Transkript
FORSCHUNG
Hamamelis-Salbe in der Pflege der trockenen Altershaut
Wirksamkeit bei verschiedenen altersbedingten Symptomen
Der vorliegende Beitrag ist die
Kurzfassung eines in der Zeit-
schrift für Phytotherapie publi-
zierten Artikels (1), der sich mit
der Anwendung einer Hama-
melis-Salbe zur Behandlung al-
tersbedingter Hautprobleme
befasste. Er zeigt die Wirksam-
keit der Hamamelis-Salbe bei
verschiedenen altersbedingten
Hautbeschwerden, was ebenso
mit objektiven Parametern wie
durch die Beurteilung der be-
troffenen Patienten und der
Prüfärzte belegt wird.
Christoph Bachmann
Einleitung
Hautalterung wird heute als Folge des Zusammenspiels chronologischer, intrinsischer Hautalterung («Zeitalterung») und durch exogene Noxen bedingter extrinsischer Hautalterung («Umweltalterung»)
1 Originalpublikation: Welzel J., Walther C., Kieser M., Wolff H.H.: Hamamelis-Salbe in der Pflege der trockenen Altershaut, Zeitschrift für Phytotherapie 2005; 26: 6–13. Kürzungen: Dr. C. Bachmann
Blätter und Blüten von Hamamelis virginiana, Zauberstrauch.
verstanden (1). Der Alterungsprozess führt zu tief greifenden Veränderungen mit einer strukturellen Reduktion der Haut, das heisst, sie wird in allen Schichten dünner (1). Bei älteren Menschen ist die Aktivität der Talg- und Schweissdrüsen geringer, was zu einem Nachlassen der Hautgeschmeidigkeit und einer gestörten Barrierefunktion der Haut führt, da der Säureschutzmantel durchlässig wird. Bedingt durch einen Mangel an natürlichen Feuchthaltefaktoren in den oberen Schichten der Epidermis und der Hornschicht kommt es zu einer ausgeprägten Trockenheit der Haut, worunter mehr als 80 Prozent der über 60-Jährigen leiden (2). Die Haut wird verletzlicher und anfälliger für Schädigungen (3), und es können oberflächliche Hornschichteinrisse (Eczéma craquelé) und Juckreiz entstehen (4). Eine besondere Neigung besteht für chronische, irritative Ekzeme. Sehr häufig entsteht Juckreiz als Folge einer trockenen
Haut (5). Dies geschieht nicht nur durch Veranlagung und natürliche Hautalterung, sondern auch durch Umwelteinflüsse, die zur Austrocknung führen. Hier ist vor allem häufiges Waschen und Baden zu nennen, denn jeder Kontakt mit Wasser, erst recht mit alkalischen Substanzen wie zum Beispiel Seifen, führt dazu, dass der Säureschutzmantel der Haut angegriffen und abgebaut wird. Darüber hinaus kann eine Vielzahl von Medikamenten Juckreiz auslösen, was sekundär durch Kratzen zu Hautverletzungen und Anfälligkeit für Pilz- und Bakterieninfektionen führt (1).
Hamamelis
Blätter und Zweige von Hamamelis virginiana, der virginischen Zaubernuss, werden seit Jahrhunderten von den Indianern Nordamerikas zur Behandlung von Brandwunden, Furunkeln und Verletzungen jeglicher Art verwendet (6). Pharmakologische Untersuchungen zeigten für Hamamelis virginiana unter anderem antimutagene (5), antivirale (7), antiinflammatorische (7–10) und antioxidative (11) Eigenschaften. Klinische Studien erbrachten positive therapeutische Effekte beim endogenen Ekzem (12–14).
Klinische Studie
In dieser klinischen Studie sollten Wirksamkeit und Verträglichkeit einer Hamamelis-Salbe (vgl. Kasten 1) zur Linderung
Kasten 1:
Die für die Studie verwendete Hamamelissalbe
Zusammensetzung Hamamelidis destillatum aquosum ratio: 1:1,12–2,08 62,5 mg Salbengrundlage (enthaltend Lanolin und Glycerol) ad 1,0 gr
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von Symptomen und zur Hautpflege der trockenen, fett- und feuchtigkeitsarmen Altershaut untersucht werden.
Methoden
Ambulante Patienten mit trockener Altershaut und einem Mindestalter von 55 Jahren nahmen an dieser klinischen, offenen, monozentrischen Studie in einem dermatologischen Studienzentrum teil. Trockene Altershaut war definiert durch einen Hautfettgehalt von < 6 μg Sebum/cm2 Haut und eine Hautfeuchtigkeit von ≤ 55 Arbitrary Units. Hautpflegeprodukte waren mindestens eine Woche vor Studienbeginn abgesetzt worden. Die Behandlung erfolgte mit Hamamelis-Salbe vier Wochen lang durch zweimal tägliches Auftragen auf die trockenen Hautstellen. Auf jeden Fall sollten die linke Unterarminnenseite und der linke Unterschenkel behandelt werden. Begleitmedikationen, die nicht abgesetzt werden konnten, wurden mit unveränderter Dosis beibehalten. Nicht erlaubt waren alle Therapeutika, die mit der Wirksamkeitsbeurteilung der Prüfmedikation interferieren konnten.
Zielparameter
Hauptzielgrössen waren Hautfettgehalt und Hautfeuchtigkeit vor und am Ende der vierwöchigen Behandlung mit Hamamelis-Salbe. Sekundäre Zielgrössen waren die Beurteilungen des Hautzustandes mittels Visual-Score (Schuppung, Fissuren) (vgl. Kasten 2) und der Trockenheitssymptome (Spannungsgefühl, Rauigkeit) durch den
Prüfarzt, die Gesamtbeurteilung durch Prüfarzt und Patienten sowie die Beurteilung des Juckreizes durch den Patienten. Quantität und Qualität unerwünschter Ereignisse dienten zur Bewertung von Sicherheit und Verträglichkeit der Prüfmedikation. Die Zielkriterien wurden zu Studienbeginn nach 14 Tagen Therapie und am Studienende (nach 4 Wochen) durch Dermatologen beurteilt. Zum Abschluss der Studie erfolgte eine Gesamtbeurteilung durch Prüfarzt (Eignung von Hamamelis-Salbe zur Hautpflege der trockenen Altershaut, Einfluss auf den Hautzustand, Einfluss auf die Symptome der trockenen Altershaut, Hautverträglichkeit) und Patient (Verbesserung der Hautrissigkeit, Verbesserung der Hauttrockenheit, Hautgefühl nach Eincremen, Duft, Hautverträglichkeit) mittels eines Scores (sehr gut – gut – mässig – schlecht). Die Patienten wurden nach ihrer Bereitschaft zur Weiterverwendung von Hamamelis-Salbe befragt (ja – nein).
Ergebnisse
In die Studie wurden 89 Patienten eingeschlossen, die alle in die Intention-to-treatAnalyse eingingen. Bei 2 Patienten kam es zu relevanten Protokollverletzungen, sodass die Per-Protocol-Analyse 87 Patienten umfasste. Die Ergebnisse beider Analysen unterscheiden sich nur marginal, weshalb hier lediglich die Resultate der Intention-totreat-Analyse dargestellt werden. Die Patienten waren im Mittel 62,5 Jahre alt. Zirka 70 Prozent der Patienten waren Frauen.
Kasten 2: Visualscore für Schuppung und Fissuren
Schuppung 0 = keine Trockenheit 0,5 = fühlbare Trockenheit ohne Schuppung 1 = minimale Schuppung 2 = mittelgradige Schuppung 3 = ausgeprägte Schuppung
Fissuren 0 = keine Fissuren 1 = feine Risse 2 = einzelne oder mehrere breite Fissuren 3 = weite Einrisse mit Blutungen oder Exsudationen
Die Beurteilung der Trockenheitssymptome (Spannungsgefühl, Rauigkeit der Haut) erfolgte durch den Prüfarzt: 0 = nicht vorhanden; 1 = leicht; 2 = mässig; 3 = stark
Angaben zum Juckreiz machte der Patient auf einer visuellen Analogskala (10 cm Länge: 0 = kein Juckreiz bis 10 = sehr starker Juckreiz).
Hautfettgehalt und Hautfeuchtigkeit
Nach vierwöchiger Behandlung war der mittlere Hautfettgehalt von 2,4 auf 59,8 μg Sebum/cm2 Haut angestiegen. Bereits nach zwei Wochen betrug er 55,7 μg Sebum/cm2 Haut. Die Unterschiede im Vergleich zum Ausgangswert waren zu beiden Untersuchungszeitpunkten statistisch signifikant (p < 0,0001). Der Hautfeuchtigkeitsgehalt stieg von 47,6 (Ausgangswert) auf 57,3 Arbitrary Units nach vierwöchiger Behandlung (p < 0,0001). Bereits nach zwei Wochen betrug er 55,6 Arbitrary Units (p < 0,0001).
Hautzustand mittels Visual Score (Schuppung, Fissuren)
Die Mittelwerte des Visualscores «Schuppung» verringerten sich von 1,8 ± 0,8 (Ausgangswert) auf 0,3 ± 0,5 (Tag 14) und 0,1 ± 0,3 (Tag 28) (p < 0,0001). Nach vier Wochen war bei 87 Prozent der Patienten keinerlei Trockenheit der Haut mehr feststellbar im Vergleich zu 2 Prozent bei Studienbeginn. Die Mittelwerte des Visual Scores «Fissuren» verringerten sich von 0,6 ± 0,6 (Ausgangswert) auf 0,2 ± 0,4 (Tag 14) und 0,0 ± 0,2 (Tag 28) (p < 0,0001). Nach vier Wochen waren bei 95 Prozent der Patienten keinerlei Fissuren mehr feststellbar (gegenüber 47% Patienten ohne Fissuren bei Studienbeginn).
Trockenheitssymptome (Spannungsgefühl, Rauigkeit) und Juckreiz
Der mittlere Score für das Spannungsgefühl sank von 0,3 ± 0,7 auf 0,0 ± 0,1 (Tag 14) und 0,0 ± 0,0 (Tag 28). Bereits nach zwei Wochen gaben 99 Prozent aller Patienten keinerlei Spannungsgefühl mehr an im Vergleich zu 80 Prozent bei Studienbeginn. Ähnliche Ergebnisse wurden für die Rauigkeit der Haut festgestellt, wobei der mittlere Score von 0,6 ± 0,5 auf 0,1 ± 0,3 (Tag 14) und 0,0 ± 0,1 (Tag 28) zurückging. Nach zwei Wochen war die Häufigkeit leichter und mässiger Rauigkeit von 55 Prozent auf 7 Prozent zurückgegangen und betrug nach vier Wochen nur noch 1 Prozent. Bei beiden Parametern waren die Unterschiede zum Ausgangswert zu beiden Untersuchungszeitpunkten statistisch signifikant (p < 0,0001) Die Mittelwerte für Juckreiz sanken von 0,7 ± 1,9 auf 0,1 ± 0,7 (Tag 14) und 0,1 ± 0,6 (Tag 28). Für Patienten, die bei Studienbeginn
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eine Juckreizausprägung > 0 aufwiesen (n = 17), sanken die Mittelwerte von 3,7 ± 2,6 auf 0,4 ± 1,5 (Tag 14 und 28). Auch hier konnten statistisch signifikante Veränderungen zu den Ausgangswerten zu beiden Untersuchungszeitpunkten festgestellt werden.
Unerwünschte Ereignisse
Bei 10 Patienten (11,2%) wurden unerwünschte Ereignisse berichtet. Darunter waren 2 Fälle, bei denen ein Zusammenhang mit dem Prüfpräparat nicht auszuschliessen war.
Gesamtbeurteilung durch Prüfarzt und Patienten
Tabelle 1 fasst die Patientenbeurteilungen verschiedener Kriterien zusammen. Die Verbesserungen der Hauttrockenheit und Hautrissigkeit wurden von 88,5 Prozent beziehungsweise 92 Prozent der Patienten mit «sehr gut» oder «gut» beurteilt und in keinem Fall mit «schlecht». Die Hälfte der Patienten gab ein sehr gutes oder gutes Hautgefühl nach Applikation an, 99 Prozent der Patienten eine sehr gute oder gute Hautverträglichkeit. 85 Prozent der Patienten empfanden den Duft der Salbe als «sehr gut» oder «gut». 77 Prozent der Patienten waren bereit, Hamamelis-Salbe weiterzuverwenden. Die Ergebnisse der Prüfarztbeurteilungen sind in Tabelle 2 zusammengefasst. Die Prüfärzte beurteilten die Hautverträglichkeit in 99 Prozent der Fälle als «sehr gut» oder «gut», bei 92 Prozent hielten sie die Hamamelis-Salbe «sehr gut» oder «gut» geeignet für die Hautpflege bei trockener Altershaut, und bei 88 Prozent stellten sie einen «sehr guten» oder «guten» Einfluss auf die Symptome der trockenen Altershaut fest.
Diskussion
Bei Patienten mit Symptomen der trockenen Altershaut führte die vierwöchige äusserliche Anwendung von Hamamelis-Salbe zu einer statistisch signifikanten und klinisch relevanten Verbesserung der objektiven Parameter Hautfettgehalt und Hautfeuchtigkeit an den untersuchten Hautarealen, wobei die Effekte bereits nach zwei Wochen voll ausgeprägt waren und während der gesamten Testphase anhielten. Diese verbesserten Messparameter gingen einher mit einem deutlichen Rückgang der Häufigkeiten von Hautschuppung und Fissuren. Die Hamamalis-Salbe ist seit Jahrzehnten auf dem Markt, ohne dass gehäuft Unverträglichkeiten beobachtet wurden. Daher kann die Hamamelis-Salbe uneingeschränkt auch für Patienten mit Hauterkrankungen oder Menschen mit empfindlicher und trockener Haut, insbesondere Altershaut, empfohlen werden. Bei Trockenheit von Händen beziehungsweise Füssen, bei Ekzemen der Hand wurde in unserem Kollektiv spontan eine sehr gute Wirksamkeit der Salbe berichtet und beobachtet. Für talgdrüsenfreie Areale ist eine Therapie mit hohem Fettanteil erforderlich. Ausserdem kann die gerbende Wir-
Tabelle 1: Patientenbeurteilung nach 4 Wochen Behandlung
Beurteilung (%) Hauttrockenheit Hautrissigkeit Hautgefühl nach Applikation Hautverträglichkeit der Haut Duft der Salbe
sehr gut 44,8 31,8 10,2 47,7 4,5
gut 43,7 60,2 40,9 51,1 81,8
mässig 11,5 7,9 35,2 1,1 10,2
schlecht 0,0 0,0 13,6 0,0 3,4
Tabelle 2: Beurteilung des Prüfarztes nach 4 Wochen Behandlung
Beurteilung (%) Hautverträglichkeit Eignung zur Pflege der trockenen Altershaut Einfluss auf Hautzustand Einfluss auf Symptome der trockenen Altershaut
sehr gut 56,8 30,7 44,3 45,5
gut 40,2 61,4 43,2 42,0
mässig 1,1 7,9 12,5 12,5
kung von Hamamelis zur Abheilung von
Rhagaden genutzt werden. Daher ist zu
überlegen, ob das Präparat nicht auch
speziell zur kortikosteroidfreien Intervallthe-
rapie von chronischen Hand- und Fussekze-
men, einer der häufigsten Hauterkrankun-
gen, empfohlen und eingesetzt werden
sollte.
◆
Anschrift des Verfassers Dr. Christoph Bachmann Hirschmattstrasse 46 6003 Luzern c.a.bachmann@bluewin.ch
Literaturreferenzen:
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