Transkript
RHEUMATOLOGIE/DERMATOLOGIE
Neues zur rheumatoiden Arthritis
Sicherheitsprofile aktueller Therapeutika und neue Ansätze
In der Eröffnungssitzung des Jahreskongresses der Schweizerischen Gesellschaft für Rheumatologie wurden die Highlights des Jahres in kondensierter Form vorgestellt. Auf dem Gebiet der rheumatoiden Arthritis übernahm diese Aufgabe Prof. Dr. med. Gerd Burmester, Charité-Universitätsmedizin, Berlin. Er sprach über aktuelle Daten zur Sicherheit von Januskinase-Inhibitoren sowie über neue therapeutische Ansätze.
Burmester begann seinen Vortrag mit den Resultaten der ORAL-Surveillance-Studie, einer randomisierten, offenen Nichtunterlegenheitsstudie mit einem Sicherheitsendpunkt, die den Januskinase(JAK)-Hemmer Tofacitinib mit einem TNF-a-Blocker verglich (1). «Das ist wohl die Arbeit, die in den letzten Wochen und Monaten am meisten diskutiert wurde», sagte er. Für die Studie erhielten Patienten mit rheumatoider Arthritis (RA) ab 50 Jahren mit mindestens 1 kardiovaskulären Risikofaktor entweder Tofacitinib 5 mg beziehungsweise 10 mg 2-mal täglich plus Methotrexat (MTX) oder einen TNF-a-Blocker (Adalimumab bzw. Etanercept) (Tofacitinib 5 mg: n = 1455; Tofacitinib 10 mg: n = 1456; TNF-a-Blocker: n = 1451). Das mediane Follow-up betrug 4 Jahre. «Die Studie konnte eine Nichtunterlegenheit von Tofacitinib in Bezug auf ein kardiovaskuläres Risiko beziehungsweise das Risiko für Tumoren nicht beweisen», erklärte Burmester. Die Inzidenz von schwerwiegenden kardiovaskulären Ereignissen (MACE) und Tumoren war unter dem JAK-Inhibitor höher als in der Vergleichsgruppe. So traten MACE bei 3,4 Prozent der Patienten unter Tofacitinib und bei 2,5 Prozent derer unter TNF-a-Blocker auf. Malignome wurden bei 4,2 beziehungsweise 2,9 Prozent der Studienteilnehmer registriert. Burmester wies darauf hin, dass die höhere Rate an Malignomen unter Tofacitinib hauptsächlich auf das Konto von Studienteilnehmern aus Nordamerika ging. «Ursächlich spielen hier letztlich vermutlich Faktoren wie der Tabakkonsum oder auch Übergewicht eine Rolle», sagte er. «Eine weitere Analyse hat gezeigt, dass vor allem Personen mit einer Koronarerkrankung in der Vorgeschichte, insbesondere wenn sie bereits einen Herzinfarkt hatten, zu vermehrten kardiovaskulären Ereignissen neigten», erläuterte Burmester weiter (2). Dies bedeutet, dass Patienten vor dem Beginn einer Behandlung mit Tofacitinib immer entsprechend befragt werden sollen.
Real-World-Daten ergeben ein anderes Bild
Am diesjährigen EULAR präsentierte Real-World-Daten aus Deutschland lieferten keinen statistischen Beweis für ein erhöhtes Malignomrisiko bei Behandlung mit einem JAK-Hemmer im Vergleich zu einem TNF-a-Hemmer (3). Eine Arbeit aus Korea mit einer längeren Nachbeobachtungszeit als die
Studie ORAL Surveillance konnte ebenfalls kein erhöhtes Risiko für Karzinome unter JAK-Hemmern nachweisen (4). Burmester erwähnte hier im Weiteren die JAK-POT-Studie, an der auch das Universitätsspital Genf beteiligt war, sowie eine Arbeit aus Dänemark (5, 6). Beide fanden unter Alltagsbedingungen kein erhöhtes kardiovaskuläres Risiko unter JAK-Hemmern im Vergleich zu TNF-a-Blockern. Aus dem SELECT-Studienprogramm liegen mittlerweile auch Daten einer Post-hoc-Analyse zum kardiovaskulären und zum Tumorrisiko unter Upadacitinib im Vergleich zu Adalimumab plus MTX beziehungsweise einer Monotherapie mit MTX vor, darunter auch aus einer Teilpopulation mit erhöhtem kardiovaskulären Risiko (7). «Die Studie zeigte keine Unterschiede im kardiovaskulären Risiko zwischen den Behandlungsgruppen, auch nicht bei Patienten mit erhöhtem kardiovaskulären Risiko», berichtete der Experte. Auch hinsichtlich des Risikos für die Entwicklung von Tumoren liessen sich keine Unterschiede ermitteln. Eine grosse Metaanalyse stellte fest, dass die Behandlung mit einem JAK-Hemmer im Vergleich zu Plazebo oder MTX mit einem höheren Risiko für Malignome assoziiert ist (8). Allerdings zeigte sich, dass diese Assoziation hauptsächlich auf die Resultate der Studie ORAL Surveillance zurückzuführen war. «Insgesamt gesehen, handelt es sich hier also um recht beruhigende Daten», fand Burmester.
Paraoxonase 1 – Enzym zur Erstellung eines Risikoprofils?
Charles-Schoeman et al. publizierten soeben die Resultate ihrer Post-hoc-Analyse zum Zusammenhang zwischen der Aktivität des Enzyms Paraoxonase-1 (PON1) und dem Risiko für MACE sowie Tumoren bei Personen mit RA unter Behandlung mit Tofacitinib (9). PON1 ist ein wichtiges, mit dem HDL(high-density lipoprotei)-Cholesterin assoziiertes Enzym, das hauptsächlich in der Leber synthetisiert wird. Wie die Analyse zeigte, ist eine erhöhte PON1-Aktivität mit einem signifikant reduzierten Risiko für künftige MACE und Tumoren (mit Ausnahme von Nicht-Melanom-Hauttumoren) verbunden. «PON1 könnte also womöglich zur Erstellung eines Risikoprofils eingesetzt werden», so Burmester.
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RHEUMATOLOGIE/DERMATOLOGIE
Zusätzliche Hemmung von TYK2
Burmester beschäftigte sich auch mit neuen Therapieansätzen bei der RA. Dazu gehört unter anderem TLL-018, ein hoch selektiver dualer Hemmer von JAK1 und der ebenfalls zur Familie der JAK gehörenden Tyrosinkinase 2 (TYK2). TYK2 ist in die Signalwege von IFN-a und IFN-β sowie IL-12 involviert. Darüber hinaus beeinflusst es die Signaltransduktion von IL-6, IL-10 und IL-23. Zeng et al. verglichen in ihrer Phase-IIa-Studie bei Patienten mit mittelgradiger bis schwerer RA, die auf MTX ungenügend angesprochen oder dieses nicht vertragen hatten, TLL-018 (2-mal täglich 10, 20 oder 30 mg) mit Tofacitinib (2-mal täglich 5 mg) (10). Unter den Teilnehmern (n = 101) waren 50 Prozent mit einem biologischen krankheitsmodifizierenden Antirheumatikum (bDMARD) und 30 Prozent mit einem JAK-Hemmer vorbehandelt. Der primäre Endpunkt der Studie war das Erreichen eines ACR50-Ansprechens nach 12 Wochen. Die TLL-018-Dosierungen von 20 und 30 mg erwiesen sich als signifikant besser im Vergleich zu Tofacitinib. Die Behandlung wurde als gut verträglich beurteilt. Es traten keine venösen Thromboembolien, MACE oder Todesfälle auf. «TLL-018 ist sicherlich ein interessanter JAK1/TYK2Hemmer, der es wert ist, weiter untersucht zu werden», sagte Burmester.
PD-1-Agonist in Phase-II-Studie erfolgreich
Ebenfalls in einer Studie der Phase II untersuchten Tuttle et al. Peresolimab, einen monoklonalen Immunglobulin-G1Antikörper, der das «programmed cell death protein 1» (PD-1) stimuliert (11). «Im Gegensatz zur Onkologie, wo PD-1Hemmer eingesetzt werden, haben wir es hier mit einem PD-1-Agonisten zu tun. Er soll bei der RA die Entzündungsaktivität herunterregulieren», erläuterte der Referent. In dieser Studie wurden 98 Patienten mit mittelschwerer bis schwerer RA untersucht, die auf verschiedene Vortherapien (konventionelle, synthetische und biologische DMARD) ungenügend angesprochen hatten. Sie erhielten intravenös Peresolimab 300 oder 700 mg beziehungsweise Plazebo alle 4 Wochen. Der primäre Endpunkt, eine signifikante Verbesse-
rung des DAS28-CRP-Scores in Woche 12 gegenüber Base-
line, konnte unter beiden Dosierungen erreicht werden. Das
Sicherheitsprofil unterschied sich zwischen den 3 Behand-
lungsgruppen nicht. «Ich denke, wir haben es hier mit einem
sehr spannenden Ansatz zu tun. Die Frage ist sicher, ob Pere-
solimab aufgrund seines Wirkmechanismus später auch bei
Personen mit einer RA und einer Tumorerkrankung einge-
setzt werden könnte», schloss Burmester.
s
Therese Schwender
Quelle: Jahreskongress der Schweizerischen Gesellschaft für Rheumatologie (SGR), 31. August und 1. September 2023, Interlaken.
Referenzen: 1. Ytterberg SR et al.: Cardiovascular and cancer risk with Tofacitinib in
rheumatoid arthritis. N Engl J Med. 2022;386:316-326. 2. Buch MH et al.: Impact of cardiovascular comorbidities on efficacy of
tofacitinib vs TNFi in rheumatoid arthritis. Ann Rheum Dis. 2023;82:2728 (OP0043). 3. Schaefer M et al.: Incident malignancies in patients with rheumatoid arthritis in daily rheumatological care. Ann Rheum Dis. 2023;82:143 (OP0218). 4. Ahn SS et al.: Cancers and cardiovascular diseases in patients with seropositive rheumatoid arthritis treated with JAK inhibitors and biologics. Ann Rheum Dis. 2023;82:87-88 (OP0132). 5. Aymon R et al.: Incidence of major adverse cardiovascular events in patients with rheumatoid arthritis treated with JAK-inhibitors compared to bDMARDs: data from an international collaboration of registries (the «JAK-POT» study). Ann Rheum Dis. 2023;82:143-145 (OP0219). 6. Popa C et al.: Therapy with JAK inhibitors and the risk of cardiovascular events in a Dutch rheumatoid arthritis population. Ann Rheum Dis. 2023;82:145-146 (OP0221). 7. Fleischmann R et al.: Safety profile of upadacitinib in patients at risk of cardiovascular disease: integrated post hoc analysis of the SELECT phase III rheumatoid arthritis clinical program. Ann Rheum Dis. 2023;82: 1130-1141. 8. Russel MD et al.: JAK inhibitors and the risk of malignancy: a meta-analysis across disease indications. Ann Rheum Dis. 2023;82:1059-1067. 9. Charles-Schoeman C et al.: Relationship between paraoxonase-1 genotype and activity, and major adverse cardiovascular events and malignancies in patients with rheumatoid arthritis receiving Tofacitinib. J Rheumatol. 2023;jrheum.2023-0112. 10. Zeng X et al.: Head-to-head comparison of TLL-018 and Tofacitinib in patients with active rheumatoid arthritis: interim results from a phase IIa study. Ann Rheum Dis. 2023;82:200 (LB0001). 11. Tuttle J et al.: A phase 2 trial of peresolimab for adults with rheumatoid arthritis. Ann Rheum Dis. 2023;82:397 (POS0307).
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