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24. JAHRESTAGUNG FÜR PHYTOTHERAPIE, BADEN, 19. NOVEMBER 2009
Trainings-Life-Balance – Basis für Gesundheit im Spitzensport
Simone Niggli-Luder ist 15-fa-
che Weltmeisterin im Orien-
tierungslauf und betreibt seit
mehr als zehn Jahren Spitzen-
sport auf höchstem Niveau.
Sie ist im Training und Wett-
kampf mitunter extremen
Witterungsbedingungen aus-
gesetzt und hat dennoch in ih-
rer Karriere keinen wichtigen Wettkampf wegen Krankheit
Abbildung 1: Trainingsaufbau von Simone Niggli-Luder 1997 bis 2006
oder Verletzung verpasst. Nur einmal kam sie humpelnd von einer WM-Staffel zurück und verpasste so eine Medaille. Wie schafft sie das? – das war die Frage, die sie in ihrem Referat zu beantworten hatte.
Beat Meier
Simone Niggli orientiert sich bezüglich des Begriffs «Gesundheit» an der Definition der WHO, die nicht nur auf das Fehlen von Krankheit, sondern auf das allgemeine Wohlergehen fokussiert. Daran ist auch
das Umfeld beteiligt, wie die vielfache Weltmeisterin bestätigt: «Sport ist mir wichtig – meine Familie aber auch. Meiner Tochter ist es egal, ob ich gewinne oder Letzte werde – Hauptsache, ich bin für sie da.» Solche Beobachtungen relativierten den Leistungsdruck bei ihrem Comeback nach der Schwangerschaft und der Geburt ihrer Tochter. Spitzensport ist eine Gratwanderung. Im Orientierungslauf lauern Gefahren wie zum Beispiel Überbelastungen mit Folgen wie Ermüdungsbrüchen, Übertraining mit meist langwierigen Folgen, Verletzungen infolge von Misstritten und so weiter: «Vorbeugen ist wichtig. Schon in Nachwuchskader werden bei uns im Verband die jungen Athletinnen dazu angeregt, Fussgymnastik zu betreiben, und wenn nötig wird das Anlegen eines Tapeverbands empfohlen. Trainingspläne müssen dem Alter und Leistungsstand angepasst werden. Bei Ausdauersportarten erwartet man den
Leistungszenit im Alter von etwa 30 Jahren – da ergibt es keinen Sinn, wenn ein Junior ein Pensum absolviert, das sich nicht mehr steigern lässt.» Nigglis Statistik zeigt, dass sie von 1997 bis 2006 ihr Ausdauertraining sukzessive intensiviert hat. Ebenso das Krafttraining, mit dem sie erst im Jahr 2001, als sie in die Elite vorstiess, begonnen hat. Im Jahr 2006 kam sie schliesslich auf 600 Trainingsstunden (Abbildung 1): «Krafttraining ist wichtig für die Stabilität der Rumpf- und Rückenmuskulatur. Es schützt vor Verletzungen.» Simone Niggli betonte, wie wichtig es ist, die richtige «Trainings-Life-Balance» zu finden. Ein Anspruch, der nicht nur im Sport, sondern auch in der Arbeitswelt («WorkLife-Balance») vermehrt zur Diskussion stehen müsste. Intensives Training erfordert Erholung und Ausgleich. Simone Niggli setzt auf alternatives Training: «Emil Zatopeks Parole, dass der Vogel fliegt, der Fisch schwimmt und der Mensch
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PHYTOTHERAPIE
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24. JAHRESTAGUNG FÜR PHYTOTHERAPIE, BADEN, 19. NOVEMBER 2009
pharm» aufmerksam. Bezüglich Prophylaxe, insbesondere von Erkältungskrankheiten, setzt sie auf die in anderen Referaten gegebenen Empfehlungen und vertraut auch der Phytotherapie, indem sie bei ersten Anzeichen auf eine in der Schweiz sehr bekannte Zubereitung aus Echinacea purpurea setzt. Simone Niggli hat sich in all den Jahren nie zu viel zugemutet: «Ich höre auf meinen Körper.» Das dürfte, neben ihrer Fähigkeit, das letzte Detail zu planen, das «Geheimnis» hinter ihrer Konstanz sein. Als Naturwissenschafterin (Simone Niggli hat an der Universität Bern Biologie studiert und erfolgreich abgeschlossen) bringt sie die Fähigkeiten mit, Trainings- und Ernährungslehre für sich in die für ihr Leben als Spitzensportlerin richtigen Bahnen zu lenken. ◆
Simone Niggli-Luder, 15-fache OL-Weltmeis-
Abbildung 2: Aufbautraining nach dem Ermüdungsbruch 2009.
terin und 3-fache Schweizer Sportlerin des Jahres (www.simoneniggli.ch) referierte an-
lässlich der 24. Schweizerischen Jahresta-
läuft, wird dem heutigen Spitzensport chen». So verzichtet Simone nicht auf ein gung für Phytotherapie zum Thema «Spit-
nicht mehr gerecht.» Die Abwechslung Dessert und geniesst mitunter ein Glas zensport und Gesundheit». Ihre Gedanken
steuert einseitiger Belastung entgegen Wein. Mit Mikronährstoffen wie Vitamin C aufgeschrieben hat Prof. Dr. sc. nat. Beat
und wird wichtig, wenn trotz aller Prophy- und Zink versucht sie Mangelsituationen Meier, Dozent für Phytopharmazie an der
laxe eine Verletzung auftauchen sollte: entgegenzuwirken. Defizite bei der Versor- Zürcher Hochschule für angewandte Wis-
«Mein Ermüdungsbruch des Schambeins gung mit Spurenelementen und Amino- senschaften und Geschäftsleiter der SMGP.
nach Wiederaufnahme des Trainings im säuren können mit der alljährlichen Haar- Er betreibt seit vielen Jahren ebenfalls
Frühjahr 2009 war meine erste grosse Ver- analyse erkannt werden. Auf diese wurde mehr oder weniger regelmässig Orientie-
letzung. Sie kam unerwartet. Ich musste Simone Niggli durch ihren Sponsor «ebi- rungslauf.
meine sportlichen Aktivitäten auf null re-
duzieren und nach zweiwöchiger Ruhe
wieder langsam aufbauen. Es braucht Disziplin, um die nötige Pause durchzustehen, und danach Geduld, um nicht zu überborden. Eigentlich möchte man ja Verpasstes so rasch als möglich wieder aufholen.» Alternativtraining legte die Basis zu den Erfolgen an der Weltmeisterschaft und im Weltcup 2009 in der zweiten Saisonhälfte (Abbildung 2). Simone Niggli war es wichtig zu betonen, dass Sport nicht primär Gefahren birgt, sondern viel zur eigenen Gesundheit beiträgt: «Der Körper wird leistungsfähiger. Ein Lauftraining kann zudem sehr stimulierend wirken: Es kommen Ideen und Gedanken, die weiterführen.» Sie hält nicht viel von der Parole «wenn mir nichts weh tut, trainiere ich zu wenig». Wer viel trainiert muss auch auf die Bereitstellung von genügend Energie achten. Eine ausgewogene Ernährung ist wichtig –
Orientierungslauf
Der Orientierungslauf ist in der Schweiz seit der in Rapperswil durchgeführten Weltmeisterschaft 2003 die erfolgreichste nichtolympische Sportart. Mit Daniel Hubmann und Simone Niggli führen derzeit zwei Schweizer das World-Ranking an. Beide sind auch amtierende Weltmeister auf der klassischen Distanz. Zuvor dominierten die Skandinavier diese Sportart. Beim Orientierungslauf gilt es, die auf einer Karte eingetragenen, vorgegebenen Posten in definierter Reihenfolge anzulaufen. Den Weg von Posten zu Posten müssen die Wettkämpfer anhand der Karte, die sie erst nach dem Start erhalten, selbst bestimmen. Orientierungsläufe werden heute in oft unwegsamen Wäldern, aber auch in städtischen Agglomerationen durchgeführt. Der Wettkämpfer muss darauf achten, dass er sein Tempo den technischen Anforderungen anpasst. Zu schnelles Laufen führt zu Konzentrationsverlust und unweigerlich zu Fehlern. Bei Wettkämpfen im Wald ist zusätzlich Koordination gefordert, gilt es doch die Unebenheiten im Gelände sowie herumliegendes Holz und die Bodenvegetation zu berücksichtigen. Die Sportart ist für alle Altersstufen geeignet, ein Einstieg ist jederzeit möglich. Es braucht keine Lizenzen. Weitere Informationen – auch über lokale OL-Vereine – auf www.swiss-orienteering.ch. Der Orientierungslauf ist eine naturverbundene Sportart – Firmen, die die SMGP und ihre Aktivitäten unterstützen, engagieren sich auch für Spitzenläuferinnen im OL-Sport: ebi-pharm/Simone Niggli und strath/ Vroni König Salmi.
«doch das Essen muss auch Freude ma-
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thema PHYTOTHERAPIE
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