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FORUM
Anmerkungen zum Cochrane-Review 2009 zur Wirksamkeit von Sabal
Eine Stellungnahme der Dr. Willmar Schwabe GmbH & Co.
In AM thema Phytotherapie 4/2009 wurde über den 2009 erschienenen Cochrane-Review «Serenoa repens for benign prostatic hyperplasia (Review)» berichtet. Dabei wiesen Phytotherapie-Fachleute aus verschiedenen Ländern in einem gemeinsamen Kommentar auf grosse methodische Mängel und eine wissenschaftlich nicht korrekte Schlussfolgerung des Reviews hin. Inzwischen ist die folgende Stellungnahme der Firma Dr. Willmar Schwabe GmbH & Co., Karlsruhe, eingetroffen. Sie zeigt weitere gravierende Mängel der Studie auf.
In einem in diesem Jahr publizierten Review (Tacklind et al. 2009) der Cochrane Collaboration zur Wirksamkeit von Sabal bei BPH kommen die Autoren zu dem Schluss, Sabal sei nicht effektiver bei der symptomatischen Behandlung von Mik-
tionsstörungen bei BPH (benigner Prostatahyperplasie) als Plazebo. Prüft man die Angaben jedoch im Detail nach, findet man eine Reihe von Unkorrektheiten. So wird zum Beispiel behauptet: «Metzker 1996 (N = 40) found a significant difference in IPSS endpoint (40-week follow up) [...]». Bei Metzker et al. 1996 gab es jedoch kein 40-Wochen-Follow-up, sondern eine 24-wöchige plazebokontrollierte, doppelblinde sowie eine 24-wöchige einfach-blinde Phase ohne Plazebokontrolle. Ein weiterer gravierender Fehler findet sich bei folgendem Zitat: «Sökeland 1997 (N = 543) found no significant difference in IPSS total score at 12-week endpoint [...]» und «Sökeland reported increases of 2.7 mL/s and 3.2 mL/s for Serenoa repens/Urtica dioica and placebo, respectively, but the comparison was not significant (MD -0.80 mL/s, 95% CI -1.98 to 0.38, P > 0.05).» Die Studie von Sökeland et al. verglich über 48 Wochen doppelblind die Kombination Serenoa repens plus Urtica doica mit Finasterid. Plazebo wurde in einer zweiwöchigen Run-in-Phase in beiden Behandlungsarmen gegeben. Der Vergleich Verum-Plazebo war gar nicht Gegenstand der Studie und wurde daher gar nicht berechnet. Hauptzielgrösse war die Veränderung nach 24 Wochen, nicht nach 12 Wochen. Die zitierten Veränderungen des maximalen Harnsekundenvolumens von 2,7 ml/s oder 3,2 ml/s finden sich nicht in der Publikation. Auch Lopatkin et al. werden falsch zitiert: «Metzker 1996 (N = 40) found a significant difference in IPSS endpoint (40-week follow up) [...]; Lopatkin 2005 (N = 257), comparing mean change, did not (MD -1.00 points, 95% CI -2.13 to 0.13, P > 0.05).» Lopatkin et al. fanden in der plazebokontrollierten Studie eine signifikante Verbesserung der Beschwerden, gemessen nach IPSS, im Vergleich zu Plazebo (median 6 Punkte vs. 4 Punkte, p = 0,003 [einseitig]).
Darüber hinaus stellt sich die Frage, ob die
metaanalytische Nachberechnung einer
einzelnen Studie – wie in diesem Review
häufig geschehen – methodisch zulässig
ist. Wenn der Gruppenvergleich in einer
einzigen Studie statt auf Basis der Original-
daten (wie in der Publikation) nur auf Basis
der publizierten Kennwerte (wie im Coch-
rane-Review) gerechnet wird, geht erhebli-
che statistische Power verloren. Wenn –
ohne die Verteilung der Originaldaten zu
kennen – von einem nichtparametrischen
Vergleich (wie in der Publikation) auf einen
parametrischen (wie im Cochrane-Review)
gewechselt wird, ist das statistisch nicht
zulässig. Die Aussage der Originalstudie
aufgrund sämtlicher verfügbarer Daten
besitzt aus wissenschaftlicher Sicht immer
mehr Validität als die Aussage eines sol-
chen Nachrechnens auf der Basis deutlich
reduzierter Daten.
Zudem wurden bei der Erstellung dieser
Metaanalyse laut Aussagen der Autoren
zwar alle verfügbaren Publikationen zu Sere-
noa repens herangezogen. Bei der Auswer-
tung wurden jedoch weder die Art der Her-
stellung des Extraktes noch dessen Qualität
berücksichtigt.Wie wichtig dies ist, zeigt un-
ter anderem eine Arbeit von Scaglione et al.
aus dem Jahr 2008. Bei der Untersuchung
der Hemmwirkung von verschiedenen Fer-
tigarzneimitteln auf die 5α-Reduktase stell-
ten sie eine sehr grosse Schwankungsbreite
fest: So kann – je nach verwendetem Fertig-
arzneimittel – die Hemmwirkung auf die
beiden Subtypen der 5α-Reduktase um
einen Faktor 23,61 (Typ I) bzw. sogar 236,5
(Typ II) geringer sein.
Es entsteht der Eindruck, dass dieser Re-
view nicht mit der gebotenen Sorgfalt und
Genauigkeit erstellt wurde, und so bleibt
die Frage, ob die Gesamtaussage des Re-
views einer wissenschaftlichen Überprü-
fung standhalten kann.
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thema20
PHYTOTHERAPIE
5/2009