermehrung effizient zu hemmen. Weil aber die zellulären Funktionen nicht im viralen Genom kodiert sind und daher nicht durch das Virus verändert werden können, können virale Resistenzen vermieden werden.
Pflanzliche Stoffe gegen Erkältungen
Auch Pflanzen werden von Krankheitserregern wie Viren und anderen Pathogenen befallen und haben im Laufe der Evolution Strategien und Mechanismen entwickelt, um sich zu schützen. Daher ist es nicht verwunderlich, dass in der erfahrungsbasierten Medizin eine Vielzahl an pflanzlichen Stoffen Anwendung bei der Bekämpfung von Erkältungen finden. In den letzten Jahren wird vermehrt versucht, durch objektive naturwissenschaftliche Methoden die eigentlichen Wirkmechanismen und Wirkstoffe zu untersuchen.
Wirkung von Echinacea
In diesem Zusammenhang wurde von uns untersucht, ob ein standardisiertes Extrakt aus Echinacea purpurea, Echinaforce (EF), in der Lage ist, die Vermehrung von verschiedenen humanpathogenen IAV, inklusive von H5N1-Typ, zu hemmen. Die Arbeiten wurden in vitro mit permanenten Zellkulturen durchgeführt. Hierbei zeigte sich, dass das Extrakt in nicht toxischen Konzentrationen zu einer signifikanten Reduktion der IAV-Vermehrung führt.Weitere Untersuchungen haben gezeigt, dass die
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PHYTOTHERAPIE
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Wirkung von EF davon abhängt, dass das IAV in direkten Kontakt mit dem Extrakt kommt. Daher verhindert EF die Infektion der Zelle. Weitere Experimente zeigten, dass sowohl die Bindung des Virus über das HA-Protein an seinen Zielrezeptor auf der Zelle als auch die für die Virusfreisetzung wichtige Neuraminidasefunktion des viralen NA-Proteins gehemmt wird. Darüber hinaus stellten wir fest, dass die Applikation von EF nicht zur Bildung von resistenten H5N1-Virusvarianten führt, im Gegensatz zu Tamiflu (Pleschka et al., 2009). EF hat aufgrund einer unspezifischen Wechselwirkung mit der Virusoberfläche das Potenzial, die IAV-Vermehrung in der Zellkultur stark zu hemmen, wobei sich das Virus nicht der Wirkung von EF durch Resistenzbildung entziehen kann. Damit erfüllt EF wesentliche Forderungen an ein effizientes antivirales Therapeutikum.
9
8
7
6
6
virus titer FFU/ml (10 )
5
4
3
2
1
0
Contro
0,1 g/ml
1,0 g/ml
10 g/ml
50 g/ml
EF
Abbildung 1: Dosis-Wirkungs-Kurve. Influenzavirus A/Thailand/Kan-1/2004 (H5N1) und MDCK-Zellen wurden vor der Infektion mit verschiedenen Konzentrationen von Echinaforce (EF) inkubiert und die Zellen anschliessend weiter mit EF inkubiert. Danach wurde der Virustiter bestimmt.
Hemmung von Entzündungs-
faktoren
Neben der Zerstörung von Lungengewebe
durch die eigentliche Influenzavirusver-
mehrung ist die hierdurch verursachte Ent-
zündungsreaktion des Körpers ein grosses
Problem, welches die Gasaustauschfunk-
tion der Lunge schwächt. In diesem Zu-
sammenhang konnte die Gruppe von Hud-
son zeigen,dass EF in der Lage ist,die Bildung
verschiedener Entzündungsfaktoren (pro-
inflammatorische Zytokine/Chemokine) in
humanen Bronchialepithelzellen zu verhin-
dern. Gleichzeitig wurde gezeigt, dass EF die
Vermehrung von verschiedenen umhüllten
Viren, welche üblicherweise Erkältungs-
krankheiten verursachen können, redu-
ziert. Daher hemmt EF in Zellkultur sowohl
die Virusvermehrung als auch virus-
induzierte Entzündungsfaktoren. Diese Er-
gebnisse deuten darauf hin, dass EF bei
virusbedingten Erkältungskrankheiten zur
Unterstützung einer Behandlung hilfreich
sein könnte.
◆
Anschrift des Referenten: Prof. Dr. Stephan Pleschka Institute of Medical Virology Justus-Liebig-Universität Schubertstrasse 81 D-35392 Giessen Stephan.Pleschka@viro.med.uni-giessen.de
120
100
Virus titer (%)
80
60
40
20
0 1.
2. Round
3. Round
Control EF Tamiflu
Abbildung 2: Resistenzbildung. MDCK-Zellen wurden mit Influenzavirus A/Thailand/Kan-1/2004 (H5N1) infiziert und entweder nicht (schwarzer Balken) oder mit Echinaforce (schraffierter Balken) oder mit Tamiflu (grauer Balken) behandelt. Nach 24 Stunden wurde der Virustiter bestimmt und eine neue Runde gestartet. Das Protokoll wurde insgesamt dreimal durchgeführt.
Literaturreferenzen:
Pleschka S, Stein M, Schoop R, Hudson JB. Anti-viral properties and mode of action of standardized Echinacea purpurea extract against highly pathogenic avian Influenza virus (H5N1, H7N7) and swine-origin H1N1 (S-OIV). Virol J 2009 Nov 13; 6(1): 197. (Epub ahead of print).
Sharmaa M, Anderson SA, Schoop R, Hudson JB. Induction of multiple pro-inflammatory cytokines by respiratory viruses and reversal by standardized Echinacea, a potent antiviral herbal extract. Antiviral Research 2009; 83: 165–170.
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