Transkript
FORSCHUNG
Ginkgo-biloba-Extrakt EGb 761® wirkt präventiv gegen Alzheimer
Resultate einer mehrjährigen Studie belegen Wirksamkeit
Vor Kurzem sind die Resultate
der GuidAge-Studie bekannt
gegeben worden, der längsten
und grössten europäischen
Studie über die präventive
Wirkung gegen Alzheimer.
Dabei konnte belegt werden,
dass der Ginkgo-biloba-Extrakt
EGb 761® bei einer Population
von älteren Personen mit Ge-
dächtnisstörungen eine prä-
ventive Wirkung gegen die
Entstehung von Demenz vom
Alzheimer-Typ besitzt.
Christoph Bachmann
Einleitung
Vor einiger Zeit sind das Design und die Baseline-Daten der GuidAge-Studie publiziert worden (1). Es handelt sich dabei um eine 5 Jahre dauernde, prospektive Studie, mit der die präventive Wirkung von EGb 761® gegen Alzheimer bei älteren Personen überprüft wurde. Bei den Probanden handelte es sich um Leute, die ihrem Hausarzt spontan von Gedächtnisproblemen berichtet hatten. Inzwischen hat die Firma Ipsen, die in Frankreich den Ginkgo-biloba-Extrakt EGb 761® vertreibt,
die Resultate der GuidAge-Studie bekannt gegeben (vgl. unten).
Studiendesign
Die GuidAge-Studie wurde als multizentrische, doppelblinde, randomisierte, plazebokontrollierte, Parallelgruppen-, Phase-III-Studie angelegt.Während 5 Jahren wurden die Probanden entweder mit EGb 761® oder mit Plazebo behandelt.
Patienten
In die Studie eingeschlossen wurden Patienten und Patientinnen, die mindestens 70 Jahre alt waren und ihrem Hausarzt spontan von Gedächtnisproblemen berichtet hatten und entweder im eigenen Haushalt oder in einem Heim lebten, ohne ein Pflegefall zu sein. Um die Homogenität der Probanden zu gewährleisten, wurden die rekrutierten Personen kognitiven und neuropsychologischen Tests unterzogen. Dabei mussten sie folgende Werte aufweisen:
Covi Anxiety Scale (CAS)
<6 Geriatric Depression Scale (GDS) > 15
Mini Mental State Examination (MMSE) > 25
Der MMSE entspricht den in Frankreich geltenden Normen für das durchschnittliche soziokulturelle Niveau und das durchschnittliche Bildungsniveau, entsprechend der PAQUID-Studie (2). Patienten mit grossen Gedächtnisproblemen, die im Studienplan genau definiert wurden, konnten an der Studie nicht teilnehmen.
Von den ursprünglich 4066 rekrutierten Personen durchliefen 3411 eine Validation visit im Memory reference Center, bei der weitere Einschlusskriterien geprüft wurden: der Grober-and-Buschke-Test (Anforderung ≥ centile 10), die Geriatric Depression Scale (Anforderung ≤ 0,5), und es durften keine Depression und keine Angstzustände (DMS IV) vorhanden sein. Nach
der Validation visit wurden 951 Männer und 1901 Frauen in den weiteren Verlauf der Studie aufgenommen. Das Durchschnittsalter betrug 76,8 Jahre. Es wurde auch ein Test zur Erfassung des soziokulturellen Niveaus durchgeführt, das die Ausbildung und berufliche Beschäftigung mit einbezog. Das Ausbildungsniveau sah folgendermassen aus:
Primarschulabschluss Schulzeugnis (O-Niveau) Sekundarschulabschluss Universitätsdiplom Fehlende Angaben
396 1046 676
730 3
Weiter wurde der McNair-and-Kahn-Fragebogen ausgefüllt, mit dem kognitive Schwierigkeiten in der Ausübung von Alltagsaktivitäten erfasst werden. Potenzielle Risikofaktoren für die Entstehung einer Demenz (u.a. zerebrovaskuläre Krankheiten, Bluthochdruck, Alkoholismus usw.) wurden ebenfalls erfasst. Die Baseline-Kognitivdaten aller rekrutierten Personen wurden erhoben und dokumentiert.
Studienverlauf
Sofern nötig wurde eine 4-wöchige Washout-Phase eingeschaltet und eine Liste von unerlaubten Präparaten definiert, die seit mindestens 2 Monaten vor Studienbeginn nicht mehr eingenommen werden durften. Die in die Studie aufgenommenen Probanden wurden dann in die EGb-761-Gruppe oder in die Plazebogruppe randomisiert. Der Artikel von Andrieu et al. machte keine Angaben über die quantitative Aufteilung der Probanden auf die EGb 761®-Gruppe und die Plazebogruppe. Die Probanden besuchten während der 5 Jahre dauernden Studie vierteljährlich den Hausarzt. Dabei wurden gleichzeitig entstandene Krankheiten und deren Behandlungen erfasst, die Compliance überprüft,
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FORSCHUNG
allenfalls aufgetretene unerwünschte Ereignisse dokumentiert, die das Studienmedikament für das nächste Quartal abgegeben. Im Falle eines Demenzverdachts wurde der Proband ans Memory reference Center überwiesen. Jährlich wurde im Memory reference Center eine Reihe von neuropsychologischen Tests zur Erfassung der Kognitivfunktionen und des psychischen Zustands durchgeführt. Während dieser Visite wurden die diagnostischen Kriterien für eine Alzheimer-Demenz erhoben (DSM-IV und NINCDS-ADRAD). Eine diagnostizierte Demenz galt als Endpunkt, und der Proband schied aus der Studie aus. Die Diagnose einer Depression und die Überprüfung von Gleichgewichtsstörungen wurden bei den Hausärzten erhoben.
Medikation
Die Probanden erhielten 2-mal täglich 120 mg EGb 761® oder ein identisch aussehendes Plazebo. Die Verblindung war genau dokumentiert und wurde unter Verschluss gehalten.
Bei den ausgewerteten Probanden wurde im Verlaufe der Studie in der EGb 761®Gruppe bei 61 Probanden (4,3%) und in der Plazebogruppe bei 73 (5,2%) Probanden eine Alzheimer-Demenz festgestellt. Dieser Unterschied ist nicht signifikant (p = 0,31). Die in der Plazebogruppe festgestellte Rate an Alzheimer-Demenz liegt aber um 50 Prozent unter der im Allgemeinen in der französischen Bevölkerung festgestellten Rate. Eine Subgruppenauswertung der Probanden, die das Prüfmedikament mindestens 4 Jahre lang einnahmen, zeigte einen signifikanten Vorteil für den Ginkgo-bilobaExtrakt EGb 761®. In dieser Probandengruppe entwickelte sich bei 29 Probanden (3,0%) der Plazebogruppe eine AlzheimerDemenz und bei 15 Probanden (1,6%) der EGB 761®-Gruppe (p = 0,03). Der Ginkgobiloba-Extrakt senkt das Risiko, an einer Alzheimer-Demenz zu erkranken also um 47 Prozent. In der Subgruppe der Männer ist der Unterschied noch grösser. Dort ist das Verhältnis EGb 761®- und Plazebogruppe 2,9 Prozent zu 7,0 Prozent (p = 0,007).
Damit konnte die präventive Wirkung von
EGb 761® gegen die Entwicklung einer Alz-
heimer-Demenz belegt werden.
Details der Resultate werden dann in der
Publikation vorgestellt.
◆
Anschrift des Verfassers Dr. Christoph Bachmann Hirschmattstrasse 46 6003 Luzern c.a.bachmann@bluewin.ch
Literaturreferenzen:
1. Andrieu Sandrine et al.: GuidAGe Study: A 5-Year Double Blind, Randomised Trial of EGb 761® for the Prevention of Alzheimer’s Disease in eldery Subjects with Memory Complaints. I. Rationale, Design and Baseline Data, Current Alzheimer Research, 2008; 5: 406–415.
2. Lechevalier-Michel N. et al.: Normative Data for the MMSE, the Benton visual retention test, the Isaacs’s set test, the digit symbol substitution test and the Zazzo’s cancellation task in subjects over the age 70: results from the PAQUID Study. Rev Neurol 2004(11); 160: 1059–1070.
3. Pressemitteilung Ipsen vom 22.06.2010.
Endpunkte
Die primäre Zielvariable war die Entstehung einer Alzheimer-Erkrankung gemäss DSM-IV- und den NINCDS-ADRDA-Kriterien. Diagnostizierte Alzheimer-Erkrankungen wurden von einem unabhängigen Beratergremium verifiziert. Sekundäre Messpunkte erfassten Veränderungen in der Clinical-Dementia-RatingSkala (CDR) und Veränderungen in den neuropsychologischen Tests. Alle Resultate wurden mit geeigneten statistischen Methoden ausgewertet.
Resultate
Wie erwähnt sind die Resultate der GuidAge-Studie noch nicht offiziell publiziert worden. Die Firma Ipsen hat jedoch kürzlich mit einer Pressemitteilung die ersten Resultate bekannt gegeben (3). Die Firma Ipsen vertreibt in Frankreich den Ginkgobiloba-Extrakt EGb 761® und hat die GuidAge-Studien in Auftrag gegeben.
Kommentare zu den Resultaten
Prof. Michael Habs, Geschäftsführer Dr. Wilmar Schwabe GmbH, Karlsruhe, Hersteller von EGb 761®: «Die Veränderungen im Gehirn, die zu einer manifesten Alzheimer-Krankheit führen, entwickeln sich über viele Jahre hinweg. Es überrascht deshalb nicht, dass die Studienteilnehmer, die früh im Verlauf der Studie dement wurden, weniger von der Schutzfunktion des Extrakts profitierten, da bei ihnen die Krankheit bereits bestand. Wenn auch diese sowie die vorzeitig aus der Studie ausgeschiedenen Probanden in die Auswertung einbezogen wurden, also die Gesamtheit der Studienteilnehmer betrachtet wurde, blieb der Behandlungseffekt erkennbar, wenn auch statistisch nicht signifikant.»
Prof. Ralf Ihl, Universität Düsseldorf und Chefarzt der Klinik für Gerontopsychiatrie, Maria-Hilf-Krankenhaus, Krefeld: «Weder für zugelassene Demenzmedikamente noch für alle anderen untersuchten Wirkstoffe wie Aspirin, Vitamin E, Hormone, Cholesterinsenker oder blutdrucksenkende Arzneimittel konnte bisher ein Schutz vor Alzheimer-Demenz gezeigt werden. Zwar gab es bisher schon Hinweise, dass Ginkgo biloba vorbeugend wirksam sein könnte, mit den Ergebnissen dieser Studie haben wir jetzt einen ersten wissenschaftlich nachprüfbaren Beleg erhalten, dass der Extrakt bei der Vorbeugung der Alzheimer-Krankheit hilfreich sein kann.»
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