Transkript
EDITORIAL
Die Interpretation eines Laborwerts, angepasst an die individuelle Situation des Patienten, ist genauso wichtig wie die saubere und exakte Durchführung eines Testverfahrens. Was so banal klingt, wird ausserhalb des Labors leider oft vergessen. Irgendeinen Wert schwarz auf weiss in Händen zu halten, hat offenbar eine derart suggestive Wirkung, dass die begleitenden Umstände nicht genügend bedacht werden.
So fahndete die Polizei in Süddeutschland, Österreich und Frankreich jahrelang nach einer vermeintlichen Diebin und Serienmörderin, deren DNA-Spuren man an rund 40 Tatorten gefunden hatte. Und was könnte schon exakter sein als der genetische Fingerabdruck? Man taufte die Unbe-
Phantomspuren
kannte nach dem ersten Tatort «Das Phantom von Heilbronn», ein im Nachhinein betrachtet unbeabsichtigt zutreffender Name, denn man war in der Tat einer Phantomspur gefolgt: Es gab gar keine Serientäterin, sondern die fragliche DNA stammte von kontaminierten Wattestäbchen und gehörte einer Mitarbeiterin des Herstellers, der die Kriminaltechniker belieferte. Man mag diese medienwirksame Geschichte als schillernden Einzelfall abtun, doch Fallstricke in der Präanalytik sind auch im medizinischen Alltag keine Seltenheit. So erläutert Katharina Rentsch in dieser Ausgabe sehr eindrücklich, warum es durchaus wichtig ist, dass Blutproben für bestimmte Messungen zur richtigen Zeit ins richtige Röhrchen abgenommen werden müssen.
Die Überinterpretation von Absolutwerten, wenn der Langzeittrend das eigentlich Entscheidende ist, kann Patienten wie behandelnden Ärzten das Leben schwer machen. Ein Beispiel dafür ist die HbA1c-Bestimmung bei Diabetikern. Die Messung an sich ist robust und wenig störanfällig. Doch obwohl internationale Fachgesellschaften Grenzwerte von 6,5 und 7,0 Prozent als optimal beziehungweise akzeptabel angeben, darf man nicht vergessen, dass eine Abweichung von bis zu 0,5 Prozent von der letzten Messung noch nicht zwingend relevant ist, sondern der Trend über einen längeren Zeitraum betrachtet werden muss. Warum das so ist und was dies für die Praxis bedeutet, schildert Roman Fried in einem Interview.
Papillomaviren, Gentests, Darmkrebsfrüherkennung, Thalassämie, Reisediarrhö und die Einschätzung der Bedeutung des neuen kardiovaskulären Risikofaktors Lp-PLA2 durch Arnold von Eckardstein sind weitere Themen dieser Ausgabe.
Renate Bonifer
1/2009
thema LABOR
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