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RHEUMATOLOGIE/DERMATOLOGIE
Akne vulgaris
Ernährung und ihre Einflüsse auf kutane Entzündungsprozesse
Foto: privat
In den letzten Jahren ist eine mögliche Verbindung zwischen Ernährung und Akne wieder mehr in den Fokus gerückt. Wie sind diese Entwicklungen mit Blick auf den Praxisalltag zu bewerten, und welche Rückschlüsse kann man daraus für die Therapie von betroffenen Patienten ziehen?
Von Jan Prinzhausen
Jan Prinzhausen
Da die Akne vulgaris auf Entzündungsprozessen der Haut basiert, sollen entzündungsfördernde Lebensmittel gemieden werden. Das betrifft vor allem Milchprodukte, Schokolade und Zucker. Dabei steht auch die westliche Ernährung, die reich ist an hoch verarbeiteten Lebensmitteln wie beispielsweise Weissmehlprodukten, Softgetränken und Frittiertem, in der Kritik. Der gesteigerte Verzehr von Obst und Gemüse wiederum könnte zur Milderung von Akne beitragen.
Zum Status quo
In der Fachliteratur finden sich bezüglich des Erkrankungsrisikos durch die benannten Lebensmittel zahlreiche Beobachtungsstudien. Diese zeigen statistische Bezüge auf und sind daher als abschliessender Beweis ungeeignet. Praxisrelevanter sind die Ergebnisse randomisierter, kontrollierter und klinischer Studien. Diese Untersuchungen – nachfolgend vorgestellt – bieten Ansatzpunkte, um Patienten in der dermatologischen Praxis wertvolle Hilfestellung geben zu können.
MERKSÄTZE
� Spezielle Milchproteinfraktionen könnten therapeutisch wirken.
� Meeresfisch und Borretschsamen dienen der Optimierung des Omega-3/Omega-6-Fettsäure-Verhältnisses im Rahmen einer gesunden Ernährung.
� Antioxidanzien bilden die Basis einer entzündungshemmenden Kost, auch mit Blick auf die Haut.
� Fermentierte Lebensmittel wie Joghurt, Kefir und Sauerkraut erhalten die Darmflora.
Hautläsionen und Milchproteine
Hinsichtlich der Effekte von Milch und Milchprodukten lassen sich Publikationen zu Lactoferrin benennen. Lactoferrin ist Bestandteil des Molkenproteinspektrums des Milcheiweisses. Es besitzt antimikrobielle, antivirale und enzymatische Eigenschaften. In einer Studie wurde fermentierte Milch mit oder ohne Anreicherung von Lactoferrin untersucht. Die Probanden nahmen über 12 Wochen täglich 200 mg Lactoferrin auf. Zu beobachten war eine signifikante Verminderung der Anzahl entzündlicher Hautläsionen um 38,6 Prozent, der Anzahl der Gesamtläsionen um 23,1 Prozent und des Aknegrades um 20,3 Prozent. Der Sebumgehalt reduzierte sich um 31,1 Prozent. In Kombination mit Vitamin E und Zink beschrieb eine weitere Studie Effekte durch die Gabe von Lactoferrin. Bereits nach 2 Wochen war im Median eine Verringerung der Gesamtläsionen um 14,5 Prozent (p < 0,0001) festzustellen. Die maximale Reduktion der Läsionen um 28,5 Prozent (p < 0,0001) und die maximale Verminderung entzündlicher Pusteln um 32,5 Prozent (p < 0,0001) waren in der 10. Woche zu beobachten. Der Sebumscore verbesserte sich in der 12. Woche. Lactoferrin ist als Kapselpräparat von verschiedenen Herstellern erhältlich. Veröffentlichungen zu Interventionen mit herkömmlichen Milchprodukten wie zum Beispiel Milch und Käse sind bisher nicht verfügbar.
Schokolade versus Kakao
Eine Studie untersuchte Schokoladenriegel im Vergleich zu Geleekonfekten mit gleichem Zuckeranteil. Nach 2 Tagen erhöhte sich infolge des Konsums der Riegel die Anzahl der Läsionen um 4,8 (p < 0,0001), während sich diese bei den Geleekonfekten um 0,7 verminderte. Den Forschern gelang der Nachweis, dass Schokolade das Aknerisiko erhöhen kann. Diskutiert wird in diesem Kontext jedoch, ob die Kombination von Kakao mit Zucker und Milch das Aknerisiko stärker erhöht als Kakao allein. Denn in älteren Experimentalstudien erscheint Bitterschokolade zum Teil als weniger problematisch. Ein Grund könnte der Gehalt antiinflamma-
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torischer Phenole des Kakaos sein. Je höher der Kakaoanteil, desto höher der Phenolgehalt und desto geringer der Anteil von Zucker und Milch.
Weniger Hautläsionen durch die richtigen Fettsäuren
Die essenziellen Omega-3(ω3)- und Omega-6(ω6)-Fettsäuren dienen im Körper unter anderem der Synthese entzündungsbeeinflussender Gewebshormone. In einem 10-wöchigen Test erhielten 2 Probandengruppen täglich entweder 1000 mg Eicosapentaensäure (EPA; ω3) und 1000 mg Docosahexaensäure (DHA; ω3) oder 400 mg Gammalinolensäure (GLA; ω6) (= 2000 mg Borretschsamenöl) beziehungsweise gehörten der Kontrollgruppe an. In der ω3-Gruppe verminderte sich die Anzahl entzündlicher Hautläsionen von 10,1 auf 5,8 (p < 0,05) und die nicht entzündlicher Läsionen von 23,5 auf 18,9 (p < 0,05). In der ω6-Gruppe reduzierte sich die Anzahl entzündlicher Läsionen von 9,8 auf 6,6 (p < 0,05) und die nicht entzündlicher Läsionen von 22,8 auf 19,2 (p < 0,05). Die Kontrollgruppe liess keine Veränderungen erkennen. Meeresfisch (ω3; z. B. Hering, Makrele) beziehungsweise Borretschsamen(-öl) und Nachtkerzenöl (ω6) könnten somit Bestandteil der Ernährung bei Akne sein. Für die Basisversorgung werden 150 g Meeresfisch 3-mal pro Woche empfohlen.
Antioxidanzien hemmen inflammatorische Zytokine
Entzündungen im Körper gehen mit oxidativem Stress einher und umgekehrt. Zudem zeigt sich, dass antioxidative Nahrungsmittelinhaltsstoffe entzündungshemmend wirken können. Antioxidative Effekte werden grünem Tee beziehungsweise dem darin enthaltenen Epigallocatechin-3-gallat (EGCG) zugewiesen. Forscher konnten in Sebozytenkulturen nachweisen, dass EGCG zur Hemmung inflammatorischer Zytokine, der Fettbildung und der Hyperproliferation beiträgt. Allerdings wurde die Aknebehandlung mit EGCG-Lösung äusserlich vorgenommen. In einer weiteren Studie gelang es später, mit der täglichen Gabe von 856 mg EGCG (in Form von entkoffeiniertem Grünteeextrakt) die signifikante Abnahme der Gesamt- und der entzündlichen Läsionen im Gesicht von Aknepatienten zu erzielen. Grünteekatechine könnten demnach für die äussere und die innere Anwendung geeignet sein. Im Rahmen einer Studie erhielt eine kleine Gruppe von Aknepatienten täglich eine Mischung aus 250 mg EPA, 3,75 mg Zinkglukonat, 50 µg Selen, 50 µg Chrom und 50 mg EGCG. Nach 2 Monaten liess sich eine Reduktion der Gesamtläsionen von 62,8 auf 40,4 und der entzündlichen Läsionen von 20,8 auf 6,8 feststellen. Die therapeutischen Effekte von täglich 600 mg Zinksulfat für 12 Wochen wurden auch in einer weiteren Studie beschrieben. Zink ist als Nahrungsergänzung in Tabletten- oder Tropfenform verfügbar.
Therapieeffekte bei Reduktion der Kohlenhydrate
Nach 2 Wochen einer Kost mit niedrigem glykämischen Index (= geringe Blutglukoseschwankung) und niedriger glykämischer Last beobachtete eine Studie eine Absenkung von IGF(insulin-like growth factor)-1 (p = 0,049), welcher als ein Mediator der Akne diskutiert wird. Die Studienautoren beschreiben den Zeitraum jedoch als zu kurz, um relevante
Akneparameter verbessern zu können. Untersuchungen mit längerer Dauer von 10 bis 12 Wochen zeigen dann auch positive Therapieeffekte auf das Krankheitsgeschehen. So liessen sich die Grösse der Talgdrüsen und die Entzündung sowie die Anzahl entzündlicher und nicht entzündlicher Läsionen signifikant reduzieren. Eine Verminderung der Anzahl der Gesamtläsionen (–23,5; p < 0,03) beschrieb auch eine weitere Studie: Die Versuchsgruppe praktizierte eine Kost mit 25 Prozent Eiweiss und 45 Prozent Kohlenhydraten an der Gesamtenergiezufuhr. Die Empfehlung der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) sieht 10 bis 15 kcal-Prozent Eiweiss und 50 bis 55 kcal-Prozent Kohlenhydrate vor. Patienten, welche zum Beispiel grosse Mengen Getreide(-produkte) verzehren, könnten von der Massnahme profitieren.
Darmflora und Dysbiose
Intensive Forschung zur Bedeutung der Darmflora lässt eben-
falls Verbindungen zur Akne erkennen. Daraus resultiert der
Ansatz, die Erkrankung durch Behandlung von Dysbiosen
künftig besser beherrschen zu können. In einer Untersuchung
zum Einfluss von Probiotika wurde Patienten ein Lactobacil-
lus-plantarum-Präparat gereicht (L. plantarum CJLP55;
KCTC 11401BP, GenBank accession number GQ336971; CJ
Foods R & D Center, CJ CheilJedang Corporation). Für 12
Wochen erhielten sie täglich 1-mal 1010 KbE des Bakteriums.
Im Ergebnis verminderte sich die Anzahl der Gesamtläsionen
um 49,67 Prozent (95%-Konfidenzintervall [KI]: –82,76 bis
–16,59; p = 0,002) und die der entzündlichen Läsionen um
42,09 Prozent (95%-KI: –80,57 bis –3,61; p = 0,033). Der
Grad der Akne wurde mit einem Rückgang von 28,99 Prozent
(95%-KI: –44,23 bis –13,75; p = 0,009) beziffert.
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Korrespondenzadresse:
Jan Prinzhausen
Ökotrophologe
Ketoline
www.ketoline.de
jan.prinzhausen@gmx.de
Erstmals erschienen in Dermaforum 2023;3:18. Der Nachdruck erfolgt mit freundlicher Genehmigung des Verlags und des Autors.
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