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PNEUMOLOGIE
Phänotyp und Komorbiditäten beachten
Biologikatherapie bei schwerem Asthma: die Qual der Wahl
Die Indikation für den Einsatz von Biologika bei schwerem Asthma wird immer breiter gefasst. Gleichzeitig steigt die Zahl der verfügbaren Antikörper mit unterschiedlichen Wirkmechanismen. In der klinischen Praxis kann die Wahl des Biologikums anhand von Phänotypisierung und Komorbiditäten getroffen werden.
Die aktuellen Leitlinien zum Management des schweren Asthmas – wie beispielsweise jene der Global Initiative for Asthma (GINA) – geben für die Diagnosestellung zur Therapie mit einem Biologikum einen relativ simplen Weg vor. Treten bei Jugendlichen oder Erwachsenen trotz Behandlung mit inhalativen Kortikosteroiden in mittlerer oder hoher Dosierung oder oralen Steroiden in Erhaltungsdosis nach wie vor Symptome oder Exazerbationen auf, so müssen zunächst Diagnose, Inhalationstechnik und Adhärenz überprüft sowie die Komorbiditäten abgeklärt werden. In einem nächsten Schritt wird die inhalative Therapie optimiert und das Ergebnis nach drei bis sechs Monaten reevaluiert. Hat die Optimierung der Therapie nicht zur Kontrolle der Erkrankung geführt, so liegt schweres Asthma vor und die Betroffenen sind Kandidaten für eine Therapie mit einem Biologikum (1).
Bei schwerem Asthma sei grundsätzlich eine Phänotypisierung in «Type 2 high»- und «Non-Type 2»-Asthma indiziert, so Prof. Dr. Florence Schleich, Universität Liège, Belgien. Diese ist anhand der Eosinophilenzahl im Blut und/oder des fraktionierten exhalierten Stickstoffmonoxids (FeNO) möglich, wobei Eosinophilie und erhöhtes FeNO Marker einer Typ-2-Inflammation sind.
Grosse Biologikaauswahl nur bei «Type 2 high»Asthma Aus der Phänotypisierung resultiert eine Auswahl an Zielen, aus der sich die Wahl des Biologikums ergibt. Diese ist bei «Non-Type 2»-Asthma deutlich einfacher, denn in dieser Indikation steht aktuell genau ein Antikörper zur Verfügung, nämlich das gegen das Thymusstroma-Lymphopoietin (TSLP) gerichtete Tezepelumab. Sehr viel grösser ist die Auswahl hingegen bei «Type 2 high»-Asthma, an dem die Interleukine (IL) 4, 5 und 13 sowie im Falle des allergischen Asthmas auch IgE beteiligt sind und sich damit als Ziele für eine Therapie mit monoklonalen Antikörpern anbieten. TSLP stellt auch beim «Type 2 high»-Asthma ein potenzielles Ziel dar (2). Aktuell sind für die Asthmatherapie zugelassen: Omalizumab (AntiIgE), Mepolizumab (Anti-IL5), Reslizumab (Anti-IL5), Benralizumab (Anti-IL5R), Dupilumab (Anti-IL4R) sowie Tezepelumab (Anti-TSLP). Sie alle seien in den passenden Populationen gut wirksam und führten zu einer Reduktion akuter Exazerbationen in der Grössenordnung von 50 und mehr Pro-
zent, führt Schleich aus. Die Besonderheit des am Anfang der Entzündungskaskade eingreifenden Tezepelumab liegt darin, dass seine Wirksamkeit weitgehend unabhängig von der Eosinophilenzahl im Blut ist, während die gegen IL-5, IL-4 oder IL-13 gerichteten Biologika bei ausgeprägter Eosinophilie am wirksamsten sind. Der Anti-IgE-Antikörper Omalizumab ist speziell auf allergisches Asthma zugeschnitten.
Ausschlaggebend für die richtige Wahl angesichts dieser Auswahl sind Diagnostik und Anamnese. Schleich: «Wir müssen die Patienten sowohl nach ihren Symptomen als auch nach möglichen auslösenden Faktoren für ihr Asthma fragen.» Die Biomarker Eosinophilenzahl im Blut und FeNO erlauben die Unterscheidung zwischen «Type 2 high»- und «Non-Type 2»-Asthma. Hinzu kommen regulatorische Faktoren, die die Wahl eines bestimmten Biologikums vorgeben. So sind beispielsweise Reslizumab und Benralizumab in der EU und in der Schweiz erst ab 18 Jahren zugelassen, während Omalizumab, Mepolizumab (in der Schweiz erst ab 12 Jahren) und Dupilumab bereits bei Kindern ab 6 Jahren eingesetzt werden können. Für Tezepelumab besteht in der Schweiz eine Zulassung bei Erwachsenen. Regionale Unterschiede bei der Zulassung und insbesondere bei der Erstattung können die Wahl weiter einschränken.
Unterschiedliche Applikationswege, unterschiedliche Dosisintervalle Hinzu kommen technische Aspekte betreffend die Applikation. Reslizumab muss intravenös infundiert werden, alle anderen Asthmabiologika stehen zur subkutanen Applikation zur Verfügung, wobei bei Mepolizumab, Benralizumab, Dupilumab auch und bei Tezepelumab nur Autoinjektoren zum Einsatz kommen1. Hier kämen Patientenpräferenzen ins Spiel, so Schleich. Die subkutane Applikation mit dem Autoinjektor wird von vielen Patienten bevorzugt, während andere nicht in der Lage sind, sich selbst eine Injektion zu verabreichen. Bei i.v. Infusion ist der organisatorische Aufwand zu beachten. Die verschiedenen Biologika unterscheiden sich auch im Hinblick auf die Dosisintervalle, die zwischen alle zwei Wochen und alle zwei Monate liegen. Schleich: «Natürlich ist es für die Patienten bequemer, seltener injizieren zu müssen oder sich ihre
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Infusion zu holen. Allerdings hört man bei längeren Dosisintervallen auch immer wieder, dass in den Tagen vor der nächsten Dosis die Symptome wieder zunehmen.»
Hat man es mit einem Typ-2-Asthma zu tun, so bleiben die Möglichkeiten auch nach der Phänotypisierung zahlreich. In diesem Fall empfiehlt Schleich, mögliche Komorbiditäten zu erheben, zumal die meisten Biologika auch abseits des Asthmas bei anderen mit Typ-2-Inflammation assoziierten Erkrankungen wirksam beziehungsweise zugelassen sind. Schleich weist darauf hin, dass rund 40% der Patienten mit schwerem Asthma auch unter Nasenpolypen leiden. Damit ergibt sich in vielen Fällen die Möglichkeit, mehrere Probleme mit einer Therapie anzugehen. So ist Dupilumab in der Schweiz nicht nur bei Asthma, sondern auch bei atopischer Dermatitis (ab 6 Monaten), chronischer Sinusitis mit Nasenpolypen (bei Erwachsenen), eosinophiler Ösophagitis (ab 12 Jahren und mindestens 40 kg Körpergewicht), Prurigo nodularis (bei Erwachsenen) sowie als Add-on-Therapie bei erwachsenen Patienten mit chronisch obstruktiver Lungenerkrankung (COPD)* zugelassen. Für Omalizumab bestehen in der Schweiz Zulassungen bei chronischer spontaner Urtikaria (ab 12 Jahren) – nicht aber in der EU – sowie bei Nasenpolypen (ab 18 Jahren). Mepolizumab ist bei chronischer Rhinosinusitis mit Nasenpolypen (ab 18 Jahren), eosinophiler Granulomatose mit Polyangiitis (ab 18 Jahren) sowie beim HypereosinophilieSyndrom (ab 12 Jahren) indiziert.
Nasenpolypen sind Prädiktoren für gutes Ansprechen der Asthmatherapie Schleich betont, dass Nasenpolypen in Bezug auf die Asthmatherapie sogar ein günstiger prognostischer Marker seien und sich in Studien als Prädiktoren für gutes Ansprechen erwiesen hätten (3). Dies entspreche auch den Erfahrungen an ihrem Zentrum, wo gerade Patienten mit Polypen häufig als «SuperResponder» auffallen. Real-World-Daten zu den diversen Prädiktoren für ein hervorragendes Ansprechen auf Anti-IL-5/ Anti-IL-5R-Biologika wurden von ihrer Gruppe publiziert. Dazu gehören neben einer hohen Eosinophilenzahl im Sputum auch Nasenpolypen. Patienten, die sowohl eine hohe Eosinophilenzahl im Sputum als auch Nasenpolypen aufwiesen, sprachen ausnahmslos gut auf die Therapie an (4). An der komplexen Pathophysiologie der Polyposis nasi sind sämtliche Zytokine beteiligt, die auch bei Typ-2-Asthma eine Rolle spielen – darunter auch TSLP (5). Zwar bestehe aktuell keine Zulassung für Tezepelumab in dieser Indikation, doch spreche der Wirkmechanismus für Wirksamkeit und eine Indikation sei in Zukunft durchaus möglich, so Schleich.
* Die Zulassung in dieser Indikation erfolgte nach dem Vortrag.
Besteht neben schwerem Asthma eine komorbide atopische Dermatitis, so ist die Wahl des Biologikums einfach, denn eine Zulassung in beiden Indikationen besteht ausschliesslich für Dupilumab. Die Blockade des IL-4-Rezeptors durch Dupilumab führt zur Abheilung der für die atopische Dermatitis typischen Hyperplasien der Epidermis innerhalb weniger Wochen (6). Ebenso erleichtert eine komorbide Urtikaria die Wahl des Biologikums, denn Zulassung für diese Indikation besteht aus der Gruppe der genannten Biologika derzeit nur für Omalizumab.
Auswahlkriterium steroidsparende Wirkung Patienten mit schwerem Asthma stehen häufig unter Therapie mit hoch dosierten inhalativen oder oralen Steroiden. Biologikatherapien stellen ein geeignetes Mittel dar, systemische Steroidgaben zu vermeiden, aber auch eine Reduktion hoch dosierter inhalativer Steroide und damit der Steroid-Exposition zu erreichen. Dies konnte bislang allerdings nicht für alle in der Indikation schweres Asthma verwendeten Biologika demonstriert werden. Gehe es in einem konkreten Fall darum, ein Absetzen oraler Steroide zu erreichen, so seien Biologika vorzuziehen, für die entsprechende Daten vorlägen, erläutert Schleich. Für Mepolizumab (7), Benralizumab (8) und Dupilumab (9) konnte ein steroidsparender Effekt in randomisierten klinischen Studien gezeigt werden, für Omalizumab und Reslizumab liegen entsprechende Real-World-Daten vor. Für Tezepelumab konnte bislang kein vergleichbarer Effekt nachgewiesen werden.
Eine sehr spezielle Situation besteht im Falle einer Schwangerschaft. Omalizumab ist das Asthmabiologikum, für das die besten Daten für den Einsatz in der Schwangerschaft vorliegen, wie Schleich betont. Diese stammen aus einer Registerstudie mit 250 schwangeren Patientinnen, die mit Daten zu schwangeren Frauen aus einer kanadischen Asthmakohorte verglichen wurden. Dabei zeigten sich keine Hinweise auf kongenitale Auffälligkeiten bei Einsatz von Omalizumab (10). Abseits von Omalizumab besteht so gut wie keine Evidenz zum Einsatz von Biologika in der Schwangerschaft. Lediglich Fallberichte und Fallserien wurden publiziert. Schleich: «Wir wissen aber, dass monoklonale Antikörper im dritten Trimenon durch die Plazenta dringen können. Auswirkungen auf den Fötus sind daher denkbar. Dennoch führen Frauen ihre Biologikatherapien in der Schwangerschaft weiter. Bislang gibt es keine Alarmsignale, aber wir benötigen dringend ein Register, um die Auswirkungen dieser Therapien in der Schwangerschaft systematisch untersuchen und daraus Empfehlungen ableiten zu können.»
Reno Barth
Quelle: European Respiratory Society (ERS) Congress 2024, Session «Implementing new strategies and treatments in asthma and chronic obstructive pulmonary disease», am 9. September in Wien
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Referenzen: 1. Global Initiative for Asthma: www.ginasthma.org 2. Hammad H, Lambrecht BN: The basic immunology of asthma. Cell.
2021;184(6):1469-1485. doi:10.1016/j.cell.2021.04.019]. 3. Howarth P et al.: Severe eosinophilic asthma with nasal polyposis: A
phenotype for improved sinonasal and asthma outcomes with mepolizumab therapy. J Allergy Clin Immunol. 2020;145(6):1713-1715. doi:10.1016/j.jaci.2020.02.002. 4. Gerday S et al.: Super-responders to anti-IL-5/anti-IL-5R are characterised by high sputum eosinophil counts at baseline. Thorax. 2023;78(11):1138-1141. doi:10.1136/thorax-2022-219781. 5. Bachert C et al.: Biologics for chronic rhinosinusitis with nasal polyps. J Allergy Clin Immunol. 2020;145(3):725-739. doi:10.1016/j.jaci.2020.01.020. 6. Guttman-Yassky E et al.: Dupilumab progressively improves systemic and cutaneous abnormalities in patients with atopic dermatitis. J Allergy Clin Immunol. 2019;143(1):155-172. doi:10.1016/j.jaci.2018.08.022. 7. Bel EH et al.: Oral glucocorticoid-sparing effect of mepolizumab in eosinophilic asthma. N Engl J Med. 2014;371(13):1189-97. doi:10.1056/ NEJMoa1403291. 8. Nair P et al.: Oral Glucocorticoid-Sparing Effect of Benralizumab in Severe Asthma. N Engl J Med. 2017;376(25):2448-2458. doi:10.1056/ NEJMoa1703501. 9. Rabe KF et al.: Efficacy and Safety of Dupilumab in Glucocorticoid-Dependent Severe Asthma. N Engl J Med. 2018;378(26):2475-2485. doi:10.1056/NEJMoa1804093. 10. Namazy JA et al.: Pregnancy outcomes in the omalizumab pregnancy registry and a disease-matched comparator cohort. J Allergy Clin Immunol. 2020;145(2):528-536.e1. doi:10.1016/j.jaci.2019.05.019.
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