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GYNÄKOLOGIE/UROLOGIE
Die präkonzeptionelle Beratung
Die wichtigsten Präventionsmassnahmen vor einer Schwangerschaft
Die Präkonzeptionsberatung hat in den letzten Jahren weiter an Bedeutung gewonnen und wird immer komplexer. Dieser Artikel gibt eine Übersicht über die heutigen Herausforderungen und Bereiche, die es bei potenziellem Kinderwunsch zu erläutern gilt.
Laura Gabriel, Elisabeth Kapfhammer-Seltenheim, Leila Sultan-Beyer
Durch eine umfassende präkonzeptionelle Beratung können die mütterliche und die kindliche Morbidität und Mortalität gesenkt werden, dies zeigen auch neuere Daten aus der Schweiz. Die Frühgeburtenrate und die Rate an Neugeborenen mit einem Geburtsgewicht < 2000 g sind leicht abnehmend und betrugen 2021 in der Schweiz 6,3 respektive 2 Prozent (1). Im Jahr 2017 betraf die Müttersterblichkeit in der Schweiz 5 Todesfälle auf 100 000 Lebendgeburten und zeigt sich somit ebenfalls regredient (2).
Herausforderung in der Gesundheitsberatung
Trotz der breiten Etablierung der präkonzeptionellen Beratung ist es nach wie vor eine grosse Herausforderung, jene Frauen abzuholen, die von einer Beratung am meisten profitieren würden. Erfahrungsgemäss nehmen gerade diese Patientinnen Vorsorgeuntersuchungen weniger diszipliniert wahr. Von der WHO wird geschätzt, dass weltweit 40 Prozent aller
Schwangerschaften ungeplant sind (3). In westlichen Ländern wird die Rate von ungeplanten Schwangerschaften auf 15 bis 25 Prozent geschätzt (4, 5). Auch wenn mehr Frauen ihre Schwangerschaft planen, führt dies aber nicht automatisch zu einer Verbesserung der präkonzeptionellen Lebensgewohnheiten, wie eine dänische Studie zeigen konnte. Die meisten Frauen überschätzen ihren Gesundheitsstatus und suchen keine präkonzeptionelle Beratung auf (6). Bei der ungeplanten Konzeption findet keine Vorbereitung auf die Schwangerschaft statt, und bis zum Zeitpunkt der Diagnosestellung wird teilweise allfälliges Risikoverhalten fortgeführt. Dies ist umso problematischer, da die fetale Organogenese bis zum 56. Tag post conceptionem abgeschlossen ist und die Schwangeren ein immer höheres Alter aufweisen. Komplexer wird dieses Thema auch zunehmend durch die Grenzen und vor allem auch die Möglichkeiten der invasiven und nicht invasiven Pränataldiagnostik.
MERKSÄTZE
� Die präkonzeptionelle Beratung wird immer komplexer, und somit sollte der Kinderwunsch in Routinekontrollen/Jahreskontrollen aktiv erfragt und eine entsprechende Beratung durchgeführt werden.
� Eine optimale präkonzeptionelle Beratung senkt die mütterliche und kindliche Morbidität/Mortalität.
� Die Ernährung muss thematisiert werden, da z. B. eine mediterrane Ernährung Schwangerschaftskomplikationen verringern kann und bei veganer Ernährung eine spezifische Supplementierung und regelmässige Nährstoffkontrollen notwendig sind.
� Ungeplante Schwangerschaften sollten bei Frauen mit vorbestehenden mütterlichen Erkrankungen unbedingt vermieden werden. Die interdisziplinäre Planung ist von immenser Wichtigkeit.
Die Bereiche in der Vorsorge
Die Präkonzeptionsberatung kann in 3 Bereiche unterteilt werden (7): ▲ Risikoidentifikation ▲ Beratung ▲ Intervention. Damit diese umfassend erfolgen kann, ist es von essenzieller Bedeutung, den Kinderwunsch auch in Routinekontrollen wie der Jahreskontrolle aktiv anzusprechen. Patientinnen sollen auch über die Abnahme der Fertilität sowie die Zunahme von Schwangerschaftskomplikationen und Chromosomenanomalien mit steigendem Alter aufgeklärt werden. Hierbei geht es in erster Linie darum, ein Bewusstsein zu schaffen, aktiv die Familienplanung zu überdenken und weniger den Druck der «biologischen Uhr» zu betonen. Zur Risikoidentifikation gehören: ▲ ausführliche Anamnese inklusive Familienanamnese ▲ körperliche Untersuchung ▲ Überprüfung des Zahnstatus beim Zahnarzt mit einer all-
fälligen Sanierung präkonzeptionell
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Kasten 1:
Empfehlungen bei veganer Ernährung in der Schwangerschaft
Wenn die vegane Ernährung in der Schwangerschaft gewünscht ist, sollte gemäss der schweizerischen Ernährungskommission Folgendes beachtet werden (17): ▲ Involvierung einer Ernährungsfachkraft ▲ ausreichende Versorgung mit Vitamin B12, Eisen, Vitamin D durch
Blutkontrollen sicherstellen ▲ ausreichende Versorgung mit Jod, Zink, Selen, Kalzium, Ome-
ga-3-Fettsäuren über die Ernährung sicherstellen
Kasten 2:
Empfehlungen zur Supplementierung bei veganer Ernährung
Mögliche Supplementierung bei veganer Ernährung (20): ▲ Eisen 30 mg/Tag ▲ Omega 3 (DHA) 200 mg/Tag ▲ Kalzium 1200–1500 mg/Tag ▲ Vitamin B12 50 ug/Tag ▲ Vitamin D 1000 IU/Tag ▲ Jod 220 ug/Tag ▲ Zink 11 mg/Tag
▲ Screeninguntersuchungen (Pap[Papanicolaou]-Test/Abstriche, Serologien, Body-Mass-Index [BMI], Blutdruck, pränatales Testen bei Anamnese von Erbkrankheiten oder bei Konsanguinität)
Zur Beratung gehören: ▲ allgemeine Gesundheitsförderung ▲ Anpassung der Ernährung ▲ Empfehlungen zu Sport und Adaption von Trainingsge-
wohnheiten ▲ Erläuterung der Hygienemassnahmen hinsichtlich Infek-
tionskrankheiten ▲ Evaluation der psychosozialen Lebensbedingungen ▲ Erreichen eines optimalen Gewichts. Eventuelle Interventionen: ▲ Impfungen und Auffrischungsimpfungen (Röteln, Ma-
sern, Mumps, Varizellen, Hepatitis B) gemäss dem schweizerischen Impfplan. Nach der Applikation von Lebendimpfstoffen sollte eine sichere Antikonzeption für 4 Wochen erfolgen. ▲ Embryo-/fetotoxische Medikamente müssen präkonzeptionell angepasst oder umgestellt werden. Hierbei ist eine enge Zusammenarbeit mit den jeweiligen Spezialisten von Vorteil.
Body-Mass-Index
Frauen mit einem niedrigen BMI haben ein erhöhtes Risiko für eine intrauterine Wachstumsrestriktion, niedriges Geburtsgewicht und Frühgeburtlichkeit. Im Gegensatz dazu steigt bei adipösen Schwangeren die fetale und maternale Morbidität; sie haben ein erhöhtes Risiko für
die Entwicklung eines Gestationsdiabetes, einer Präklampsie und einer fetalen Makrosomie. Auch für die Geburt sind die Risiken für eine vaginaloperative Entbindung, Sectio caesarea, Schulterdystokie und Frühgeburtlichkeit erhöht (8). Bereits eine 10-prozentige Reduktion des präkonzeptionellen BMI bei übergewichtigen Frauen führt zu einer Risikoreduktion von rund 10 Prozent für die Entwicklung einer Präeklampsie, einer Frühgeburt, einer Makrosomie, eines intrauterinen Fruchttodes (IUFT) oder eines Gestationsdiabetes (9). Im Allgemeinen sollte ein strenges Augenmerk auf die Gewichtszunahme in der Schwangerschaft gelegt werden, angepasst auf den präkonzeptionellen BMI (10). Je nach Adipositasklasse soll die Gewichtszunahme angepasst werden: Adipositas Klasse I: 5 bis 9 kg, Adipositas Klasse II: 1 bis 5 kg; beiAdipositas Klasse III wird keine Gewichtszunahme empfohlen (11).
Ernährung und Nahrungsergänzungsmittel
Es empfiehlt sich, aktiv nach der Ernährungsform zu fragen, da sich immer mehr Frauen vegetarisch oder vegan ernähren. Dies wird von der Schwangeren aus Angst vor negativen Reaktionen häufig nicht erwähnt. Gerade die Zahl der Veganerinnen steigt stetig. Im Jahr 2021 lebten in der Schweiz rund 32 000 Veganerinnen (12). Die DACH-Organisation für Ernährung befürwortet die generelle Substitution von 200 mg Docosahexaensäure (DHA) pro Tag. Folsäure sollte in der Dosis von 400 µg täglich 3 Monate vor der Konzeption eingenommen werden, bei Neuralrohrdefekten in der Familienvorgeschichte oder Adipositas mit BMI > 30 sind perikonzeptionell 4 bis 5 mg Folsäure empfohlen. An Vitamin D sollten 600 IE/Tag eingenommen werden (13) und bei Hochrisikogravidität 1000 IE/Tag gemäss Royal College of Obstetricians and Gynaecologists (14). Neuere Studien zeigen, dass eine mediterrane Diät bereits zum Zeitpunkt der Konzeption die Rate an Schwangerschaftskomplikationen verringern kann. Die Assoziation war in den Studien grösser, je älter die werdende Schwangere war. Zudem scheinen eine erhöhte Aufnahme von Gemüse und eine verringerte Zufuhr von rotem und verarbeitetem Fleisch das Risiko für einen Gestationsdiabetes zu senken. Ein höherer Konsum von Gemüse, Früchten und Fisch kann das Risiko für eine Präeklampsie zudem verringern (15). Bei Frauen unter mediterraner Diät, welche im Verlauf einen Gestationsdiabetes entwickelten, zeigte sich kein erhöhtes Risiko für die typischen gestationsdiabetesassoziierten Risiken wie Frühgeburt, SGA (small for gestational age), LGA (large for gesational age), Sectio caesarea oder schwangerschaftsinduzierte Hypertonie (16). Da in der Schweiz kein generelles Toxoplasmosescreening mehr durchgeführt wird, ist es umso wichtiger, präkonzeptionell den Verzicht auf rohes Fleisch und Geflügel sowie die allgemeinen Hygienemassnahmen zu thematisieren.
Vegane Ernährung Die Ernährungskommission der Schweiz rät von einer veganen Ernährung in der Schwangerschaft ab (17). Ernährungskommmissionen anderer Länder unterstützen diese, sofern diese Ernährungsweise ärztlich sorgfältig überwacht wird. In Studien zeigte sich unter einer veganen Ernährung ein erhöhtes Risiko für SGA-Feten und Feten mit niedrigem Geburts-
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gewicht. Gleichzeitig war das Risiko für eine übermässige Gewichtszunahme in der Schwangerschaft vermindert (18, 19). Wichtig ist, der Schwangeren mitzuteilen, dass sie ohne spezifische Supplementierung die empfohlenen Werte nicht erreichen kann. Die Empfehlungen zur Supplementierung sind aber uneinheitlich; die Mikronährstoffe sollten daher regelmässig überprüft werden. Eine präkonzeptionelle Bestimmung und allfällige Korrektur von Vitamin B12, Hb, Ferritin, Vitamin D, Kalzium, Zink und TSH können einem gravierenden Mangel vorbeugen. In der Schwangerschaft empfiehlt es sich, in jedem Trimenon Vitamin B12, Hb, Ferritin und Vitamin D zu überprüfen (20) (Kasten 1 und 2).
Koffein
Die Einnahme von Koffein präkonzeptionell und in der Schwangerschaft sollte gemäss mehreren nationalen Guidelines 200 mg/Tag nicht überschreiten. Ein Review von 2021 konnte zeigen, dass mütterlicher Koffeinkonsum das Risiko für Abort, IUFT, SGA, akute Leukämie und Übergewicht im Kindesalter erhöht. Eine Konsumschwelle konnte bisher nicht festgelegt werden. Die Studienautoren empfehlen in Anbetracht dieser Ergebnisse, Schwangeren und Frauen mit Kinderwunsch von Koffeinkonsum abzuraten (21). Weitere Studien sind sicherlich nötig, um diese Ergebnisse zu bestätigen. Gleichzeitig konnte man zeigen, dass Frauen mit moderatem Koffeinkonsum im 2. Trimester weniger häufig einen Gestationsdiabetes entwickelten (22).
Zytomegalievirusinfektion
Bereits Frauen mit Kinderwunsch sollten über die Risiken einer Zytomegalievirus(CMV)-Infektion aufgeklärt und über die möglichen Hygienemassnahmen zu deren Vermeidung informiert werden. In Studien hat sich gezeigt, dass eine perikonzeptionelle Hygieneberatung das Risiko einer CMVPrimärinfektion in der Schwangerschaft um 50 bis 85 Prozent senken kann und somit sehr effektiv ist (23). Die Bestimmung des CMV-Serostatus präkonzeptionell ist mit der Patientin zu diskutieren. Falls dieser gewünscht ist, sollte er idealerweise präkonzeptionell bestimmt werden. Nach dem 1. Trimenon ist das Risiko für eine fetale Schädigung sehr gering. Zudem müssen der Patientin die Konsequenzen aus einem Screening erklärt werden (24). Wenn die aktuell zur Verfügung stehenden, noch nicht lange etablierten Off-label-Therapien einer CMV-Infektion abgelehnt würden, könnte man Verunsicherung und Kosten einsparen.
Fernreisen
Nicht selten ist unsere Meinung zu den Reiseplänen der Schwangeren gefragt. Grundsätzlich können werdende Mütter mit einer einfachen und unkomplizierten Schwangerschaft bis zum Ende der 36. Schwangerschaftswoche mit dem Flugzeug verreisen. Hierbei sind die internen Richtlinien der jeweiligen Fluggesellschaft zum Transport einer Schwangeren zu beachten. Zur Risikominimierung einer Thrombose soll die Schwangere ausreichend trinken, sich insbesondere während des Fluges regelmässig bewegen und angepasste Stützstrümpfe tragen. Das Reiseziel sollte sorgfältig ausgesucht werden, denn Reisen unter mangelhaften hygienischen Umständen und mit dem Risiko einer Durchfallerkrankung er-
höhen das Risiko für Komplikationen in der Schwangerschaft. Klar abgeraten wird von Reisen in Malariarisikogebiete und Länder mit Gelbfieber- und/oder Zika-Virus (25). Dies gilt präkonzeptionell und während der Schwangerschaft. Die Strahlenbelastung auf Langstreckenflügen ist niedriger als bisher angenommen; aufgrund kontroverser Datenlage sollte man aber trotzdem zurückhaltend sein mit Transatlantikflügen im 1. Trimenon.
Sport
Die Patientin sollte motiviert werden, sich präkonzeptionell, aber auch in der Schwangerschaft regelmässig zu bewegen. Körperliche Aktivität bringt viele Vorteile mit sich, so zum Beispiel einen verbesserten Muskeltonus, Reduktion von Rückenschmerzen, Regulierung der Gewichtszunahme, Reduktion von Ödemen und Blutzucker, Thromboseprävention sowie gesteigerte psychische und physische Leistungsfähigkeit. Nachteilig ist die erhöhte Verletzungsgefahr in der Schwangerschaft durch die Lockerung des Bindegewebes und die Gewichtszunahme mit Verlagerung des Körperschwerpunkts. Eine Blutumverteilung mit möglicher intermittierender Minderversorgung der fetoplazentaren Einheit und Anstieg der Körperkerntemperatur ist bei Hobbysportlerinnen nicht zu befürchten. Das American College of Obstetricians and Gynecologists (ACOG) empfiehlt zur Vorbeugung eine maximale maternale Herzfrequenz von 140 bpm während der sportlichen Aktivität. Die Trainingsintensität sollte im aeroben Bereich liegen. Risikosportarten, Kontaktsportarten und «Valsalva-Sport» wie zum Beispiel Gewichtheben sind zu vermeiden. Sehr zu empfehlen sind Schwimmen, Walking, Wandern und Radfahren. Grundsätzlich sollten die maternalen Aspekte wie Trainingszustand und Lebensgewohnheiten vor der Schwangerschaft, aber auch der bisherige Schwangerschaftsverlauf in den Trainingsplan einfliessen (8, 26).
Vorbestehende maternale Erkrankungen
Immer mehr Frauen mit vorbestehenden Erkrankungen, auch schweren internistischen Erkrankungen, erreichen das fertile Alter. Frauen dieses Kollektivs und solche mit Autoimmunerkrankungen, Status nach Transplantation oder onkologischen Vorerkrankungen sollten ungeplante Schwangerschaften unbedingt vermeiden und bei Kinderwunsch interdisziplinär beraten werden. Die Mortalitätserhöhung beginnt bei diesen Frauen bereits in der Frühschwangerschaft, ein interdisziplinäres Management ist von essenzieller Bedeutung, und die Schwangerschaftsbetreuung sollte durch einen fetomaternalen Spezialisten durchgeführt werden. Rund 9 Prozent aller Frauen in der Schweiz im fertilen Alter sind adipös (BMI > 30 kg/m2) (1). Mit der steigenden Prävalenz nimmt auch der Anteil an bariatrischen Eingriffen zu. Nach der bariatrischen Chirurgie kommt es häufig durch den massiven Gewichtsverlust zu einem raschen Wiedereintritt der Fertilität. Eine Schwangerschaft sollte unmittelbar nach der Operation in der Phase des Gewichtsverlustes vermieden werden, da in dieser Phase potenziell die Gefahr der Minderversorgung der Schwangeren und des Fetus besteht. Die Patientin muss diesbezüglich ausführlich aufgeklärt und das empfohlene Antikonzeptionsintervall soll zwingend eingehalten werden. Für eine genaue Zeitangabe gibt es nur wenig Evidenz; empfehlenswert erscheinen 12 bis 24 Monate nach
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dem Eingriff. Aufgrund einer veränderten Resorption nach bariatrischen Operationen ist von einer oralen Antikonzeption abzusehen (27, 28). Diabetes mellitus Typ 1 und Typ 2 haben ebenfalls eine steigende Prävalenz. So hat in Deutschland bereits 1 Prozent aller Gebärenden einen Diabetes mellitus Typ 1 oder Typ 2. Eine gute Blutzuckereinstellung, das heisst ein HbA1c < 7 Prozent, ist bei Konzeption essenziell. Bei höheren HbA1c-Werten soll zur Kontrazeption geraten werden, bis eine normale Stoffwechseleinstellung erfolgt ist. Patientinnen mit Typ-1-Diabetes müssen darüber aufgeklärt werden, dass erhöhte Blutzuckerwerte zu einem erhöhten Risiko für kongenitale Fehlbildungen, intrauterinem Fruchttod, Schwangerschaftskomplikationen, aber auch Gefahr des Fortschreitens von diabetesassoziierten Folgeerkrankungen wie Retinopathie, Nephropathie oder kardiovaskulären Vorerkrankungen führen. Das Fehlbildungsrisiko liegt in Studien insgesamt zwischen 5 und 9,8 Prozent. Bei Typ-1-Diabetikerinnen ist schon präkonzeptionell die Blutzuckereinstellung mittels Pumpe/ Sensor dringend empfohlen (29). «Window of opportunity» Die präkonzeptionelle Beratung sollte als Chance gesehen werden, die Gesundheit nachhaltig zu verbessern und un- günstige Lebensgewohnheiten abzulegen. Durch eine Opti- mierung der Lebensgewohnheiten bereits präkonzeptionell kann die werdende Schwangere massgeblich zur eigenen ge- sundheitlichen Zukunft sowie zu der ihres ungeborenen Kin- des beitragen. ▲ Dr. med. Laura Gabriel (Erstautorin, Korrespondenzadresse) E-Mail: laura.gabriel@ksw.ch Dr. med. Elisabeth Kapfhammer-Seltenheim Dr. med. Leila Sultan-Beyer Departement Geburtshilfe und Gynäkologie Kantonsspital Winterthur 8401 Winterthur Interessenkonflikte: keine. Quellen: 1. www.bfs.admin.ch (05.12.2022) 2. www.knoema.de/atlas/Schweiz/topics/Gesundheit/Gesundheitsstatus/ Müttersterblichkeitsrate (05.12.2022) 3. 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