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FORSCHUNG
Hochdosierter Artischockenextrakt steigert Cholerese und senkt Cholesterinspiegel1
Dorothea Springer
Steigerung der Gallensekretion
Bei der Behandlung dyspeptischer Beschwerden steht die Steigerung der Sekretion von Gallenflüssigkeit (Cholerese) im Vordergrund. Die erhöhte Gallensäureproduktion verbessert die Verdauungsaktivität und nimmt positiven Einfluss auf die Motilität des Darms. In randomisierten, plazebokontrollierten und doppelblinden Studien testete man die Wirkung von Artischockenblätter-Extrakt auf die Gallensekretion. Während Plazebo den Gallenfluss nur leicht steigerte, registrierte man unter dem Artischockenextrakt-Präparat bereits nach 30 Minuten eine ausgeprägte Choleresesteigerung. Selbst nach 3 Stunden waren immer noch signifikante und klinisch relevante Unterschiede zu Plazebo messbar (Abbildung 1) (1). Der Artischockenblattextrakt stimuliert die Gallensekretion und den Gallenfluss sowie die Gallensäureausscheidung der Leber. Es handelt sich um eine tatsächliche Steigerung der Produktion von Gallenflüssigkeit und nicht nur um eine erhöhte Wasserausscheidung.
Reduktion von Gesamtcholesterin, LDL, Triglyzeriden und Anstieg von HDL
Artischockenextrakte haben lipidsenkende Eigenschaften und werden zur Behandlung erhöhter Gesamtcholesterinspiegel eingesetzt. Dies ist von grösster Bedeutung für die Entstehung einer Arteriosklerose und die damit verbundenen gesundheitlichen Risiken im Koronarbereich.
1 Zweitpublikation: Originalpublikation: Forschung aktuell, Dr. Dorothea Springer, Rodisma-Med Pharma GmbH, D-51149 Köln. Mit freundlicher Genehmigung der Autorin und der Firma
Abbildung 1: Steigerung der Cholerese durch Artischockenextrakt (nach Kirchhoff 1993)
Verschiedene Studien belegen die Chole- Die Cholesterinsenkung erfolgt über zwei
sterin und Triglyzeride senkende Wirkung sich ergänzende Wirkmechanismen: zum
(4, 5, 6) eines Artischockenextraktes. Der einen wird die Cholesterin-Neubildung ge-
Cholesterinspiegel sank in den verschiede- hemmt und zum anderen überschüssiges
nen Studien bis zu 18,5 Prozent gegenüber Cholesterin über die Galle aufgrund einer
Plazebo, die LDL-Werte sogar bis zu ca. 23 gesteigerten Cholerese vermehrt ausge-
Prozent (Abbildung 3) (8). Bei den Triglyzeri- schieden. Der Artischockenextrakt hemmt
den sind Werte zwischen -11 Prozent (6) und «indirekt» das Schlüsselenzym der Chole-
ca. -13 Prozent (9) dokumentiert. Gleichzei- sterinsynthese (HMG-CoA-Reduktase [Hy-
tig steigt das projektiv wirksame HDL an droxymethylglutaryl-CoA-Reduktase]). Ver-
(+2,3 bis +6,3 Prozent [4, 6]) (Abbildung 4). mutlich beeinflussen die Inhaltsstoffe der
Artischocke aktivierende und
deaktivierende Steuerungspro-
zesse dieses Enzyms. Im Gegen-
satz dazu greifen die syntheti-
schen Lipidsenker (CSE-Hemmer
[Cholesterol-Synthese-Enzym-
Hemmer]) direkt an dem Enzym
an und hemmen so eine Chole-
sterin-Neusynthese.
In Testmodellen trat die mess-
bare, hemmende Wirkung des
Abbildung 2: Deutliche Reduktion dyspeptischer Beschwerden (nach Fintelmann, 1996 und Fintelmann et al. 1998)
Artischockenextraktes bereits nach 30 bis 40 Minuten ein (10).
Von den einzelnen Artischocken-
Inhaltsstoffen bewirkte vor al-
lem das Luteolin (ein Flavonoid)
eine 60%-ige Hemmung der
Cholesterin-Biosynthese (2, 10,
11). Neueste Untersuchungen
zeigen, dass bestimmte, aus Arti-
schockenblättern isolierte Bitter-
Abbildung 3: Deutliches Absinken des Cholesterinspiegels nach Einnahme eines Artischockenblattpräparates (nach Englisch 2000)
stoffe (Sesquiterpene) den Anstieg von Triglyzeriden im Serum unterdrücken (12).
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Eine Blut-Cholesterinspiegel-Senkung be- tionsabhängig reduzieren (Endothelzellen antioxidative Wirkung des Extraktes eine
deutet auf jeden Fall eine deutliche Verrin- und Monozyten bzw. Leukozyten). Je nach entscheidende Rolle. Für die Hemmung der
gerung des kardiovaskulären Risikos und Artischockenextrakt und den eingesetzten Cholesterin-Synthese ist nach neueren
dient dem Schutz von Herz und Gefässen. Zellen konnte die Produktion der reaktiven Erkenntnissen das Luteolin (Flavonoid) ver-
Sauerstoffverbindungen (ROS) antwortlich und nicht das Cynarin. Dieses
zwischen 43 und 76 Prozent Luteolin hat von allen getesteten Flavonoi-
gehemmt werden, was ein wei- den auch die grösste antioxidative und
terer Hinweis dafür ist, dass Arti- leberzellschützende Wirkung, wobei unter
schockenextrakte Zellen wirk- anderem die Umwandlung von LDL in oxi-
sam vor oxidativem Stress diertes LDL reduziert wird. Gleichzeitig ver-
schützen (14, 16, 17) (Abbildung 5). mindert ein Artischockenextrakt die Bil-
Die Flavonoide haben einen gros- dung reaktiver Sauerstoffverbindungen
Abbildung 4: Artischockenextrakt senkt Triglyzeride und erhöht HDL (nach Dom 1995 und Fintelmann 1998)
sen Anteil an der antioxidativen Aktivität von Artischockenextrakten und sind zudem mass-
und schützt Zellen (u.a. Leberzellen, Endothelzellen, Monozyten und Leukozyten) vor oxidativem Stress. Die Bitterstoffe (Sesqui-
Artischocke schützt vor (LDL)Oxidation und reduziert die Bildung reaktiver Sauerstoffverbindungen
geblich an der Leberschutzwirkung beteiligt. Von allen getesteten Flavonoiden soll das Luteolin die stärkste antioxidative und leberschützende Wirkung besitzen (10).
terpenlactone) regen unter anderem den Appetit an und erreichen kurz vor der Blüte maximale Bitterstoffwerte. Nach neuesten Untersuchungen hemmen Sesquiterpene
und Sesquiterpen-Glycoside ei-
Artischockenextrakte enthalten antioxida-
nen induzierten Anstieg von Tri-
tiv wirkende Substanzen, die eine Oxida-
glyzeriden im Serum, sodass an-
tion von Lipoproteinen reduzieren. Da be-
scheinend auch die Bitterstoffe
sonders die Oxidation des LDL (Low density
positiven Einfluss auf die Blut-
lipoproteins [Lipoproteine niedriger Dich-
fettwerte nehmen können (12).
te]) einen entscheidenden Schritt bei der Entstehung atherosklerotischer Veränderungen darstellt, gilt es, in einem möglichst frühen Stadium diesen Oxidationsprozess
Abbildung 5: Artischockenextrakte reduzieren die Bildung aggressiver Sauerstoffverbindungen (nach Zapolska-Downar 2002)
Zusammenfassung
Hochdosierter ArtischockenExtrakt bessert dyspeptische Be-
zu unterbinden. Der Extrakt vermindert die Umwandlung von LDL in oxidiertes LDL und hemmt damit die Entstehung von
Wirkung der einzelnen Inhaltsstoffe
schwerden, die aufgrund einer erhöhten Fettbelastung, aber mangelhaften Fettverdauung auftreten und zu Ver-
atherosklerotischen Plaques an den Ge- Artischockenblattextrakte wirken cholere- dauungsstörungen mit unangenehmen
fässwänden und beugt einer Arterien- tisch, lipidsenkend, antioxidativ und zell- Begleitsymptomen führen. Zusätzlich grei-
verkalkung vor (13). Teilweise sind auch (leber)-schützend. Die wichtigsten und fen Artischockenblattextrakte auf drei
Rückbildungen von bestehenden athero- wirksamen Inhaltsstoffe sind die Kaffee- Wegen in die Pathogenesemechanismen
sklerotischen Ablagerungen beobachtet säuren (Caffeoylchinasäure, wie Cynarin, der Arteriosklerose ein: Hemmung der
worden (5). Artischockenblatt-Extrakte das in frischen Blättern nur in Spuren ent- Cholesterinneubildung in der Leber, cho-
schützen Zellmembranen (tierische und halten ist und während der Trocknung und leretisch verstärkte Elimination des Cho-
menschliche Leberzellen und Blutlipide) der Extraktherstellung in grösseren Men- lesterins und Hemmung der LDL-Oxida-
vor oxidativen Veränderungen. Der Extrakt gen entsteht, und Chlorogensäure), die tion. Deshalb eignen sich hochdosierte
wirkt als direkter Radikalfänger und greift Flavonoide (Cynaroside und Luteolin) und Extrakte, das Entstehen einer Arterioskle-
hemmend in die Neubildung reaktiver Sau- Bitterstoffe (die Sesquiterpenlactone). rose zu minimieren und damit das Herz-
erstoffverbindungen ein (14). Messbar ist Cynarin und die anderen Caffeoylchinasäu- Kreislauf-System positiv zu beeinflussen.◆
eine konzentrationsabhängige Hemmung der Lipidperoxidation aufgrund der geringeren Bildung von Malondialdehyd, einem Marker der Lipidperoxidation.Versetzt man Leberzellen mit einem Artischockenextrakt
ren sowie Chlorogensäure sind für die Funktionssteigerung des Leber-GalleSystems verantwortlich, wobei aber gezeigt werden konnte, dass Cynarin nicht die gleiche hohe Wirksamkeit besitzt wie der
Anschrift der Autorin Dr. Dorothea Springer Rodisma-Med Pharma GmbH D-51149 Köln springer@rodisma.de
und gleichzeitig einer Substanz, die die Bil- gesamte Extrakt. Flavonoide (z.B. Cynaro-
dung von aggressiven Sauerstoffverbindungen fördert, wird deutlich weniger Malondialdehyd gebildet, und es werden entsprechend weniger Zellen geschädigt (hepatoprotektiver Effekt) (15). Neuere Untersuchungen belegen, dass Artischockenextrakte die Bildung von reaktiven Sauerstoffverbindungen konzentra-
sid) dienen als wirkverstärkendes Agens und zeigen anticholestatische Wirkung. Artischockenextrakte haben zusätzlich spasmolytische, antiemetische und karminative Eigenschaften, was dazu beiträgt, dyspeptische Symptome deutlich zu reduzieren. Für die Atheroskleroseprävention spielen die Cholesterinsenkung und die
Literatur:
1. Kirchhoff, R. et al.: Steigerung der Cholerese durch Artischockenextrakt. Ärztliche Forschung, 40. Jg., 6, 1–12 (1993).
2. Gebhardt, R.: Anticholestatic activity of flavonoids from artichoke (Cynara scolymus L.) and of their metabolites. Med Sci Monit Suppl 1: 316–320 (2001).
3. Gebhardt, R.: Prevention of taurolithocholate-induced hepatic bile canalicular distortions by HPLC-
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Artischockenblatt-Extrakte und deren Zubereitungen eignen sich zur Anwendung bei dyspeptischen Beschwerden. Die wirksamen Inhaltsstoffe entfalten ihre positive Wirkung bei Verdauungsschwäche, Reizmagen sowie Störungen der Leber-Galle-Funktion (funktionelle Störungen des ableitenden Gallensystems), insbesondere auch bei gestörter Fettverdauung. Nach mehrwöchiger Behandlung bessern sich die typischen dyspeptischen Symptome. Krampfartige Bauchschmerzen, Blähsucht (Meteorismus), Völlegefühl, Übelkeit, Verstopfungsbeschwerden und Fettintoleranz nehmen deutlich ab. Für die meisten Effekte sind nicht einzelne Inhaltsstoffe verantwortlich, sondern der Gesamtextrakt. Zu den wirksamen Substanzen zählen: Kaffeesäure (-derivate) (Cynarin und Chlorogensäure), Flavonoide (Cynarosid bzw. Luteolin) und Bitterstoffe (Sesquiterpenlactone). Zahlreiche Studien belegen die choleretischen, anticholestatischen, cholesterinsenkenden und antioxidativen Eigenschaften von Extrakten aus Artischockenblättern. Neuere Untersuchungen an verschiedenen Testsystemen belegen, dass ArtischockenExtrakte – vor allem das Luteolin (Flavonoid) – induzierte Verformungen oder Veränderungen an Gallenkanälchen verhindern und damit einem Gallenstau vorbeugen können (anticholestatische Wirkung) (2, 3).
Reduktion dyspeptischer Beschwerden
Die choleretischen Eigenschaften konnten in verschiedenen Anwendungsbeobachtungen und klinischen Doppelblindstudien nachgewiesen werden, was eine gezielte therapeutische Anwendung bei dyspeptischen Beschwerden rechtfertigt. Zahlreiche Studien dokumentieren einen Rückgang der verschiedensten dyspeptischen Symptome. Nach etwa sechswöchiger Therapie bildeten sich diese durchschnittlich um 70 Prozent zurück, wobei die Wirkung bereits nach etwa 10 bis 14 Tagen eintrat. Am stärksten besserten sich Beschwerden wie Erbrechen (-88%), Übelkeit (-84%) und krampfartige Bauchschmerzen (-76%) (4, 5). Auch in der Dauertherapie über einen Zeitraum von sechs Monaten liess die Wirksamkeit nicht nach (Abbildung 2) (6). Artischockenextrakte haben daher nachweislich auch spasmolytische, antiemetische und karminative Eigenschaften. Nach 12-wöchiger Behandlungsdauer mit 1200 mg Artischockenextrakt pro Tag besserten sich bei nahezu 94 bis 96 Prozent der Patienten Meteorismus, Oberbauchbeschwerden und Völlegefühl (7).
characterized extracts of artichoke (Cynara scolymus) leaves. Planta Med 68 (9) 776–779 (2002).
4. Fintelmann, V.: Antidyspeptische und lipidsenkende Wirkungen von Artischockenblätterextrakt. Z. Allg. Med. 72: 3–19 (1996).
5. Fintelmann, V. u. Menssen, H.-G.: Artischockenblätterextrakt. DAZ 136. Jg. Nr. 17 (25.4.1996).
6. Fintelmann, V. u. Petrowicz, O.: Langzeitanwendung eines Artischocken-Extraktes bei dyspeptischem Symptomkomplex. naturamed, 13. Jg., 17–26 (9/1998).
7. Abels, S. u. Eschmann, K.: Antidyspeptische und cholesterinsenkende Wirkung von Artischockenextrakt. Der Kassenarzt, 20, 44–50 (2000).
8. Englisch, W. et al.: Efficacy of artichoke dry extract in patients with hyperlipoproteinemia. Arzneim.-Forsch./Drug Res. 50 (I), Nr. 3 (2000).
9. Dorn, M.: Besserung erhöhter Lipidwerte durch Artischocken-Presssaft – Klinische Studie. Z. Phytother. 16, 2, 88 (1995).
10. Gebhardt, R.: Inhibition of cholesterol biosynthesis in primary cultured rat hepatocytes by artichoke (Cynara scolymus L.) Extracts. The J. of Pharmacol. and Exp. Ther. 286 (3), 122–128 (1998).
11. Schilcher, H.: Phytopharmaka und phytaminreiche Nahrungsmittel zur Prophylaxe und Therapie der Arteriosklerose. Ärztezeitschrift für Naturheilverfahren 43, 11 (2002).
12. Shimoda, H.et al.: Anti-hyperlipidemic sesquiterpenes and new sesquiterpene glycosides from the leaves of artichoke (Cynara scolymus L.): structure requirement and mode of action. Bioorg Med Chem Lett 13 (2): 223–228 (2003).
13. Brown, J. and Rice-Evans, C.: Luteolin-rich artichoke extract protects low density lipoprotein from oxidation in vitro. Free Rad. Res. Vol. 29, 247–255 (1998).
14. Schmidt, M. u. Kreimeyer, J.: Prävention der Arteriosklerose: der duale Wirkmechanismus von Artischockenblätterextrakt. Gesundes Leben 3/98.
15. Gebhardt, R.: Protektive antioxidative Wirkungen von Artischockenextrakt an der Leberzelle. Die Medizinische Welt, 46, 393–395 (1995).
16. Perez-Garcia, F. et al.: Activity of artichoke leaf extract on reactive oxygen species in human leukocytes. Free Rad. Res. 661–665 (2000).
17. Zapolska-Downar, D. et al. : Protective properties of artichoke (Cynara scolymus) against oxidative stress induced in cultured endothelial cells and monocytes. Life sciences, 71, 2897–2908 (2002).
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