Transkript
EDITORIAL
Wann springt die Forschungsförderung auf den zu langsam fahrenden Zug?
An der 26. Schweizerischen Jahrestagung zum Thema «Phytotherapie in der Neurologie» wurde eines klar: Für viele neurologische Probleme gibt es keine durchschlagenden Therapiekonzepte. Darum gehen viele Patienten ihre eigenen Wege und wenden oft pflanzliche Zubereitungen an. Die Skepsis der Wissenschaft gegenüber dem «mündigen Patienten» verhindert jedoch die objektive Beurteilung dieser oft erfolgreichen Therapien meistens. Trotzdem vermögen sich Methoden aus dem komplementären Bereich gelegentlich durchzusetzen. So sind heute das Wirkprinzip und der lang anhaltende Effekt der Capsacinoide aufgeklärt. Neue Zubereitungen werden zur Zulassung gebracht. Es ist zwar nicht gerade typisch für die Phytotherapie, wenn sich ein pflanzliches Arzneimittel schliesslich auf eine klare Molekülstruktur fokussiert. Doch auch für Mehr- respektive Vielstoffsysteme lassen sich Wirkprinzipien aus der pharmakologischen Forschung ableiten, so zum Beispiel für die altbekannte Kombination aus Baldrian und Hopfen. Neurologen, die sich auf die Phytotherapie eingelassen haben, berichten von positiven Ergebnissen. So reduziert Robert Käufeler die Polymedikation vieler seiner Patienten erfolgreich mit pflanzlichen Arzneimitteln – vor allem im Bereich der Sedativa. Allein schon die Vermutung, dass mit L-Dopa-haltigen Arzneipflanzen eine gegenüber der Monosubstanz effizientere und verträglichere Therapie
beim Parkinson-Patienten möglich ist, müsste eigentlich die Forschung stimulieren. Es gibt diese jedoch unseres Wissens nicht. Die Gründe dafür liegen auf der Hand: Produkte, die auf neuen Forschungsresultaten basieren, haben in der Phytotherapie wenig Schutz, eine Registrierung ist äusserst langwierig! Im Falle eines Erfolges tauchen sofort Kopien auf. Deshalb wird die Forschung solange auf Sparflamme bleiben wie keine grossen Programme zur Untersuchung der arzneilichen Wirkung von Pflanzen von institutioneller Seite ausgeschrieben werden. Die Schweizerische Medizinische Gesellschaft für Phytotherapie (SMGP) bleibt am Ball und versucht mit ihren Veranstaltungen, die Phytotherapieforschung zu animieren. So auch mit der nächsten Tagung am 22. November 2012 mit dem Thema: «Infektionskrankheiten – ein Challenge für die Phytotherapie».
Prof. Dr. Beat Meier Dozent für Phytopharmazie Zürcher Hochschule für angewandte Wissenschaften 8820 Wädenswil
1/2012
thema PHYTOTHERAPIE
1