Transkript
FORUM
Das Verbot der Kavapräparate
Doch es kam anders
Die aus dem westpazifischen Raum stammende Arzneipflanze Kava (Piper methysticum) spielt bei der einheimischen Bevölkerung bei religiösen und kulturellen Zeremonien seit Jahrhunderten eine wichtige Rolle. Schon bald gelangte der Ruf dieser Pflanze auch in den Westen, und sie wurde wissenschaftlich untersucht. Als wirksame Bestandteile erwiesen sich Kavalactone wie Kavain und Methysticin. Die Einnahme von Kava entspannt und mindert Unruhe. Zwischen 1989 und 2001 waren in der Schweiz sechs Arzneimittel auf Kavabasis registriert, deren Indikation die Minderung von Angst- und Spannungszuständen war. Da diese Kavapräparate keine nennenswerten Nebenwirkungen zeigten, schien die ideale Alternative zu den Benzodiazepinen gefunden zu sein, deren bekannte Nebenwirkungen hier ja nicht erwähnt werden müssen. Doch es kam anders! Zwischen 1998 und 2000 tauchten verschiedene Meldungen von möglichen Leberschädigungen auf, die allenfalls auf der Einnahme von Kavapräparaten beruhten. Im Jahr 2000 wurde in der Schweiz ein Verfahren eingeleitet. 2001 wurden azetonische Kavapräparate, 2003 auch alle anderen Kavapräparate verboten. In Deutschland wurde dieses Verbot schon 2002 ausgesprochen.
In einem Interview mit «phytotherapie», der Vorgängerzeitschrift von «Ars Medici thema Phytotherapie», sagte der Kavafachmann Dr. Jörg Grünwald 2006: Diese Leberzwischenfälle wurden inzwischen von verschiedenen Seiten neu bewertet. Wir hatten einen Auftrag einer EU-Orga-
nisation, eine Neubewertung durchzuführen. Wir kamen zum Schluss, dass zwei, maximal drei Fälle von Lebertoxizität eindeutig auf Kava zurückzuführen sind. Die andern Fälle können entweder andere Ursachen haben, weil bei diesen Fällen gleichzeitig auch andere Medikamente eingenommen wurden oder es lagen verschiedene andere Unstimmigkeiten vor. Also reduziert sich eine mögliche Beeinflussung der Leber durch Kavaprodukte auf zwei bis drei Fälle, die vielen Millionen von Kavaeinnahmen insgesamt gegenüberstehen. Damit ist eine mögliche Beeinflussung extrem niedrig, mehrere Potenzen niedriger als bei entsprechenden synthetischen Präparaten1.
Es schien damals nur eine Frage der Zeit zu sein, bis Kavapräparate wieder zugelassen würden – oder wenigstens Kavaextrakte, die mit einem anderen Lösungsmittel als mit Azeton hergestellt werden. Doch es kam anders! Kava als Arzneipflanze wurde bis heute nicht rehabilitiert. Dr. Mathias Schmidt, ein weiterer Kenner des Kavadossiers, beantwortete die Frage von «Ars Medici thema Phytotherapie» nach dem Stand der Dinge folgendermassen: Stand der Dinge ist, dass wir immer noch keinen definitiven Bescheid des BfArM2 haben, das ganze Verfahren damit immer noch in der Schwebe ist. Das Amt spielt offenbar auf Zeit, im Wissen, dass die Hersteller es sich nicht leisten können, in dieser Sache am Ball zu bleiben.
1 phytotherapie 2006(4); 6: 18–19. 2 BfArM: Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte, die Registrierungsbehörde Deutschlands
Piper methysticum, Blatt mit herzförmigem Grund (Foto: G. Forster)
Die Antwort auf die Frage ist also eindeutig: Dass Kava wieder auf den Markt kommt, ist nicht abzusehen. Aber zumindest wurde das Ziel erreicht, dass das BfArM die Methode Kava nicht mehr ganz so unkritisch und einfach anderen Pflanzen überstülpen konnte. (...) Im Moment laufen Vorbereitungen zu einer Klage, aber das wird wenig an der Haltung des Amtes ändern: Kava sei unwirksam und damit jede Nebenwirkung eine Nebenwirkung zu viel.
Das heisst, es werden wohl keine Kavaprä-
parate wieder auf dem Markt erscheinen.
Die Kavalobby ist halt nicht mächtig ge-
nug. Die anxiolytisch wirksamen Benzodia-
zepine mit einem berechnet auf die Häu-
figkeit der Einnahme 3000-mal grösseren
Nebenwirkungsrisiko hingegen bleiben
natürlich im Handel. Ihre Lobby ist halt
stark genug.
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Dr. Christoph Bachmann
5/2011
thema PHYTOTHERAPIE
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