Transkript
FORSCHUNG
Wirksamkeit von Ginkgo biloba bei Demenz
Eine systematische Übersicht und Metaanalyse
Die Diskussion über die Wirk-
samkeit von Ginkgo biloba
beziehungsweise des Extrakts
EGb 761 reissen nicht ab. Im-
mer wieder tauchen Artikel
auf, die den therapeutischen
Nutzen von EGb 761 bei kogni-
tiven Störungen in Abrede
stellen. Der vorliegende Text
ist eine Zusammenfassung
einer systematischen Über-
sicht und Metaanalyse, die dieser Frage nachgeht1.
Christoph Bachmann
Einleitung
Die Autoren suchten in Datenbanken klinische Studien, die die Wirksamkeit von Ginkgo biloba bei Alzheimer-Demenz, vaskulärer Demenz oder bei Mischformen beider Demenzarten untersuchten. Die Studien mussten mindestens 12 Wochen dauern und pro Gruppe mindestens 10 Probanden einschliessen. Die klinischen Befunde und Resultate wurden ausgewertet. Die Ergebnisse der Metaanalysen wur-
1 Weinmann S. et al.: Effects of Ginkgo biloba in dementia: systematic review and meta-analysis, BMC Geriatrics 2010; 14: 10–21. Übersetzung und Kürzungen: C. Bachmann
den als Risk Ratios oder standardisierte Mean Differences der Werte ausgedrückt.
Studien
Die Autoren werteten 9 Studien aus, die zwischen 12 und 52 Wochen dauerten und total 2372 Probanden einschlossen. Sie verwendeten den Ginkgo-biloba-Extrakt EGb 761. Alle Studien wurden randomisiert und doppelblind, 8 Studien wurden plazebokontrolliert durchgeführt. 1 Studie war eine Vergleichsstudie mit Donepezil (1–9). Die methodische Qualität der Studien war gemäss den Autoren moderat bis gut. Alle Studien schlossen Patienten ein, die an Alzheimer litten. 6 Studien nahmen auch Patienten mit einer vaskulären Demenz auf. 1 Studie schloss auch Patienten mit altersbedingter Gedächtnisschwäche ein. In allen Studien wurden die Kognitivfunktionen überprüft. Dazu wurden der Alzheimers Disease Assessment Scale Cognitive Test (ADAS-cog), der Short Cognitive Performance Test (SKT) oder beide verwendet. Bei allen Studien wurde als Prüfmedikament der Ginkgo-biloba-Extrakt EGb 761 eingesetzt.
Resultate
Kognitivfunktionen Beim ADAS-cog betrugen die Veränderungen der Skalenwerte -0,3 bis 1,3 in den EGb761-Gruppen, sowie 0,9 bis 1,0 in den Plazebogruppen. Die Veränderungen für den SKT betrugen -3,2 bis -0,8 in der EGb-761Gruppe sowie -1,2 bis 1,3 in den Plazebogruppen. Die standardisieren Veränderungen waren in den Ginkgo-biloba-Gruppen grösser als in den Plazebogruppen. Es bestand aber eine grosse Heterogenität. Dasselbe gilt für die Subgruppenauswertung der 6 Studien mit Patienten, die an Alzheimer litten: Die Veränderungen in den EGb-761-Gruppen waren grösser. Aber auch hier lag eine grosse Heterogenität vor.
Alltagsaktivitäten (activities of daily living, ADL) Bei 8 der 9 Studien wurden die ADL mit standardisierten Methoden ausgewertet. Es konnte zwischen den EGb-761-Gruppen und den Plazebogruppen kein siginifikanter Unterschied festgestellt werden. In der Subgruppe der Alzheimer-Patienten bestand jedoch eine signifikante Überlegenheit der Ginkgo-biloba-Gruppen.
Neuropsychiatrische und VerhaltensSymptome Bei 7 der 9 Studien wurden neuropsychiatrische Symptome nach verschiedenen Methoden erhoben. Bei 2 Studien konnte eine signifikante Überlegenheit der EGb761-Gruppen nachgewiesen werden. Bei 4 Studien zeigte sich kein Unterschied, auch nicht in der Alzheimer-Subgruppe. Über die siebte Studien machten die Autoren keine Angaben.
Lebensqualität (quality of life, QoL) 3 Studien ermittelten QoL-Parameter. Bei 2 Studien ergab sich kein signifikanter Unterschied zwischen den beiden Prüfgruppen, bei 1 Studie erwies sich die Ginkgo-Gruppe als signifikant überlegen.
Nebenwirkungen Studienabbrüche wegen Nebenwirkungen kamen in den EGb-761-Gruppen zwischen 1 und 6 Prozent sowie in den Plazebogruppen zwischen 0 und 8 Prozent vor. Die Autoren konnten bei den Nebenwirkungen und den dadurch bedingten Studienabbrüchen zwischen den beiden Gruppen keine Unterschiede feststellen.
Zusammenfassung
Ginkgo biloba weist bei den Kognitivfunktionen gegenüber Plazebo in allen drei Patientengruppen, bei Alzheimer-, bei der vaskulären Demenz und bei den Mischfor-
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men der beiden, eine signifikante Überlegenheit auf. Bei den Alltagsaktivitäten konnte diese Überlegenheit von EGb 761 nur in der Subgruppe der AlzheimerPatienten festgestellt werden. Bei den neuropsychiatrischen Symptomen zeigte sich zwischen den beiden Gruppen kein Unterschied. Eine Subgruppenauswertung zeigte, dass eine Dosis von 240 mg für klinisch relevante Resultate nötig sein müsste. Der Extrakt EGb 761 scheint gut verträglich zu sein und sich bei UAW und Studienabbrüchen nicht von Plazebo zu unterscheiden.
Diskussion
Die vorliegenden Resultate zeigen für den Zeitraum von 12 bis 24 Wochen einen kleinen Vorteil für Ginkgo biloba gegenüber Plazebo bei Demenz. Die von den Autoren bestimmten Einschlusskriterien für die Auswahl der Studien, das heisst die methodische Qualität der hier ausgewählten Studien, waren höher als in einer publizierten Cochrane Review (10), die für Ginkgo biloba keinen therapeutischen Nutzen ermittelte.
Die Autoren schliessen ihre Überlegungen
folgendermassen: «In einer Zeit, in der die
klinische Signifikanz der moderaten Wir-
kungen der Cholinesterasehemmer und
von Memantin als symptomatische Be-
handlung zunehmend hinterfragt wird,
scheint Ginkgo biloba keine unterlegene
Therapieoption für eine beachtliche An-
zahl von Personen mit milder und modera-
ter Demenz zu sein.»
◆
Anschrift des Verfassers Dr. Christoph Bachmann Hirschmattstrasse 46 6003 Luzern c.a.bachmann@bluewin.ch
Literaturreferenzen:
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