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DIABETOLOGIE
pAVK: Besonderheiten beim Diabetes
Besonders gefährdet für die Entwicklung einer peripheren arteriellen Verschlusskrankheit (pAVK) sind Raucher und Diabetiker. Bei Diabetikern müssen zudem einige Besonderheiten im Hinblick auf Anatomie und Therapie der pAVK beachtet werden.
Christiane Tiefenbacher
Schon lange ist bekannt, dass Diabetes mellitus (DM) einer der Hauptrisikofaktoren für die Ausbildung atherosklerotischer Gefässerkrankungen wie der koronaren Herzkrankheit (KHK) und der pAVK ist. In einer neueren amerikanischen Erhebung (1) mit über 116 000 Patienten, die erstmals eine Koronarangiographie erhielten und von denen 21 Prozent an DM erkrankt waren, zeigte sich eine direkte Korrelation der Inzidenz einer pAVK zum einen zur Ausprägung einer KHK, zum anderen zum Vorliegen eines DM. So hatten bei Patienten ohne KHK 8,8 Prozent der Diabetiker und nur 4,9 Prozent der Nichtdiabetiker eine pAVK. Bei Patienten mit ausgeprägter KHK lag bei 13 Prozent der Diabetiker und bei 8 Prozent der Nichtdiabetiker eine pAVK vor. Die Daten zeigen, dass das Vorliegen eines DM mit einem erhöhten Risiko für eine
MERKSÄTZE
� Die Kombination pAVK plus Diabetes mellitus birgt ein besonders hohes Risiko.
� Periphere atherosklerotische Veränderungen sind bei Diabetikern häufig diffuser und distaler und häufiger mit einer Neuropathie vergesellschaftet.
� In der Regel gibt die Bestimmung des Knöchel-Arm-Indexes (ABI) hinreichende Anhaltspunkte für eine pAVK; Alternative bei Mediasklerose ist die Oszillographie.
� Ein ABI-basiertes Screening wird 1-malig bei der Diagnose DM empfohlen, danach alle 5 bis 10 Jahre, wenn initial o. B.
� Jährlich sollten Symptome abgefragt und der Pulsstatus überprüft werden. Kardiovaskuläre Risikofaktoren sollen nach aktuellen Leitlinienempfehlungen behandelt werden. Gehtraining ist v. a. im Rahmen überwachter Programme effektiv. Gefässerweiternde Medikamente bringen vergleichsweise wenig.
� Amputationen können durch eine Kombination aus Antibiotika, Debridement, Revaskularisation und stufenweisem Wundverschluss häufig vermieden werden.
pAVK assoziiert ist. Bei Diabetikern sollte daher auf das Vorliegen einer pAVK gescreent werden (Abbildung) – vor allem wenn eine fortgeschrittene KHK bekannt ist.
Anatomische Besonderheiten
Mediasklerose als Sonderform der Makroangiopathie Unter Mediasklerose versteht man eine Kalzifizierung der Gefässmittelschicht (Media), meist im Bereich der Unterschenkelarterien. Betroffen sind vor allem Diabetiker. Die Mediasklerose führt dazu, dass sich die Gefässe mit einer Blutdruckmanschette nicht komprimieren lassen und dadurch eine Bestimmung Knöchel-Arm-Index (ankle-brachial index, ABI) nicht möglich ist oder falsch-hohe Werte bestimmt werden. Als diagnostische Alternative kann in solchen Fällen die semiquantitative Methode der Oszillographie eingesetzt werden, mit der im Seitenvergleich Blutdruckamplituden erfasst und als Hinweis für eine pAVK gewertet werden können. In einer Untersuchung von Janka (2) wiesen beispielsweise 56 (9%) von 623 ambulanten Diabetikern eine ausgeprägte Mediasklerose der Unterschenkelarterien auf. Neben dem Befund nichtsupprimierbarer Dopplersignale wurde das Vorliegen einer Mediasklerose durch Röntgenweichteilaufnahmen verifiziert. Alle Patienten mit Mediasklerose erhielten zur weiteren Abklärung eine oszillographische Untersuchung, mit der bei 51 Prozent der Verdacht auf eine pAVK erhärtet werden konnte. In dieser Studie war das Vorliegen einer Mediasklerose assoziiert mit dem Lebensalter sowie mit einem lange bestehenden DM. Es zeigte sich ausserdem eine genetische Prädisposition durch eine Häufung der für den juvenilen DM typischen humanen Leukozytenantigene (HLA) B8, B15 und B18.
Diabetischer Fuss Durch eine Kombination aus Makro- und Mikrozirkulationsstörungen durch pAVK und zusätzlich Vorliegen einer diabetischen Neuropathie kommt es beim diabetischen Fuss – häufig nach Bagatellverletzungen – zu den typischen Ulzerationen mit hoher Infektionsrate und schlechter Wundheilung. Dem diabetischen Fusssyndrom kommt eine prognostische Bedeu-
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Kasuistik: Der lange Weg zur richtigen Diagnose
Der 67 Jahre alte Hubert K. ist seit vielen Jahren Diabetiker. Mit den Tabletten nimmt er es nicht so genau, und zum Arzt geht er nicht so gerne. Ausserdem raucht er schon von Jugend an etwa 1 Schachtel Zigaretten pro Tag. Seit einigen Monaten bemerkt er Schmerzen beim Laufen vor allem links in Oberschenkel und Wade. Deshalb kann er sein Bein nicht richtig belasten und bleibt beim Gang zum Zigarettenautomaten mit dem Fuss am Trottoirrand hängen. Die kleine Schürfwunde, die er sich dabei zuzieht, will und will nicht heilen. Er vermutet, dass die Schmerzen von der Wirbelsäule kommen, und stellt sich beim Orthopäden vor. Der macht eine Spritzentherapie, die aber kaum zu einer Verbesserung der Beschwerden führt. Ausserdem wird die Wunde am Fuss grösser. So geht Herr K. dann doch zu seiner Hausärztin, um mit ihr die Problematik zu diskutieren. Die Hausärztin vermutet – bei entsprechendem Risikofaktorenprofil – eine periphere arterielle Verschlusskrankheit (pAVK) als Ursache der Beschwerden. Sie erhebt folgende Befunde: Poplitealpuls rechts abgeschwächt, links nicht tastbar; Fusspulse beidseits nicht tastbar; beginnend nekrotisches Ulkus im Bereich der Grosszehe links. Labor: Hämoglobin A1c (HbA1c) 9,4%; C-reaktives Protein (CRP) 25 mg/dl; glomeruläre Filtrationsrate (GFR) 35; LDL(low-density lipoprotein)-Cholesterin 167 mg/dl; Knöchel-Arm-Index (ankle-brachial index, ABI) rechts 1,5, links 1,6. Bei Verdacht auf pAVK Überweisung zur Angiologin. Die Angiologin erhebt folgende Befunde: Duplexsonografie: diffuse pAVK; V. a. hochgradige Stenose der A. femoralis superficialis (AFS) links, V. a. Stenosen aller 3 Unterschenkelarterien bei Mediasklerose; Planung einer Katheteruntersuchung (digitale Subtraktionsangiografie, DSA) in Ballondilatations(PTA [perkutane transluminale Angioplastie])-Bereitschaft. Im Rahmen der DSA Ballondilatation und Stentimplantation der AFS links. Empfohlene Medikation: duale Thrombozytenaggregationshemmung (Acetylsalicylsäure [ASS]/Clopidogrel) für 4 Wochen, im Anschluss singuläre Thrombozytenaggregationshemmung lebenslang; antidiabetische Therapie mit Metformin/SGLT2(sodium-glucose linked transporter 2)-Inhibitor, Anpassung nach HbA1c, cholesterinsenkende Therapie mit Statin (Ziel-LDL: 55 mg/dl). Weitere Massnahmen: Blutdruckkontrollen, ggf. Screening auf koronare Herzkrankheit, Gehtraining, Nikotinkarenz, Wundversorgung, ggf. antibiotische Therapie/orthopädischer Schuh.
tung zu: Die 5-Jahres-Überlebensrate beträgt nur etwa 50 Prozent. In einer Analyse von Krankenkassendaten (21 197 hospitalisierte Patienten mit DM + pAVK) zeigten sich eine gegenüber Patienten ohne DM signifikant höhere Mortalität und eine höhere Amputationsrate, besonders bei begleitender KHK. Bei begleitender Neuropathie zeigten nur 25 Prozent der Patienten mit Diabetes und pAVK klinische Symptome. Dies erklärt, warum die pAVK bei Diabetikern häufig erst im Stadium der kritischen Extremitätenischämie beziehungsweise des diabetischen Fusssyndroms bemerkt wird.
Therapeutische Besonderheiten
Antidiabetika Bisher liegt keine Evidenz für eine Verbesserung der pAVK durch strenge Blutzuckerkontrolle vor. In der grossen UKPDS(United Kingdom Prospective Diabetes Study)-Studie wurde beispielsweise keine signifikante Reduktion der Amputationshäufigkeit durch eine intensive Diabetestherapie
erzielt. Allerdings verringerte eine gute Glykämiekontrolle mikrovaskuläre Komplikationen, die zum Beispiel beim diabetischen Fusssyndrom häufig eine Rolle spielen. In der aktuellen Leitlinie der European Society of Cardiology (ESC) zur Therapie der pAVK (3) wird daher eine strikte Glykämiekontrolle bei Diabetikern mit einem Empfehlungsgrad 1C (Expertenmeinung) gegeben. In den grossen klinischen Studien für die neuen oralen Antidiabetika wurden teilweise Endpunkte wie Amputationsrate oder auch mikrovaskuläre Ereignisse untersucht. Für den SGLT2(sodium-glucose linked transporter 2)-Inhibitor Canagliflozin zeigte sich eine erhöhte Amputationsrate (4), während sich dieser Effekt mit Dapagliflozin nicht nachweisen liess. Für Empagliflozin wurde im Rahmen der EMPA-REGOUTCOME-Studie eine Subgruppenanalyse von Patienten mit Diabetes mellitus und pAVK (623/7022) durchgeführt. Hierbei zeigte sich neben einer signifikanten Verringerung der kardiovaskulären Ereignisrate und der Gesamtmortalität kein erhöhtes Risiko für Amputationen. Letztendlich ist unklar, ob es sich bei der gesteigerten Amputationsrate durch Canagliflozin um einen substanzspezifischen Effekt, die Limitationen einer Subgruppenanalyse, das Studiendesign oder Zufall handelt. Canagliflozin sollte demnach bei Patienten mit Amputationsrisiko nicht eingesetzt werden. GLP(glucagon-like peptide)-1-Rezeptor-Antagonisten hatten in den Zulassungsstudien sämtlich keinen Einfluss auf die Amputationsrate.
Cholesterinsenkung Patienten mit Diabetes und dokumentierter kardiovaskulärer Erkrankung gelten als Hochrisikopatienten für kardiovaskuläre Ereignisse und sollten nach aktuellen Empfehlungen (ESC-Lipidleitlinie) eine Senkung des LDL-Cholesterin-Spiegels von mindestens 50 Prozent sowie zusätzlich einen Gesamt-LDL-Cholesterin-Spiegel von unter 55 mg/dl erreichen. Um die Ziele erreichen zu können, sollten die derzeit zur Verfügung stehenden cholesterinsenkenden Medikamente nach dem empfohlenen Stufenschema eingesetzt werden.
Antithrombotische Therapie Eine lebenslange Thrombozytenaggregationshemmung mit Acetylsalicylsäure (ASS) oder Clopidogrel wird für alle Patienten mit symptomatischer pAVK zur Senkung der kardiovaskulären Ereignisrate empfohlen. Bei asymptomatischen Patienten mit pAVK wird dagegen keine Thrombozytenaggregationshemmung empfohlen. Dies gilt auch für Diabetiker: In der POPADAD-Studie (5) zeigte sich bei Patienten mit asymptomatischer pAVK und DM kein Vorteil einer Behandlung mit ASS versus Plazebo im Hinblick auf die Kombination aus kardiovaskulären Endpunkten, Amputations- und Blutungsrate. In der COMPASS-Studie (6) wurde bei Patienten mit ausgeprägter Atherosklerose eine Kombinationstherapie aus niedrig dosiertem Rivaroxaban und ASS versus ASS allein verglichen. In einer Subgruppenanalyse von Patienten mit versus ohne DM zeigten sich eine vergleichbare relative Risikoreduktion des primären Endpunkts (kardiovaskulärer Tod, Myokardinfarkt, Schlaganfall) sowie ein vergleichbares Blutungsrisiko. Aufgrund der höheren absoluten Risikoreduktion (2,3% vs. 1,4%) war die Anzahl der zu behandelnden Patienten mit DM, um einen Endpunkt zu vermeiden, über 3 Jahre
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Klinischer Verdacht Symptome oder körperliche Untersuchung bei Diabetespatienten
NEIN PAE-Screening auf der Basis von ABI erwägen
JA Siehe ESC-Leitlinien
zu PAE für die Diagnostik
>1,30
ABI 1,0–1,30
0,91–1,00
< 0,90 Signifikante pAVK unwahrscheinlich, alle 2 bis 3 Jahre neu bewerten pAVK liegt vor; Sekundärpräventionsmassnahmen erwägen; an Spezialisten überweisen, wenn ABI < 0,71 Normal TBI oder Doppler Abnormal PAE: «peripheral arterial embolism», ABI: «ankle-brachial index», ESC: European Society of Cardiology, TBI: «toe-brachial index» Abbildung: Screening auf periphere arterielle Verschlusskrankheit (pAVK) bei Patienten mit Diabetes mellitus (nach [8]) niedriger (44 vs. 74). Die ESC/EASD(European Association for the Study of Diabetes)-Leitlinie (7) empfiehlt daher eine Behandlung mit ASS und niedrig dosiertem Rivaroxaban für Patienten mit DM und pAVK ohne hohes Blutungsrisiko. Im Positionspapier der deutschen Fachgesellschaften wird eine duale antithrombotische Therapie für Patienten mit DM und hohem Risiko für ischämische Ereignisse empfohlen. s Prof. Dr. med. Christiane Tiefenbacher Chefärztin Klinik für Kardiologie, Angiologie und Pneumologie Marien-Hospital Wesel Pastor-Janßen-Str. 8–38 D-46483 Wesel Interessenlage: Die Autorin hat keine Interessenkonflikte deklariert. Dieser Artikel erschien erstmals in «doctors today» 5/23. Die leicht bearbeitete Übernahme erfolgt mit freundlicher Genehmigung von Verlag und Autorin. Literatur: 1. Kamil S et al.: Diabetes and risk of peripheral artery disease in patients undergoing first-time coronary angiography between 2000 and 2012 – a nationwide study. BMC Cardiovasc Disord 2019; 19(1):234. 2. Janka HU et al.: Mediasklerose bei Diabetikern – eine Sonderform der Makroangiopathie. Vasa. 1980;9(4):281-285. 3. Aboyans V et al.; ESC Scientific Document Group: 2017 ESC Guidelines on the Diagnosis and Treatment of Peripheral Arterial Diseases, in collaboration with the European Society for Vascular Surgery (ESVS). Eur Heart J. 2018;39(9):763-816. 4. Neal B et al.: Canagliflozin and cardiovascular and renal events in type 2 diabetes. N Engl J Med. 2017;377(7):644-657. 5. Hess CN et al.: A structured review of antithrombotic therapy in peripheral artery disease with a focus on revascularization: a TASC (InterSociety Consensus for the Management of Peripheral Artery Disease) initiative. Circulation. 2017;135(25):2534-2555. 6. Bhatt DL et al.: Role of combination antiplatelet and anticoagulation therapy in diabetes mellitus and cardiovascular disease: insights from the COMPASS trial. Circulation 2020;141(23):1841-1854. 7. Cosentino F et al.; ESC Scientific Document Group: 2019 ESC guidelines on diabetes, pre-diabetes, and cardiovascular diseases developed in collaboration with the EASD. Eur Heart J. 2020;41(2):255-323. 8. Visseren FLJ et al.; ESC National Cardiac Societies; ESC Scientific Document Group: ESC Guidelines on cardiovascular disease prevention in clinical practice. Eur Heart J. 2021;42(34):3227-3337. Prädiabetes – Bauchfett spielt wichtige Rolle für Remission Forscher des DeutschenZentrums für Diabetesforschung (DZD) untersuchten in der Prädiabetes Lifestyle Intervention Study (PLIS), inwieweit auf einen Prädiabetes Einfluss genommen werden kann. In der mulizentrischen Studie wurden 1105 Personen mit Prädiabetes ein Jahr lang angeleitet, sich gesund zu ernähren und vermehrt zu bewegen. Ob die Probanden mit diesem Programm eine Remission erreichten, war jedoch nicht allein vom erzielten Gewichtsverlust abhängig: Unter denen, die min- destens 5 Prozent an Gewicht abnahmen (n = 298), erreichten nur 43 Prozent eine Remission. Sie unterschieden sich von den anderen dadurch, dass sie mehr viszerales Bauchfett abgebaut hatten und empfindlicher auf Insulin reagierten. Bei ihnen war das Risiko, einen manifesten Diabetes Typ 2 zu entwickeln, noch bis zu 2 Jahre später deutlich geringer. Zudem funktionierten die Nieren besser, und auch die Gefässe waren in einem besseren Zustand. Die Reduktion des viszeralen Bauchfetts scheint bei prädiabetischer Stoffwechsellage von entscheidender Bedeutung, wenn es darum geht, eine Remission zu erreichen – und sollte den DZD-Forschern zufolge erklärtes Therapieziel sein. Die Wahr- scheinlichkeit für eine Remission steigt ihren Ergebnissen zufolge, wenn es gelingt, das Körpergewicht um 5 Prozent und den Bauchumfang um etwa 4 cm bei Frauen und 7 cm bei Männern zu reduzieren. Mü Quellen: Deutsches Zentrum für Diabetesforschung (DZD)/Pressemitteilung, 26.09.2023; Sandforth A et al.: Mechanisms of weight loss-induced remission in people with prediabetes: a post-hoc analysis of the randomised, controlled, multicentre Prediabetes Lifestyle Intervention Study (PLIS). Lancet Diabetes Endocrinol. 2023;S2213-8587(23)00235-8. ARS MEDICI DOSSIER II+III | 2024 11