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FORSCHUNG
Rebe und Wein – Lebenselixier und Medizin?
Therapeutische Eigenschaften von Vitis vinifera
Der Wein ist seit der Antike als beliebtes Genussmittel bekannt. Schon früh wurde er auch als Heilmittel gegen verschiedene Krankheiten angepriesen. Wegen der negativen gesundheitlichen und gesellschaftlichen Auswirkungen des übermässigen Weingenusses wurde der Wein aber von der modernen Medizin lange nicht als Heilmittel anerkannt. Seit den Neunzigerjahren erleben der Wein und Extrakte aus dem Weinlaub als Heilmittel eine Renaissance.
Orlando Petrini, Liliane E. Petrini
Einleitung
Im Laufe der Zeit haben sich unsere Vorstellungen über Ernährung stark verändert. Neue Forschungsergebnisse unterstreichen die Bedeutung der Antioxidanzien im menschlichen Metabolismus und haben unser Ernährungsbewusstsein stark beeinflusst. Zum Beispiel der Wein, der bis vor Kurzem kaum mehr als natürli-
ches Heilmittel galt, bekam wieder seinen Stellenwert, der ihm seit jeher gebührte. Der Wein, insbesondere der Rotwein, ist seit der Entdeckung der kardioprotektiven Wirkung der Resveratrole rehabilitiert. Seine schlechten Eigenschaften wurden kurzum zu seinen Tugenden. Der Gebrauch des Weins als Heilmittel geht weit zurück. Bereits die Ägypter und Griechen erkannten seine Heilkraft. Schon 450 v. Chr. empfahl Hippokrates Wein zur Senkung des Fiebers, zur Desinfektion von Wunden oder ganz einfach als Nahrungsmittel. Im Mittelalter war Wein ein Bestandteil der täglichen Kost in den Spitälern. Das ist nicht verwunderlich, denn der Alkohol und die Polyphenole im Wein hemmen das Wachstum von Bakterien und anderen humanpathogenen Keimen. Deshalb wurde der Wein bis zum 18. Jahrhundert als sicherer und gesünder angesehen als Wasser. Der Alkohol ist aber nicht die einzige pharmakologisch aktive Komponente des Weins. Die Antioxidanzien, insbesondere die Polyphenole, spielen eine wichtige Rolle im tierischen und pflanzlichen Metabolismus. Antioxidanzien sind jedoch nicht nur in den Beeren vorhanden, auch das Reblaub enthält davon eine grosse Menge. Genau solche Substanzen, aus Weinlaub extrahiert, können bei der symptomatischen Behandlung der chronischen venösen Insuffizienz unterstützend wirken. Dieser Artikel befasst sich mit den therapeutischen Eigenschaften der Rebe und deren Derivate.
Antioxidanzien
Antioxidanzien (manchmal auch Oxidationshemmer genannt) hemmen oder vermindern eine Oxidation, das heisst eine chemische Reaktion, welche durch freie Radikale mit negativen Auswirkungen auf metabolische Prozesse produziert wird (1, 2).
Betacarotin (Provitamin A), Ascorbinsäure (Vitamin C), α-Tocopherol (Vitamin E), Polyphenole und Lycopen sind die bekanntesten Antioxidanzien. Auch das Polyphenol Resveratrol ist ein potenter Oxidationshemmer und kommt in grossen Mengen in den Schalen der roten Weinbeeren vor. Es gilt als hauptverantwortlich für die gesundheitsfördernde Eigenschaft des Weins (3–6). Der oxidative Stress spielt eine nicht zu unterschätzende Rolle in der Pathogenese vieler Krankheiten (7), obwohl nicht ganz klar ist, ob er Ursache oder Folge dieser Krankheiten ist. Antioxidanzien werden zurzeit zur Prävention und Behandlung vaskulärer und neurodegenerativer Krankheiten verwendet (3–6, 8–14). Ihr Konsum als Nahrungsergänzungsmittel verbreitet sich immer mehr. Weil sie zum Beispiel Zellkerne und Zellmembranen vor oxidativen Schäden schützen können, nimmt man an, dass sie zum Beispiel eine günstige Rolle im Krankheitsverlauf von Arteriosklerose, Krebs oder grauem Star spielen könnten. Das ist allerdings noch umstritten und nicht bewiesen.
Das französische Paradox
1970 veröffentlichte Kannel seine berühmte Framingham Heart Study (15). Erst 1991 wurde jedoch der wissenschaftlichen Welt bewusst, dass die Studie eine 50-prozentige Reduktion des Mortalitätsrisikos durch kardiovaskuläre Probleme nach moderatem Genuss von Wein beschrieb. Dies bestätigt die weitverbreitete, als das französische Paradox bekannte Theorie, die einen offensichtlichen Widerspruch zwischen den Ernährungsgewohnheiten der Franzosen des Südwestens und ihrer Gesundheit aufzeigt. In dieser Region ist die Nahrung in der Regel fettreich und der Weinkonsum kräftig, aber die Rate der Infarkte in dieser Population ist viermal ge-
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Abbildung: Wirkung der oligomeren Proanthocyanidine auf die mittlere postprandiale Konzentration von Lipidperoxyden (Bild: Indena SpA).
ringer als diejenige in der Bevölkerung der Vereinigten Staaten (16). Seit 1991 ist dieses Phänomen, englisch «French Paradox», in vielen Studien genau untersucht worden (17–21). Renaud (16) identifizierte den differenzierten Alkoholkonsum, in Frankreich vor allem in Form von Wein, als eine plausible Erklärung dieser Erscheinung. Gemäss seinen Untersuchungen kann ein moderater, täglicher Konsum von 2 bis 3 Gläsern Wein das Risiko eines Infarkts um 40 Prozent reduzieren. 1995 veröffentlichten Grønbaek und seine Mitarbeiter die berühmte Dänische Studie, die über 13 000 30- bis 70-jährige Männer und Frauen einschloss. Sie zeigte, dass sich das Mortalitätsrisiko wegen kardiovaskulären Problemen mit zunehmendem Weinkonsum verminderte (dies natürlich nur bis zu einem gewissen Grade) (22). Hingegen waren der Konsum von Bier oder Spirituosen nicht mit einem verkleinerten Risiko assoziiert. Mehrere Studien haben nun ge-
zeigt, dass Polyphenole, insbesondere das Phytoalexin Resveratrol und Quercetin, in Rotwein und – in geringer Menge – in Weisswein enthalten, wesentlich dazu beitragen, das menschliche kardiovaskuläre System zu schützen (23–25). Oligomere Proanthocyanidine, in den Traubenkernen enthaltene Flavonoide, die aber in Bier und Spirituosen fehlen, wirken präventiv auf kardiovaskuläre und andere Krankheiten (26). Diese Flavonoide haben in den letzten Jahren das Interesse der Medizin dank der Arbeit einiger italienischer Forscher geweckt. Sie klärten die antioxidativen Eigenschaften der in den Traubenkernen enthaltenen oligomeren Proanthocyanidine auf und konnten deren Bedeutung für die Physiologie durch gezielte, präklinische Experimente nachweisen (27). Diese Substanzen sind in den Traubenkernen als variables Gemisch vorhanden. Dieses resultiert in einer entsprechenden veränderlichen Bioverfüg-
Tabelle 1: Wirkung von oligomeren Proanthocyanidinen auf den oxidativen Status von gesunden Probanden und Patienten
Studie
Probanden
Endpunkte
Ergebnis
Referenz
Studiendesign
Behandlung
Einfluss von oligomeren
20 gesunde Probanden
Messung der gesamten
Schutz der LDL-Lipoproteine 30
Proanthocyanidinen auf die Einfach verblindete, plazebokontrollierte oxidativen Kapazität mittels vor Oxidation durch freie
antioxidative Kapazität im
Cross-over-Studie
TRAP am Tag 1 und 5
Radikale
Plasma gesunder Probanden 2 x täglich Kapseln mit 300 mg
Proanthocyanidinextrakt aus Trauben
(Leucoselect-phytosom) oder Plazebo, 5 Tage
Verbesserung des oxidativen 8 gesunde Probanden
Messung der gesamten
Reduktion des postprandialen 29
Status des Plasmas gesunder Offene Studie; Ausgangswerte nach der oxidativen Kapazität im
oxidativen Stress und
Probanden nach einer fett-
fettreichen Mahlzeit am Tag 0, einmalige Plasma mittels TRAP nach der Zunahme des Spiegels der
reichen Mahlzeit
Dosierung mit während der Mahlzeit
Mahlzeit am Tag 1
Antioxidanzien im Plasma
verabreichten Proanthocyanidinen
(Baseline) und 7
(Abbildung 1)
(300 mg Extrakt) am Tag 7
Reduktion der LDL-Empfindlich- 24 gesunde, männliche Raucher
Lipidperoxidation, mittels Statistisch signifikante Reduk- 31
keit auf oxidativen Stress bei Randomisierte, doppelverblindete,
TBARS (ein Index zur Messung tion des oxidativen Stresses
Rauchern durch oligomere
plazebokontrollierte Cross-over-Studie
von oxidation und peroxida- und Zunahme des Widerstands
Proanthocyanidine
2 x täglich Kapseln mit 75 mg
tiven Stresses) gemessen. von LDL auf Oxidation
Proanthocyanidinextrakt aus Trauben
Die Proanthocyanidine wurden
(Leucoselect-phytosom) oder Plazebo
während 4 Wochen verabreicht.
(Lactose und Soja-Phosphatidylcholin)
Messungen: Ausgangswerte
Kapseln.
und Werte nach 4 Wochen
4 Wochen mit 3 Wochen Auswaschzeit
Reduktion des oxidativen
24 Patienten mit Typ-2-Diabetes
Exkretion von 8-epi-PGF2α Signifikante Reduktion
28
Stresses bei Diabetikern
Randomisierte, doppelverblindete,
(einem Marker von oxidativem der 8-epi-PGF2α-Exkretion
plazebokontrollierte Cross-over-Studie
Stresses) im Urin nach
Oligomere Proanthocyanidine,
4 Wochen Behandlung
1 x täglich 300 mg, 4 Wochen
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Tabelle 2: Wirksamkeit des roten Weinlaubs in der Behandlung der chronisch-venösen Insuffizienz
Studie Wirksamkeit des roten Weinlaubextrakts AS 195 (folia vitis viniferae) bei CVI
Verträglichkeit und Wirksamkeit von rotem Weinlaubextrakt bei CVI Verbesserung der kutanen Mikrozirkulation und Sauerstoffversorgung bei CVI
Wirksamkeit des roten Weinlaubextrakts bei CVI
Probanden Studiendesign Behandlung 260 Männer und Frauen mit CVI (Stadium I–II) Randomisierte, doppelverblindete, plazebokontrollierte, multizentrische Studie 360 mg (n = 86), 720 mg (n = 84) AS 195 Kapseln, Plazebo (n = 87), einmal täglich p.o., 12 Wochen
65 Männer und Frauen mit CVI (Stadium I–II) Offene, unkontrollierte, multizentrische Studie AS 195 Filmtabletten 2 x 180 mg einmal täglich, 42 Tage 71 Männer und Frauen mit CVI (Stadium I–II) Randomisierte, doppelverblindete, plazebokontrollierte Crossover-Studie AS 195 Filmtabletten 2 x 180 mg einmal täglich, 6 Wochen Plazebo einmal täglich, 6 Wochen 2 Wochen Auswaschzeit zwischen den Behandlungen
39 Männer und Frauen mit CVI (Stadium I–II) Offene, unkontrollierte Studie AS 195 180 mg b.i.d., 6 Wochen
Endpunkte
Volumen des Unterschenkels Wadenumfang bei Beginn, nach 6 und 12 Wochen Behandlung und 2 Wochen Nachbeobachtung (WasserverdrängungsPlethysmografie) CVI Symptome
Subjektive CVI-Symptome Verträglichkeit
Kutane Mikrozirkulation in der malleolaren Region (TcpO2 gemessen mit einem Laser-Doppler-Gerät)
Volumen des Unterschenkels (WasserverdrängungsPlethysmografie) Subjektives Empfinden von Schwere und Schmerzen in den Beinen (visuelle Analogskala: 0 keine Schwere/ Schmerzen, 10 starke Symptome)
Ergebnis
Referenz
Das Unterschenkelvolumen nahm bei 50 den mit Plazebo behandelten Patienten nach 12 Wochen um 33,7 ± 96,1 g (verdrängtes Wasser) zu, im aktiv behandelten Arm nahm es ab. Der Unterschied des Unterschenkelvolumens zwischen den aktiv und mit Plazebo behandelten Patienten verringerte sich nach 12 Wochen um 75,9 g bei den mit AS 195 360 mg und um 99,9 g bei den mit AS 195 720 mg behandelten Patienten gegenüber Plazebo. Reduktion des Wadenumfangs um –1,40 bis -0,56 cm sowie um -1,73 bis -0,88 cm für AS 195 360 und 720 mg, keine Reduktion bei Plazebo. CVI-Hauptsymptome waren in den aktiven Behandlungsgruppen nach 12 Wochen deutlich verbessert. Die aktive Behandlung wurde gut vertragen. Unerwünschte Ereignisse waren selten und meistens von leichter Intensität. Signifikante Verbesserung der subjektiven 51 CVI-Symptome verglichen mit Ausgangswerten. Bei 6 Patienten traten leichte bis mittelschwere unerwünschte Ereignisse auf.
Bei den aktiv behandelten Patienten war 52 die Mikrozirkulation stark verbessert (Zunahme um +241,8 ± 18,7 willkürliche Einheiten [AU] gegenüber einer Abnahme von -41,0 ± 18,7 AU in der Plazebogruppe; p < 0,0001). Bei den mit AS 195 behandelten Patienten nahmen der Sauerstoffpartialdruck um 1,35 ± 0,97 mmHg zu (Plazebo: Abnahme um -7,27 ± 0,97 mmHg; p < 0,0001), der Wadenumfang (AS 195: -0,39 ± 0,09 cm, Plazebo : +0,29 ± 0,09 cm; p < 0,0001) und der Knöchelumfang (AS 195: -0,54 ± 0,05 cm, Plazebo: +0,14 ± 0,05 cm; p < 0,0001) deutlich ab. Das Unterschenkelvolumen nahm nach 53 2 (26,3 ml, t=-5,37, p < 0,001), 4 (29,8 ml, t = -6,44, p < 0,001) und 6 (32,7 ml, t = -7,67, p < 0,001) Behandlungswochen signifikant ab. Das subjektive Empfinden von Schwere/ Schmerzen in den Beinen nahm nach 2 Wochen um 2,2 Punkte (t = -8,21, p < 0,001), nach 4 um 2,6 (t = -10,93, p < 0,001), nach 6 um 2,6 (t = -10,75, p < 0,001) ab. Die Behandlung wurde generell gut vertragen.
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barkeit je nach Herkunft der untersuchten Produkte. Die gleichen Wissenschaftler waren auch in der Lage, eine standardisierte Zusammensetzung dieser Proanthocyanidine aus Traubenkernen zu entwickeln1. Dieses definierte Gemisch wurde in vier klinischen Studien mit gesunden Probanden und Diabetespatienten untersucht (Tabelle 1). Das mit oligomeren Proanthocyanidinen standardisierte Produkt verbesserte den antioxidativen Schutz (Abbildung) und reduzierte den oxidativen Stress bei den Probanden (28–31).
Der Wein: ein Heilmittel für andere Krankheiten?
Ein massloser Alkoholkonsum wurde immer als Risikofakor für das Auftreten neurologischer Krankheiten betrachtet. Orgogozo und Mitarbeiter begleiteten mehr als 3700 über 65 Jahre alte Personen und konnten im Vergleich zu Abstinenten zeigen, dass bei den moderaten Weintrinkern während der ersten fünf Studienjahre das Risiko einer Demenz um 80 Prozent, dasjenige einer Alzheimer-Krankheit um 75 Prozent abnahm. Der Schutz nahm mit Zunahme des Alters ab (32). Ein kürzlich publizierter Übersichtsartikel kommt zum Schluss, dass Resveratrol, die stark antioxidierende Substanz im roten Weinlaub, wahrscheinlich für diese neuro- wie übrigens auch für die kardioprotektive Wirkung verantwortlich ist (33, 34). Die günstige Wirkung von Resveratrol ist nicht nur auf die neurologischen und kardiovaskulären Mechanismen beschränkt. Tatsächlich beschreiben mehrere Studien eine pharmakologische Wirkung von Resveratrol auf Krebszellen (35–41) sowie auf die Bildung von Plaque (42).
Das rote Weinlaub in der Behandlung der chronischen venösen Insuffizienz
Die chronische venöse Insuffizienz (CVI) ist eine weitverbreitete Krankheit mit mehreren Ursachen, die häufiger bei Frauen als bei Männern auftritt (43, 44). Die damit verbundenen subjektiven Symptome wie Müdigkeit, schwere und schmerzhafte Beine
1 Leucoselect® Phytosome®, Indena S.p.A., Milan, Italy 2 Antistax®, Boehringer Ingelheim, Deutschland (Anmerkung der Redaktion: Das Präparat ist unter diesem Markennamen auch in der Schweiz im Handel.)
sowie die Entwicklung eines Ödems sind die ersten Anzeichen dieser Krankheit und auch charakteristisch für die sich später manifestierenden venösen Probleme (45). Die Krankheit ist kräftezehrend und verursacht hohe soziale und medizinische Kosten (46). Bis heute ist sie nicht heilbar, aber eine geeignete symptomatische Behandlung mindert die Beschwerden und kann einen chirurgischen Eingriff hinauszögern (43, 45). In der französischen und deutschen Naturund Volksmedizin wurde das rote Weinlaub immer als Heilmittel gegen Beinbeschwerden betrachtet. Diese Idee beruhte grösstenteils auf Beobachtungen der Bauern in den Weinanbaugebieten Frankreichs, die offensichtlich kaum an müden oder schweren Beinen litten. Man dachte, dass der Brauch dieser Weinbauern, sich mit einem Aufguss und auch mit einer Art Paste aus den Blättern der roten Rebe (Vitis vinifera) zu pflegen, die Erklärung dafür sein könnte. Der Aufguss wurde in kleinen Mengen zu sich genommen, während die Paste auf die schweren und müden Beine aufgelegt wurde. Das rote Weinlaub enthält hauptsächlich Flavonoide, darunter Flavonole (Quercetin3-glucuroid, Isoquercitrin, Rutin, Quercetin und Kaempferol) sowie Flavone (Luteolin) als wichtigste Komponenten. Diese Substanzen sind auch in der Rinde von Pinus maritima gespeichert, die auch für die Therapie der CVI verwendet wird (47). Die standardisierten Extrakte des roten Weinlaubs (z.B. AS 1952) enthalten Flavonoide in einer Konzentration von 4 bis 6%. Die Blätter von Vitis vinifera enthalten zudem auch noch zahlreiche organische Säuren (Wein-, Apfel-, Zitronen-, Oxalsäure, Succinat, Protokatekin) sowie Mineralstoffe, Kalium und Kalzium. Die breitgefächerten aktiven Prinzipien tragen wahrscheinlich zur komplementären Wirkung dieser Substanzen auf die CVI bei. Während der letzten Jahre wurde die historische Erfahrung in mehreren klinischen Studien mit Probanden mit CVI oder Krampfadern bestätigt (Tabelle 2). Die meisten Studien, die den Extrakt AS 195 verwendeten, konnten zeigen, dass der Extrakt aus dem Laub der roten Rebe den Schmerz und die Schwere in den Beinen verminderte und das von der CVI verursachte Knöchelödem verkleinerte (53). Plazebokontrollierte Studien zeigten ebenfalls, dass der Extrakt AS 195 aus der rotenWeinrebe das Ödem der er-
krankten Beine signifikant verringerte und die CVI-Symptome sowie die Mikrozirkulation verbesserte (48–52).
Schlussfolgerungen
Die bis anhin durchgeführten wissen-
schaftlichen Studien zeigen auf, dass so-
wohl der Wein als auch das rote Weinlaub
Substanzen mit einer therapeutischen
oder präventiven Wirkung enthalten. Dies
weckt das Interesse für die Rebe über den
Wein und die Önologie hinaus. In den letz-
ten Jahren veränderte sich auch die Bezie-
hung der Leute zum Wein. Tatsächlich stieg
der Weinkonsum drastisch an (54). Die
Bevölkerung tendiert dazu, den Wein als
essenzielles Nahrungsmittel zur Erhaltung
der Gesundheit und zur Prävention von Be-
schwerden wahrzunehmen. Der medizini-
sche Gesichtspunkt hingegen hat sich
noch nicht gross geändert. Viele Ärztinnen
und Ärzte halten den Wein und die Rebe
noch nicht vorbehaltlos für ein therapeuti-
sches Mittel. Selbstverständlich erlauben
die mit dem Alkoholkonsum verbundenen
Gesundheitsrisiken nicht, den Wein unein-
geschränkt als Medikament zu empfehlen,
auch wenn die therapeutischen Eigen-
schaften der Rebe und ihrer Derivate ge-
zeigt wurden. Jedoch sollte seine Rolle als
gesundheitsförderndes Mittel nicht ganz
vernachlässigt werden.
◆
Anschrift der Verfasser: Dr. Orlando Petrini (Korrespondenzadresse) Istituto cantonale di microbiologia Via Mirasole 22A 6500 Bellinzona
Liliane E. Petrini Via Al Perato 15C 6932 Breganzona
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thema PHYTOTHERAPIE
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