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24. JAHRESTAGUNG FÜR PHYTOTHERAPIE, BADEN, 19. NOVEMBER 2009
Dopinganalytik von Phytopharmaka im Pferdesport
Marc Machnik
Einleitung
Nach dem Antidopingreglement der nationalen und internationalen Verbände gilt im Pferdesport – wie auch im Humanleistungssport – bis auf wenige Ausnahmen die sogenannte Nulllösung. Das heisst, der qualitative Nachweis einer Substanz führt unabhängig von ihrer Konzentration zu einem positiven Befund. Die Antidopingregeln gelten im Pferdesport auch für Medikamente, die zu Therapiezwecken eingesetzt werden. Dabei spielt es keine Rolle, ob die Substanzen synthetischen oder pflanzlichen Ursprungs sind. Aufgrund der Dynamik des pharmazeutischen Markts und der damit verbundenen Einführung neuer Medikamente unterliegt auch die Dopinganalytik einem stetigen Erweiterungs- und Verbesserungsprozess. Bezugnehmend auf die neuesten analytischen Techniken wird «das Leben einer Dopingprobe im Labor» vorgestellt, wobei auch auf die Analytik dopingrelevanter Arzneistoffe aus der Natur eingegangen wird.
Grundlagen der Dopinganalytik
Die Isolierung kleinster Mengen verbotener Substanzen aus Urin und Blut erfordert eine aufwendige Probenvorbereitung, bei der nicht nur Flüssig-Flüssig- und Festphasenextraktionen, sondern auch hochspezifische Extraktionsmethoden verwendet werden können (Thevis und Schänzer 2007a). Bei der anschliessenden Detektion der gesuchten Stoffe kommen gas- und flüssigchromatografische Verfahren in Verbindung mit massenspektrometrischen und stickstoffselektiven Messmethoden zum Einsatz. Diese ermöglichen den Nachweis einer Vielzahl von verbotenen Stoffen aus unterschiedlichen Substanzklassen (Ho et
Abbildung 1: Übersicht über die Screeningverfahren in der Pferdedopinganalytik.
al. 2006, Thevis und Schänzer 2007b, siehe Abbildung 1). Bei der Flüssig-Flüssig-Extraktion lösen sich die gesuchten Substanzen aufgrund ihrer chemischen Eigenschaften bei einem bestimmten pH-Wert besser in einem organischen Lösungsmittel (z.B. Ether) als in der Probe. In nachfolgenden Schritten kann die Etherphase durch Zentrifugation vom Urin beziehungsweise Blut getrennt und analysiert werden. Ein anderes Verfahren, die sogenannte Festphasenextraktion, nutzt die Wechselwirkung von Arzneistoffen zu chemisch modifizierten Oberflächen, die als Festphase in Kartuschen oder Säulen aufgebracht sind. Auch hierbei wird eine Isolierung der gesuchten Substanzen aus der Probe erreicht. Gleichzeitig werden Inhaltsstoffe entfernt, die bei einer Analyse Störsignale verursachen. Schwerpunktmässig werden zum Nachweis und zur Identifizierung von pharmazeutischen Substanzen computergestützte chromatografische Sys-
teme eingesetzt, die über eine Schnittstelle mit einem Massenspektrometer gekoppelt sind. Bei der Chromatografie wird zwischen Flüssigkeits- und Gaschromatografie unterschieden. Beide Verfahren dienen der Trennung von Substanzen. Im Gaschromatografen werden die Substanzen bei Temperaturen von zirka 300° C verdampft und mithilfe eines Gasstroms durch eine Kapillarsäule befördert. Durch unterschiedliche molekulare Wechselwirkung mit der stationären Schicht der Innenwand verbleiben die Substanzen unterschiedlich lang in der Säule und können entsprechend ihrer Verweildauer (Retentionszeit) voneinander getrennt werden. Bei der Flüssigkeitschromatografie werden die Substanzen nicht in die Gasphase überführt, sondern in einem geeigneten Lösungsmittel (Laufmittel) durch eine gepackte Säule befördert. Auch bei der Flüssigkeitschromatografie werden die Substanzen durch die Wechselwirkung zur
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Abbildung 2: Prinzip der Elektronenstossionisation in einem Massenspektrometer
Tabelle 1: Dopingrelevante Arzneistoffe aus der Natur
Substanz Hordenin* Methylxanthine (Coffein, Theobromin*, Theophyllin) Menthol
Quelle Malzkeim, Gerste Kakao-, Kaffee-, Teepflanze
Pfefferminze
Kampfer Atropin/Scopolamin
Lorbeer, Kampferbaum, Koriander Tollkirsche, Engelstrompete
Arsen* Salicin (Salicylsäure*)
Dimethylsulfoxid* (DMSO) Bufotenin Dimethyltryptamin (DMT) Lupanin Valerensäure Ephedrin/Norephedrin
Erz, Gestein Weidenrinde, Luzerne (Alfalfaheu) Luzerne (Alfalfaheu) Anadenanthera z.B. Akazie Besenginster Baldriangewächs Ephedragewächs
Nikotin Cocain/Benzoylecgonin Oryzanol Cannabinoide Chinin/Chinidin
Tabakpflanze Cocapflanze Reis Hanfpflanze Chinarindenbaum
Reserpin Morphin/Codein Capsaicin Octopamin, Synephrin Methylhexanamin Gingerol Ginsenosid Eugenol Tyramin*
Harpagosid
Rauvolfiagewächs Schlafmohn Paprika, Chili Bitterorange Geraniumgewächs Ingwer Ginseng Gewürznelke Milchprodukte nach Fermentation Teufelskralle
Wirkung stimulierend stimulierend, broncho- und vasodilatorisch
durchblutungsfördernd, schleimlösend stimulierend, antiseptisch, durchblutungsfördernd halluzinogen, stimulierend/ sedierend tonisch analgetisch, antiphlogistisch
analgetisch, antiphlogistisch halluzinogen halluzinogen schwach halluzinogen sedativ stimulierend, bronchodilatorisch stimulierend stimulierend anabol halluzinogen, sedierend analgetisch, antipyretisch/ antiarrhythmisch sedierend, anxiolytisch analgetisch, sedativ durchblutungsfördernd stimulierend stimulierend antiphlogistisch, antiemetisch tonisch analgetisch, antiphlogistisch stimulierend
analgetisch, antiphlogistisch
*abgesichert durch spezifischen Grenzwert
chemisch modifizierten, stationären Phase in der Säule voneinander getrennt. Im Detektor, dem Massenspektrometer, werden durch elektrische Ladungsübertragungen oder Elektronenbeschuss Molekülbruchstücke mit negativer oder positiver Ladung erzeugt, die sich in einem magnetischen oder elektrischen Feld sammeln und anschliessend registrieren lassen. Die Aufzeichnung solcher Molekülbruchstücke einer Verbindung heisst Massenspektrum. Jede Substanz erzeugt ihr eigenes charakteristisches Fragmentierungsmuster – einmalig wie ein Fingerabdruck – sodass sich jede Substanz eindeutig identifizieren lässt. Abbildung 2 zeigt schematisch die Entstehung von Molekülfragmenten bei der Elektronenstossionisation (engl. Electron Impact EI), und in Abbildung 3 wird das EI-Massenspektrum des Xanthins Coffein dargestellt. Für die Analyse von «natürlichen Dopingsubstanzen» werden die gleichen Techniken eingesetzt, die zum Nachweis von synthetischen Pharmaka verwendet werden. Pflanzliche Bestandteile oder Extrakte gelten als dopingrelevant, wenn sie als leistungsfördernd oder therapeutisch wirksam eingestuft werden. Sobald die pharmakologische Wirksamkeit eines Pflanzenstoffs erwiesen ist, muss eine analytische Methode zu ihrer Identifizierung in Pferdeblut und -urin entwickelt werden. Als Analyt kann die applizierte Substanz (pflanzliche Leitsubstanz) oder deren Abbauprodukt (Metabolit) dienen. Die Verwendung von Kräutern und Heilpflanzen findet bei der Herstellung von Futterergänzungs- und Arzneimitteln weite Verbreitung. Beispiele für dopingrelevante Arzneistoffe aus der Natur sowie deren Quelle und Wirkung sind in Tabelle 1 aufgeführt. Der Grossteil der in der Tabelle genannten Stoffe hat in der Vergangenheit zu Dopingfällen im internationalen Pferdesport geführt.
Statistik in der Pferdedopinganalytik
Die statistische Auswertung aller Wirkstoffgruppen, die in den letzten zehn Jahren im Institut für Biochemie zu positiven Befunden geführt haben, ist in Abbildung 4 dargestellt. Fast ein Drittel aller positiven Befunde geht auf die Gruppe der nichtsteroidalen Antiphlogistika, NSAID, zurück. Die Entwicklung über die letzten zehn
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Abbildung 3: Struktur und EI-Massenspektrum von Coffein
Tabelle 2:
Positive Dopingbefunde der letzten fünf Jahre mit natürlichen Pharmaka in Deutschland
Jahr Substanz
2005
2006 2007 2008 2009 (Jan–Okt)
Benzoylecgonin (Cocain) Coffein Hordenin Morphin (2) Theophyllin ͚6 Coffein Coffein Theophyllin ͚3 Kampfer Menthol Menthol Theobromin ͚4 Coffein (2) Coffein Menthol (3) ͚6 Benzoylecgonin (Cocain) Coffein (2) Coffein (2) Theobromin Theophyllin Theophyllin ͚8
Disziplin
Galopprennen Reitsport Galopprennen Galopprennen Galopprennen
Galopprennen Trabrennen Galopprennen
Trabrennen Trabrennen Galopprennen Reitsport
Reitsport Trabrennen Galopprennen
Galopprennen Galopprennen Trabrennen Reitsport Galopprennen Trabrennen
Gesamtzahl aller Positive 24
36 33
62 53
Jahre zeigt nach der Einführung der selektiven COX2-Inhibitoren wieder eine Zunahme der positiven Proben mit NSAID in den Jahren 2005 und 2006. Abbildung 4 beinhaltet auch Substanzklassen, deren Vertreter natürlichen Ursprungs sein können, wie zum Beispiel die Xan-
thine. Darunter werden Substanzen wie Coffein, Theobromin und Theophyllin und so weiter zusammengefasst. Typische Sedativa aus der Natur sind im Baldrian enthalten, dessen Valerensäure als eine der Wirkkomponenten identifiziert wurde. Der wichtigste Vertreter der natürlichen Opioide
Abbildung 4: Prozentualer Anteil der verschiedenen Wirkstoffgruppen an der Gesamtheit aller positiven Proben der letzten 10 Jahre (n = 318) (Quelle: Institut für Biochemie, Deutsche Sporthochschule Köln)
ist Morphin. Hordenin aus Malzkeimen
und Bierhefe wirkt stimulierend, während
Harpagophytum aus der Teufelskralle eine
schmerzlindernde und entzündungshem-
mende Wirkung hat. So lassen sich zu fast
jeder Gruppe der in Abbildung 4 aufgeführ-
ten Substanzen natürliche Vertreter mit
entsprechendem Wirkpotenzial benennen.
Tabelle 2 zeigt die positiven Fälle im deut-
schen Pferdesport der letzten 5 Jahre mit
Dopingsubstanzen aus der Natur. Seit
2007 ist wieder eine Zunahme (absolut)
von Dopingfällen durch Phytopharmaka zu
verzeichnen.
◆
Anschrift des Referenten: Dr. Marc Machnik Institut für Biochemie Deutsche Sporthochschule Köln m.machnik@biochem.dshs-koeln.de
Der Referent möchte auch folgende Personen erwähnen: Prof. Dr. Wilhelm Schänzer Leiter des Institutes für Biochemie Dr. Ina Schenk Mitarbeiterin am Institut für Biochemie
Literaturreferenzen:
1. Ho ENM, Leung DKK, Wan TSM, Yu NH (2006): Comprehensive screening of anabolic steroids, corticosteroids, and acidic drugs in horse urine by solidphase extraction and liquid chromatography-mass spectrometry. J. Chromatogr. A 1120: 38–53.
2. Thevis M, Schänzer W (2007a): Current role of LCMS(/MS) in doping control. Anal. Bioanal. Chem. 388: 1351–1358.
3. Thevis M, Schänzer W (2007b): Mass spectrometry in sports drug testing: structure characterization and analytical assays. Mass Spectrometry Reviews 26: 79–107.
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