Transkript
ANLASS
Arzneimittelhersteller Schwabe stellt Umckaloabo ins richtige Licht
Die Gewinnung von Pelargonium sidoides verstösst nicht gegen die UN-Übereinkunft über die biologische Vielfalt
Das von der Pharmafirma Schwabe Pharma AG vertriebene pflanzliche Medikament Umckaloabo® ist in letzter Zeit in die Schlagzeilen geraten. Im Zusammenhang mit dem Widerruf des Patentes für den Pelargonium-sidoides-Extrakt der Firma Dr. Willmar Schwabe Pharmaceuticals, Karlsruhe, durch das Europäische Patentamt erhoben gewisse Entwicklungsorganisationen schwere Vorwürfe gegen die deutsche Arzneimittelfirma.
Christoph Bachmann
Widerruf des Patentes für Umckaloabo
«Der vom Europäischen Patentamt (EPA) ausgesprochene Widerruf des Patentes für den Pelargonium-sidoides-Extrakt der Firma Schwabe erfolgte aus rein wissenschaftlichen Gründen.» Dies wurde am 26. April 2010 an einer Diskussionsrunde der Dr. Willmar Schwabe Pharmaceuticals in
Berlin von den Vertretern der Konzernleitung hervorgehoben. Und in der Tat hatte das EPA Anfang 2010 der Firma Schwabe, dem weltweit grössten Hersteller pflanzlicher Arzneimittel, das Patent auf den Herstellungsprozess für das Pelargoniumsidoides-Präparat Umckaloabo wegen mangelnder Erfinderhöhe entzogen. Dieser Fachausdruck meint, dass im entsprechenden Verfahren nicht genügend erfinderisches Know-how steckt, das ein Patent rechtfertigt. Damit erhielten die Mitbewerber von Schwabe recht, die gegen die Erteilung des Patentes für das Extraktionsverfahren geklagt hatten.
Verzicht auf Weiterführung
Der Arzneimittelhersteller aus Karlsruhe anerkannte dieses Verdikt des europäischen Patentamtes. An der Diskussionsrunde in Berlin gab Dr. Dirk Reischig, vorsitzender Geschäftsführer der Dr. Willmar Schwabe Pharmaceuticals, deshalb bekannt, seine Firma verzichte auf 5 von 7 eingereichten Patenten im Zusammenhang mit Pelargonium sidoides. Weil für die Verwertungsrechte der eigenen Forschungsarbeiten Patente aber ein unverzichtbares Mittel sind, hält die Firma an 2 Patenten fest, die einerseits die Stabilisierung der flüssigen Darreichungsform und andererseits die Herstellung eines speziellen Trockenextraktes betreffen. An der Diskussionsrunde in Berlin wurde auch auf die eindeutige Aussage der Kammer des EPA verwiesen, die den Patententzug aussprach, dass das Patent nicht gegen die öffentliche Ordnung und die guten Sitten verstosse. Damit wurde eigentlich den Organisationen der Wind aus den Segeln genommen, die dem Hersteller von Umckaloabo im Zusammenhang mit der Gewinnung der Pelargonium-Pflanze in Südafrika schwere Vorwürfe gemacht haben.
«Biopiraterie»
Der Evangelische Entwicklungsdienst in Bonn, das African Center for Biosafety in Johannesburg sowie die Erklärung von Bern (EvB) feierten den Entscheid des EPA als «Erfolg gegen die Biopiraterie». In einer Stellungnahme des EvB war zu lesen, die Pharmafirma verdiene mit Umckaloabo seit Jahren viel Geld und verstosse mit der Gewinnung von Pelargonium sidoides in Südafrika gegen die UN-Vereinbarung über die biologische Vielfalt (Convention on Biodiversity, CBD). Sie beteilige die lokale Bevölkerung nicht am Gewinn. Die EvB nannte in diesem Zusammenhang das Patent von Schwabe ein «Biopiraterie-Patent», dies, obwohl das EPA den Hersteller vom Verstoss gegen die öffentliche Ordnung und die guten Sitten freigesprochen hatte.
Abbildung 1: Pelargonium sidoides
Bisher keine Konkurrenz
Umckaloabo wird gemäss Dr. Traugott Ullrich, Geschäftsführer der Schwabe-Tochter Spitzner Arzneimittel, seit etwa 35 Jahren gegen Erkältungskrankheiten und Bronchitis eingesetzt. (In der Schweiz wird es von der Tochterfirma Schwabe Pharma AG, Küssnacht a.R. vertrieben.) An der Berliner Diskussionsrunde hob Ullrich hervor, dass trotz des erst seit kurzer Zeit bestehenden und nun wieder aufgehobenen Patentes bisher kein Mitbewerber ein Pelargoniumsidoides-Präparat auf den Markt gebracht
3/2010
thema PHYTOTHERAPIE
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ANLASS
Interview von AM thema Phytotherapie (AMPhyto) mit Dr. Traugott Ullrich, Geschäftsführer der Spitzner Arzneimittel
Abbildung 2: Pelargonium-sidoides-Feld in Südafrika
hat. «Die Herstellung des Extraktes scheint also doch nicht so einfach zu sein», stellte er schmunzelnd fest. Neben einer einwandfreien Qualität von Umckaloabo sind für die Spitzner Arzneimittel beziehungsweise die Dr. Willmar Schwabe Pharmaceuticals die soziale Verantwortung und die biologische Nachhaltigkeit ein grosses Anliegen.
Soziale Verantwortung und Nachhaltigkeit
So würden für die Wildsammlung von Pelargonium sidoides nur speziell geschulte Sammler eingesetzt, die bei der Ernte dafür sorgen, dass immer ein Teil der Wurzel in die Erde zurückgegeben wird. Damit wird der Bestand der Pflanze gewährleistet. Ausserdem sorgt ein sogenannter Sustainability Survey für die Kartografierung und die Überprüfung der Pflanzenbestände (vgl. Interview) . Die Dr. Willmar Schwabe Pharmaceuticals bemüht sich auch sehr, das traditionelle Wissen der lokalen Bevölkerung zu respektieren und nicht für sich «auszubeuten». In diesem Sinn hat sie keines ihrer Patente jemals in Afrika angemeldet, also auch nicht das Pelargonium-Patent EP1651244 zur Behandlung von Aids, assoziiert mit Infektionen. Dieses Patent ist von der EvB und den andern Entwicklungsorganisationen ebenfalls angegriffen worden. Es war aber nicht Gegenstand der Verhandlungen des EPA. Durch den Verzicht auf die Einreichung dieser Patente in Afrika hat die Firma Schwabe der lokalen Bevölkerung die Möglichkeit gegeben, die einheimischen Pflanzen und das traditionelle Wissen uneingeschränkt zu nutzen.
Umckaloabo-Stiftung – für eine gesunde Zukunft
Um das soziale Engagement in Südafrika zu untermauern, kündigte Dr. Frank Waimer, Leiter Qualitätsmanagement der Dr.
AMPhyto: Herr Dr. Ullrich, Ihrer Firma wurde vorgeworfen, gegen die UN-Convention on Biodiversity zu verstossen. Für diese Übereinkunft gibt es doch bis anhin nur in wenigen Ländern national verbindliche Regeln. Ullrich: Das stimmt! Die südafrikanische Regierung hat allerdings dafür seit 2008 eine Verordnung zu Bioprospection, Access and Benefit Sharing erlassen, die sogenannte NEMBA Regulation, Biodiversity Act. Danach muss jeder einen Bioprospecting-Antrag stellen, wenn er, wie zum Beispiel in unserem Fall mit Pelargonium sidoides, biologische Ressourcen nutzen will. Damit ein solcher Antrag genehmigt wird, mussten die Firma Schwabe und ihre Partner auch Benefit-Sharing-Verträge vorlegen, die mit Communities abgeschlossen werden, die Pelargonium sidoides sammeln.
AMPhyto: Ist der Antrag inzwischen schon genehmigt worden? Ullrich: Er ist noch in Bearbeitung.
AMPhyto: Wer gewährleistet, dass die geflossenen Gelder im Rahmen der Benefit-Sharing-Verträge auch tatsächlich den sammelnden Communities zugutekommen? Ullrich: Grundlage für die Zahlungen sind Benefit-Sharing-Agreements, die unter Aufsicht des Umweltministeriums mit den Communities abgeschlossen werden. Wir haben nach südafrikanischem Recht keinen Einfluss auf die konkrete Verwertung der von uns geleisteten Zahlungen. Wir nehmen in den Sammelgebieten aber durchaus wahr, dass es zu einer Verbesserung der Lebensbedingungen kommt.
AMPhyto: Im Zusammenhang mit dem Umckaloabo-Patent wurde viel über die Wildsammlung von Pelargonium sidoides gesprochen. Die Pflanze wird aber auch in Kulturen angepflanzt. Das bietet doch sicher einigen Südafrikanern Arbeit und Verdienst? Ullrich: Ja, das stimmt. Während der Ernte- und Pflanzperioden sind auf der Plantage bis zu 80 Arbeiter beschäftigt. Der für uns tätige Vertragsanbauer hält sich streng an die südafrikanische Gesetzgebung. Die Inkulturnahme einer Wildpflanze ist, wie allgemein bekannt ist, ein sehr schwieriges Unterfangen. Wir gehen abhängig von den Anbau- und Sammelbedingungen von einem Verhältnis zwischen Wildsammlung und Anbau von 1 : 1 aus.
AMPhyto: Im Zusammenhang mit dem Patentwiderruf wurde auch gesagt, die von Entwicklungsorganisationen erhobenen Vorwürfe bezögen sich vor allem auf das nun ebenfalls zurückgezogene Patent EP 1651244, das beim EPA gar nicht Gegenstand der Widerrufsverhandlungen war. Das Patent bezieht sich auf die Behandlung von Aids, assoziiert mit Infektionen. Dieses Patent schliesse traditionelles Wissen ein, das die Firma Schwabe mit dem Patent für sich monopolisiert habe. Ullrich: Insgesamt 4 unserer Patente wurden von den NGO angegriffen. In allen Fällen wurde der Vorwurf erhoben, dass unsere Patentierungsaktivitäten auf traditionellem Wissen beruhten. Lediglich für das Patent zum Herstellungsverfahren, das im Januar widerrufen wurde, liegt eine entsprechende Entscheidung des EPA vor. Die Einspruchskammer stellt dort eindeutig fest, dass die Vorwürfe der NGO nicht berechtigt sind.
AMPhyto: Herr Dr. Ullrich, besten Dank für dieses Gespräch!
Willmar Schwabe Pharmaceuticals, an der Diskussionsrunde die Schaffung einer Stiftung an. Diese «Umckaloabo-Stiftung – Für eine gesunde Zukunft» wird paritätisch von der Firma Schwabe und dem Verein Nangu Thima e.V. geleitet. Nangu Thiema, ein deutscher Verein, setzt sich seit Jahren zusammen mit der South African Scout Association (SASA) für Bildungsangebote in
Südafrika ein. Das erste Projekt der Stiftung ist die Errichtung eines Scout-Centers in Nelspruit in Südafrika. Es wird von der Firma Schwabe mit 1 Million Euro unterstützt. ◆
Anschrift des Verfassers: Dr. Christoph Bachmann Hirschmattstrasse 46 6003 Luzern c.a.bachmann@bluewin.ch
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PHYTOTHERAPIE
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