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24. JAHRESTAGUNG FÜR PHYTOTHERAPIE, BADEN, 19. NOVEMBER 2009
Dank Ginkgo biloba bessere Durchblutung und Sauerstoffversorgung
Günter Siegel
EInleitung
Im Rahmen einer klinischen Studie zur komplementären kardiozerebrovaskulären Prophylaxe mit Ginkgo biloba (EGb 761: Rökan® novo 2 x 120 mg/Tag, Spitzner Arzneimittel, Ettlingen, Deutschland; Tebonin®, Dr. Willmar Schwabe Pharmaceuticals, Karlsruhe, Deutschland; Tebokan® 120, Schwabe Pharma AG, Küssnacht am Rigi, Schweiz) konnten wir im Blut von Patienten mit metabolischem Syndrom mehrere Risikoaktivatoren und Biomarker ermitteln, deren günstige Entwicklung unter der Ginkgomedikation auch für die Sportmedizin Bedeutung hat (24, 26, 27, 29). Kritisch anzumerken ist, dass es nicht nur gilt, akute Organschäden vom Sportler fernzuhalten. Vielmehr soll ausdrücklich darauf hingewiesen werden – und dies wird in der Sportmedizin viel zu wenig beachtet –, dass Spätschäden schon möglichst frühzeitig vorgebeugt werden muss, um diese insbesondere beim Hochleistungssportler zu vermeiden, wenn er nicht mehr im Brennpunkt öffentlichen Interesses steht. Der Vorteil einer Phytotherapie mit Ginkgo ist in der Trias a) bessere Organdurchblutung; b) Reduktion inflammatorischer Parameter und c) bessere O2-Versorgung der Gewebe zu sehen.
Bessere Organdurchblutung
Ich möchte über die Ergebnisse zweier Studien berichten, die nicht nach sportmedizinischen Fragestellungen ausgerichtet waren, aber dennoch Bedeutung für die hier in Diskussion stehenden Zusammenhänge haben. In der ersten Studie wurden die Wirkungen von Ginkgo auf die Arterioskleroseentwicklung bei aortokoronaren Bypasspatienten untersucht, in der zweiten die Voraussetzungen für eine kardiozerebro-
vaskuläre Prävention bei Patienten mit metabolischem Anfangssyndrom geprüft (16, 18, 24, 29). Damit man die multiplen Effekte von Ginkgo auf die Organdurchblutung besser versteht, muss ich etwas weiter ausholen. Die Aufnahme von Lipoproteinen aus dem Blut über die Zellmembran von Endothelund glatten Gefässmuskelzellen kann über den LDL-Rezeptor, das LDL-related Peptid (LRP) und über Heparansulfat-Proteoglykan (HS-PG) erfolgen. In den peripheren Gefässen ist HS-PG die bevorzugte Andockstelle. In Abbildung 1 ist der von uns isolierte HS-PG-Rezeptor auf einer Silikatoberfläche dargestellt (15). Wie im Blut stossen sich die Glykosaminoglykan (GAG-)Seitenketten aufgrund ihrer negativen Fixladungen gegenseitig ab und sind daher tannenbaumartig ausgestreckt. LDL-Partikel, die im Prinzip Dipole sind, können sowohl sterisch an die Rezeptordomäne II als auch elektrostatisch an GAG-Ketten und Ca2+Ionen, die wiederum über eine ihrer positiven Ladungen mit einer GAG-Kette interagieren, gebunden werden. Auf diese Weise bildet sich der ternäre Komplex HSPG/LDL/Ca2+, den wir auch als Nanoplaque bezeichnen (1, 21). Die Nanoplaque entsteht noch vor jeglicher zellulärer Reaktion und enthält alle wesentlichen Bestandteile einer makroskopischen, arteriosklerotischen Plaque, wie sie zum Beispiel im Spiral-CT sichtbar ist. Die Nanoplaquebildung mit LDL ist im ellipsometrischen Experiment in Abbildung 2 dargestellt (19). Nach dem Andocken von LDL am Proteoglykanrezeptor wird die Plaquebildung durch Zugabe von Ca2+-Ionen bereits in physiologischer Konzentration enorm befördert. Dieser Ca2+-getriebene Prozess wird bei weiterer Ca2+-Zugabe erneut stimuliert. Es müssten sich demnach in unserem Körper auf den Endothelzellmembranen ständig Nanoplaques bilden, also arterioskleroti-
Abbildung 1: (A) Schematische Darstellung der Interaktion zwischen HS-PG, LDL (die graue mäanderförmige Linie zeigt das dipolare Apoliproprotein B100 auf der Oberfläche eines LDLPartikels [4]) und Ca2+-Ionen, die einen heterotrimeren Komplex bilden (Initialstadium der Nanoplaqueentstehung). Der N-terminale Teil des Proteingerüstes ist elongiert. Die Anlagerung der hydrophoben Domäne an die künstliche Silikatoberfläche entspricht der experimentellen Anordnung zur Messung der Nanoplaquebildung mithilfe der Ellipsometrie (Patent EP 0 964 876) (22). (B) Aminosäuresequenz vom HS-PG Perlecan. Die ersten 21 Aminosäuren am N-Terminus (blau) formen ein Signalpeptid, das posttranslational abgespalten wird. Die drei Konsensussequenzen SGD (blau unterlegt) für die Bindung der HS-Ketten sind in Domäne I lokalisiert. Domäne II enthält vier LDL-Rezeptorwiederholungen (gelb unterlegt). Die Domänen III–V sind kurz durch ihre Hauptrepeats dargestellt (aus [15]).
sche Vorstufen, wenn wir nicht durch HDL
sehr effektiv geschützt wären. Wenn zu-
nächst HDL am HS-PG-Rezeptor andockt,
vermögen Zugaben von LDL, selbst in doppelter Konzentration, und von Ca2+-Ionen,
selbst in vierfacher Konzentration, ver-
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PHYTOTHERAPIE
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24. JAHRESTAGUNG FÜR PHYTOTHERAPIE, BADEN, 19. NOVEMBER 2009
Abbildung 2: Nanoplaquebildung aus Proteoglykanrezeptor-LDL-Kalzium und Hemmung durch HDL. Vergleich der Ca2+-induzierten LDL-Ablagerung an einer mit Heparansulfat-Proteoglykan beschichteten, methylierten Silikatoberfläche ohne () und mit HDL-Zugabe (Δ) (0,75 mmol/l) vor der LDL-Applikation (1,5 mmol/l). Zum Zeitpunkt Null wurde HS-PG adsorbiert, alle anderen Zugaben sind in der Abbildung durch Pfeile markiert (Ca1: 2,52 mmol/l; Ca2: 10,08 mmol/l) (aus [19]).
Abbildung 3: Oben: hydrophobe Silikatoberfläche, die mit einer konfluenten Monoschicht humaner Endothelzellen bewachsen ist. Unten: Nanoplaquebildung (blaue Punkte) nach Zugabe von oxLDL (1, 25 mmol/l) zu dem Zellsubstrat (aus [8]).
glichen mit der physiologischen Blutkonzentration, keinerlei Plaquebildung auszulösen. Der Grund liegt in der etwa vierfach höheren Bindungsaffinität von HDL gegenüber dem LDL zum HS-PG-Rezeptor (1). Sportler mit ihrem in der Regel hohen HDLGehalt sind also besonders gut vor Nanoplaquebildung geschützt.
Nanoplaquebildung
Auf der anderen Seite produzieren Sportler in ihrem Intermediärstoffwechsel jede
Menge freie Sauerstoffradikale (ROS, reactive oxygen species), die LDL sofort angreifen und teilweise zu oxidiertem LDL (oxLDL) über Epoxidbildung oxidieren (3,17). Generell können Sauerstoffradikale Fette und Proteine oxidieren. OxLDL ist selbst ein Radikal und zu Apoptose führendes Zellgift. Darüberhinaus aggregiert es sehr leicht und neigt besonders zur Nanoplaquebildung. Letztere wird in Abbildung 3 unter In-vivo-Bedingungen an den HS-PGRezeptoren lebender Endothelzellen dokumentiert. Dieses Experiment zeigt, dass sich mit unserem Modell (EP 0 946 876) (22) nicht nur am isolierten Proteoglykanrezeptor Plaquebildung demonstrieren lässt, sondern auch am in der Endothelzellmembran nativ verankerten Rezeptormolekül (8). In Abbildung 4 ist die arteriosklerotische Nanoplaquebildung bei einem Patienten mit metabolischem Syndrom vor und nach zweimonatiger Ginkgobehandlung dargestellt. Dieser Patient hatte einen besonders hohen oxLDL/LDL-Quotienten vor der Therapie (71,2 U/g). Während der Zugabe von 2,52 mmol/l Ca2+, und auch schon vorher, ist eine hohe Streuung der Messpunkte sowie ein plötzlich einsetzender, spontaner Abbruch des exponentiellen Kurvenverlaufs zu beobachten. OxLDL greift den Proteoglykan-Lipoprotein-Komplex, insbesondere die -glykosidischen Bindungen der GAG-Seitenketten von HS-PG, an und bricht diese in kleinere Molekülkomplexe auf, was letztlich auf eine Zerstörung des HS-PG-Rezeptors hinausläuft (24). Nach zwei Monaten Ginkgobehandlung (2 x 120 mg/Tag, Rökan® novo) ergab sich ein völlig glatter Kurvenverlauf mit gleichzeitiger Reduzierung der Nanoplaquebildung bei allen Ca2+-Konzentrationen. Das oxLDL/LDL-Verhältnis betrug nur noch 42,6 U/g, war also um 40,2 Prozent vermindert. Die Nanoplaquebildung war bei den 11 Patienten unserer Studie mit metabolischem Anfangssyndrom im Mittel um 14,3 ± 2,9 Prozent (p < 0,0077) reduziert und die Nanoplaquegrösse um 23,4 ± 3,7 Prozent (p < 0,0004) (24, 27, 29). Bedeutung für Organdurchblutung Welche Bedeutung haben diese Ergebnisse für eine bessere Organdurchblutung? Proteoheparansulfat hat neben seinen zahlreichen Aufgaben in der extrazellulären Matrix als integrales Membranprotein der Syndecan-Superfamilie in der vaskulären ↓ Abbildung 4: Gesamte adsorbierte Menge versus Zeit (Nanoplaquebildung). Zum Zeitpunkt Null wurde HS-PG (0,1 mg/ml) an eine hydrophobe Silikatoberfläche aus Ca2+-freier Krebslösung adsorbiert. Beim ersten Pfeil wurde die VLDL/IDL/LDL-Plasma-Fraktion von einem Patienten mit metabolischem Syndrom in ihrer natürlichen In-vivo-Konzentration appliziert, entweder unbehandelt (schwarze Kurve) oder nach 2 Monaten Behandlung mit täglich 2 x 120 mg Ginkgo-biloba-Extrakt (rote Kurve). Die Gesamt-Ca2+-Konzentrationen in Lösung sind bei den Pfeilen angegeben. Der dicke blaue Pfeil (↓) markiert den sichtbaren Beginn der HS-PG-Rezeptor-Zerstörung durch die Wirkung von oxVLDL/oxIDL/oxLDL. Der pHWert war 7, 35 (schwarze Kurve) bzw. 7, 27 (rote Kurve) (aus [24]). Endothelzellmembran ausser der Funktion als Andockstelle für die Blutlipide auch die eines Flusssensors, über den die Gefässweite reguliert wird (Abbildung 5). Als viskoelastisches Molekül liegt HS-PG unter «no flow»-Bedingungen als Zufallsknäuel vor, dessen GAG-Seitenketten in einer linksdrehenden 21-Helix eng gewunden sind (23, 25). Wenn der Blutfluss zunimmt, entfaltet sich das Zufallsknäuel scherkraftabhängig zu einer filamentären Struktur, und die GAG-Seitenketten werden wie bei einer Feder gedehnt. Bei nachlassender Fliessgeschwindigkeit verläuft der gesamte Prozess aufgrund der elastischen Rückstellkräfte des Flusssensors HS-PG rückläufig. Da die intrazelluläre Domäne des Sensors über eine Signaltransduktions-Kaskade mit der NO-Synthase verknüpft ist, wird die Gefässweite flussabhängig sehr empfindlich durch wechselnde NO-Freisetzung reguliert. Wird LDL oder oxLDL an den Flusssensor gebunden, und es bilden sich Nanoplaques, so ändern sich dessen Konformation und viskoelastisches Verhalten. Die sogenannte «endotheliale Dysfunktion» ist die Folge, eine Einschränkung der flussabhängigen Dilatation. Vom Kliniker wird die endotheliale Dysfunktion als Vorstufe der Arteriosklerose gewertet. Abbildung 6 illustriert die dramatische Wirkung einer oxLDL-LDL enthaltenden Blutersatzlösung auf eine isolierte Herzkranzarterie 1/2010 thema PHYTOTHERAPIE 11 24. JAHRESTAGUNG FÜR PHYTOTHERAPIE, BADEN, 19. NOVEMBER 2009 Abbildung 5: Schematische Darstellung von Heparansulfat-Proteoglykan als Flusssensor an der Endothel-Blut-Grenzschicht. Linke Bildhälfte: Unter No-flow-Bedingungen nimmt der viskoelastische Polyelektrolyt die Form eines Zufallsknäuels an, wobei die meisten polyanionischen Stellen eine intramolekulare Wasserstoffbindung eingehen. Rechte Bildhälfte: Blutfluss verursacht eine Konformationsänderung vom Zustand des Zufallsknäuels zu einer ausgestreckten, filamentären Struktur (aus [23]). Abbildung 7: Ausgehend vom metabolischen Syndrom als einem multiplen Symptomenkomplex ist die pathophysiologische Entwicklung kardiovaskulärer Ereignisse über atherogene Prozesse in ihrer zeitlichen Abfolge dargestellt (gelb). Weiterhin werden wichtige Biomarker (→) als resultierende Produkte (→) und Zielgrössen (→) dieser pathologischen Prozesse in ihrer gegenseitigen Verknüpfung und Korrelation wiedergegeben (⇔). Biomarker und Messvariablen; Klinische Bilder und Folge- krankheiten; Gewebsfaktoren und Radikalstatus; CAD, koronare Herzerkrankung; ACS, akutes Koronarsyndrom; AMI, akuter Myokardinfarkt; TIA, transitorische ischämische Attacke; AD, AlzheimerDemenz; ROS, radikale Sauerstoffspezies; MIF, makrophagen-migrationshemmender Faktor; TF, Gewebsfaktor (modifiziert nach [18]). Tabelle 1: Ginkgoextrakt ändert die Konzentration inflammatorischer Biomarker und vasoaktiver Substanzen im Patientenblut (nach [20, 28]). Abbildung 6: A. Flussabhängige Relaxation einer normalen Koronararterie des Menschen in Krebslösung. Alle 10 Minuten wurde die Flussrate erhöht (Pfeile). B. Flussabhängige Relaxation derselben Koronararterie in Krebslösung mit 100 mg/dl LDL-Cholesterin (aus [25]). des Menschen, die von einer Herztransplantation stammte. Nach 2 g Vorspannung wurde der Fluss der Lösung zwischen 3 und 100 ml/min variiert, also in einem Bereich, der physiologischerweise in Koronararterien des Menschen auftritt. In normaler Blutersatzlösung nahm der Gefässtonus deutlich ab, während in oxLDL-LDL- haltiger Lösung diese Abnahme um 71,4 Prozent reduziert war.Wendet man die Laplace-Gleichung an, so errechnet sich daraus eine Minderdurchblutung von 48 Prozent (25). Ginkgo kann aufgrund seiner Radikalfängereigenschaften diesen Effekt durch Absenkung des oxLDL/LDL-Quotienten verhindern (siehe Tabelle 1). Wie die Tabelle ferner zeigt, sind die Aktivitäten der körpereigenen Radikalfängerenzyme Superoxiddismutase (SOD) und Glutathionperoxidase (GPx) durch Ginkgo aufreguliert, was dessen antioxidative Wirkung weiter verstärkt. Der die Durchblutung fördernde Prozess einer oxLDL-Absenkung wird durch die körpereigenen, stark vasodilatierenden zyklischen Nukleotide cAMP und cGMP zusätzlich stimuliert, deren Konzentration im Blut um 43 Prozent beziehungsweise 33 Prozent ansteigt (siehe Tabelle 1). Ginkgo erhöht die Produktion von Prostazyklin (PGI2) und Stickstoffmonoxid (NO) der glatten Muskel- und Endothelzellen der Gefässwand, deren gefässerweiternde Wirkung sich über die membrangängigen sekundären Botenstoffe cAMP und cGMP entfaltet (16, 27, 29). Der hohe cGMP-Spie- thema12 PHYTOTHERAPIE 1/2010 24. JAHRESTAGUNG FÜR PHYTOTHERAPIE, BADEN, 19. NOVEMBER 2009 gel reflektiert ein funktionierendes Endothel. Die endotheliale Dysfunktion ist beseitigt oder wird präventiv verhindert. Darüber hinaus wurde die erhöhte NO-Bildung und -Freisetzung durch eine Abnahme der Myeloperoxidase-(MPO-)Konzentration ermöglicht (siehe Abbildung 7 und Tabelle 1). MPO moduliert intravaskuläre Signalkaskaden und senkt den NO-Spiegel über dessen Oxidation. Daher bewirkt MPO eine starke Vasokonstriktion. Der vasorelaxierende Effekt einer Reduktion der SerumMPO-Konzentration wird ergänzend durch Änderungen der 8-iso-PGF2␣-Konzentration verstärkt. Dieses Isoprostan ist ein starker Vasokonstriktor und fördert zudem die Thrombozytenaggregation (siehe Abbildung 7). Tabelle 1 zeigt, dass die Ginkgobehandlung zu einer Verminderung der 8iso-PGF2␣-Blutkonzentration um 39,8 von 24,9 ± 4,6 mmol/l auf 15,0 ± 2,0 mmol/l (p < 0,0027) führte. Dieser Abfall von 8-isoPGF2␣ befördert signifikant die cAMP/cGMPinduzierte Vasodilatation und geht Hand in Hand mit der 30-prozentigen MPO-Reduktion. Damit sind wir bereits bei der antiinflammatorischen Wirkung von Ginkgoextrakt. Abbildung 8: Signifikante Korrelationen zwischen Änderungen der Bilobalid-Konzentration in den VLDL/IDL/LDL-Partikeln (A), 8-iso-PGF2␣ (B) und MPO (C) einerseits und Änderungen im oxLDL/LDLQuotienten andererseits sowie zwischen den MPO- und 8-iso-PGF2␣-Änderungen (D). Der PearsonKorrelationskoeffizient r wurde zur linearen Korrelationsanalyse berechnet (aus [24]). Reduktion inflammatorischer Parameter Das Design unserer klinischen Studie zum metabolischen Syndrom sowie Netzwerk und zeitliche Entwicklung der pathophysiologischen Zusammenhänge, die in kardiozerebrovaskulären Ereignissen kulminieren, sind in Abbildung 7 illustriert (18, 29). Neben Nanoplaquebildung und -grösse wurde ein breites Spektrum an Parametern und Markern des oxidativen Stresses, der Plaquestabilität und -progression, der Entzündung, Lipidzusammensetzung einschliesslich Lp(a) und der sekundären Botenstoffe gemessen (20, 24, 27, 29). Als Marker des oxidativen Stresses wurden 8-iso-PGF2␣, das Verhältnis oxLDL/LDL und die Aktivität von SOD und GPx bestimmt. Der inflammatorische Status, der hier im Mittelpunkt steht, wurde durch hochsensitives C-reaktives Protein (hs-CRP), MPO, Interleukin-6 (IL-6), die Zahl der weissen Blutkörperchen und die Matrix-Metalloproteinase-9 (MMP-9) charakterisiert, wobei Letztere auch neuer Marker für Plaquestabilität ist. Diese Biomarker wurden bewusst ausgewählt, weil zahlreiche Korrelationen und gegenseitige Induktionen während Atherogenese bekannt sind und zur Einschätzung des kar- diovaskulären Risikos beitragen. Neben der Bewertung des oxidativen Stressstatus durch 8-iso-PGF2␣ sind oxLDL/LDL-Quotient und SOD, MPO und MMP-9 in ihrer Funktion zu den freien Radikalen korreliert. Eine Analyse des Zytokin- und Biomarkermusters erlaubt Vorhersagen des Risikoprofils kardiovaskulärer Krankheiten (24). Hier soll nur ein Quartett aus der Biomarker-Musteranalyse exemplarisch demonstriert werden (Abbildung 8). Glücklicherweise konnten wir die lipidlösliche Leitsubstanz Bilobalid des Ginkgoextraktes EGb 761 in den VLDL/IDL/LDL-Lipoproteinpartikeln der Patienten nach zweimonatiger Ginkgobehandlung nachweisen. Bilobalid ist ein kraftvolles Antioxidans und daher lokal genau an den Stellen im Körper konzentriert, wo es unbedingt für eine Hemmung der Lipidperoxidation bei diesen Patienten mit metabolischem Syndrom erforderlich ist. Deshalb haben wir die für den oxidativen Stress relevanten Biomarker oxLDL/LDL, 8-iso-PGF2␣ und MPO korreliert und in jedem Fall signifikante Korrelationen erhalten. Man erkennt ohne Schwierigkeiten, dass die Reduktion des oxLDL/LDL-Quotienten umso effektiver ist, je höher die Bilobalidkonzentration in den Lipidpartikeln ist (Abbildung 8A). Ein anderes Beispiel zeigt, dass die MPO-Konzentration umso stärker abnimmt, je mehr 8-iso-PGF2␣ reduziert wurde (Abbildung 8D). MPO ist direkt mit der Bildung von MMP-9 korreliert, das wiederum bei Patienten mit akutem Koronarsyndrom zu hs-CRP in Beziehung steht (6, 7, 9). Dies ist Indiz für eine enge Verknüpfung zwischen inflammatorischem Status und Plaquestabilität (5). Wie erwähnt, stellen MPO und hs-CRP bedeutende Entzündungsmarker dar. Eine Senkung des hs-CRP-Spiegels führte zu einer dramatischen Abnahme des Risikos für kardiovaskuläre Erkrankungen und ihre Mortalität (11–14). Das Ergebnis der Northern-Manhattan-Studie, an der 2240 Männer und Frauen aus New York teilgenommen hatten, bestätigte diese Beobachtung (2). Hohe Blutwerte von hs-CRP steigern das Risiko für Herzinfarkt, nicht aber für Schlaganfall, zumindest bei der untersuchten Gruppe mit einem mittleren Alter von 68, 9 Jahren. Elkind et al. (2) vermuten, dass bei jungen, gesunden Menschen ein hoher hs-CRP-Spiegel vielleicht tatsächlich eine Vorhersage auch über das Schlaganfallrisiko erlaubt. Dagegen sei er bei älteren, kranken Leuten vermutlich we- 1/2010 thema PHYTOTHERAPIE 13 24. JAHRESTAGUNG FÜR PHYTOTHERAPIE, BADEN, 19. NOVEMBER 2009 niger aussagekräftig, weil diese meist mehr Risikofaktoren aufweisen, die den hsCRP-Spiegel steigern. Zu Studienbeginn wurde bei allen Teilnehmern die hs-CRPKonzentration gemessen. Ausserdem wurde analysiert, ob sie und wenn ja, welche weiteren Risikofaktoren für Herz-Kreislauf-Erkrankungen die Teilnehmer aufwiesen. Während des anschliessenden rund achtjährigen Beobachtungszeitraums traten in der Gruppe 198 Schlaganfälle sowie 156 Fälle von Herzproblemen auf. Es verstarben 586 Probanden. Die Korrelation mit den gemessenen hs-CRP-Werten brachte ein klares Ergebnis: Teilnehmer mit anfänglichem hs-CRP > 3 mg/l Blut erlitten zu 70 Prozent häufiger einen Herzinfarkt als solche mit einem hs-CRP 1 mg/l. Gleichzeitig steigerten die erhöhten Messwerte auch das Sterberisiko, und zwar um 55 Prozent. Die in Tabelle 1 aufgeführten hs-CRPWerte geben die Messdaten von allen 11 Patienten mit metabolischem Syndrom wieder. Die Bedeutung der rund 40-prozentigen Senkung der Konzentration durch den Ginkgoextrakt lässt sich anhand der geführten Diskussion ermessen. Noch stringenter wird der Schluss, wenn man in die Einzeldaten der Patienten geht. Bei einem Patienten kann der Initialwert von 46,6 mg/l nicht mehr als «hs-CRP» eingestuft werden, sondern als «CRP». Schliesst man diesen Patienten, der nach zweimonatiger Ginkgobehandlung ebenfalls eine CRP-Reduktion von 37,2 Prozent zeigte, aus der Statistik aus, so ergibt sich für die restlichen 10 Patienten eine Abnahme des hsCRP von 5,08 ± 1,73 mg/l auf 2,48 ± 0,67 mg/l (p < 0,0039, exact Wilcoxon signed-rank test), also um 51,1 Prozent. Der Vergleich mit den Daten von Elkind et al. (2) spricht für sich. Wenn wir rekapitulieren, so sind alle hier diskutierten Marker gegenseitig verknüpft. ROS-Status wie auch Inflammation und Plaquestabilität sind Faktoren, die nicht voneinander unabhängig betrachtet werden dürfen. Die Abnahme inflammatorischer Parameter ist Ergebnis einer exzessiven Reduktion des oxidativen Stresses (ROS↓) aufgrund der Radikalfängereigenschaften von Ginkgo. Abschliessend sei vermerkt, dass durch die Verminderung dieser freien O2-Radikale alle erwähnten Entzündungsmarker in ihrer Konzentration gesenkt wurden: IL-6 um im Mittel 13 Prozent (vgl. 10,30), Lipoprotein(a) um 26 Prozent, hs-CRP um 40 Prozent, MMP-9 um 33 Pro- Tabelle 2: Ginkgoextrakt steigert die mittlere, erythrozytäre Hämoglobinkonzentration und vermindert den Hämatokrit zent (Tabelle 1). So wurde der durch ROS induzierte Entzündungsstatus erheblich zurückgefahren (20, 28). Die Abnahme der Leukozyten im Blut um 6,3 Prozent rundet dieses Bild ab. Uns erscheint die Abnahme des hs-CRP-Spiegels von 8,9 auf 4,9 mg/l mit rund 45 Prozent in Anbetracht der oben geführten Diskussion und im Hinblick auf eine Prävention von Spätschäden bei Sportlern besonders wichtig. Bessere Sauerstoffversorgung der Gewebe Eine bessere O2-Versorgung der Gewebe ist nicht nur durch die erhöhte Durchblutung, sondern auch durch eine verbesserte Beladung des einzelnen Erythrozyten mit Hämoglobin (MCHC) um 4, 8 Prozent sowie eine Reduktion des Hämatokriten (Hct) um 12,0 Prozent gewährleistet (Tabelle 2). Zwar erscheint die Mehrbeladung des einzelnen Erythrozyten mit einer erhöhten Hämoglobinkonzentration geringfügig, jedoch ist diese für die O2-Sättigung des Blutes ganz entscheidend. Die Abnahme des Hämatokriten von 46,3 Prozent auf 40,7 Prozent signalisiert bei diesen Patienten mit metabolischem Syndrom eine Normalisierung dieses ursprünglich erhöhten Wertes. Vermutlich wäre diese Verminderung um 12,0 Prozent bei einer Normalperson nicht in diesem Masse ausgeprägt. Für die Steigerung der MCH und MCHC haben wir keine mechanistische Erklärung. Zunächst böte sich die gleichzeitig beobachtete Abnahme des Erythrozytenvolumens (MCV) an. Diese ist aber mit 1,6 Prozent viel zu gering, um den Ginkgoeffekt auf die MCHC zu erklären.Weitere Forschung ist also vonnöten, um diesen Punkt abzuklären. Zusammenfassung Ginkgo biloba (EGb 761: Rökan® novo, Tebonin®, Tebokan® 120) kann die sportliche Leistung befördern a) durch eine bessere Organdurchblutung und Sauerstoffversorgung und b) durch die Reduktion von schädigenden Wirkungen des oxidativen Stresses. Ausserdem ist der Extrakt bei regelmässiger Einnahme in der Lage, Akutund Spätschäden an Zellen und Organen, auch beim Leistungssportler, präventiv abzufangen oder wenigstens zu begrenzen. ◆ Anschrift des Referenten: Prof. Dr. med. Günter Siegel Charité – Universitätsmedizin Berlin Institut für Physiologie D-14195 Berlin guenter.siegel@charite.de Literaturverzeichnis: 1. 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