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DIABETOLOGIE/ENDOKRINOLOGIE
Schilddrüsenknoten
Seltener bösartig als angenommen
Schilddrüsenknoten sind nicht selten, und ihre Prävalenz nimmt mit dem Alter zu. Bis anhin ging man davon aus, dass 5 bis 10 oder gar bis zu 15 Prozent der Schilddrüsenknoten bösartiger Natur seien. Die Autoren einer aktuellen deutschen Langzeitstudie zum Malignitätsrisiko von Schilddrüsenknoten kommen hingegen zu dem Schluss, dass der Anteil maligner Schilddrüsenknoten wesentlich geringer sei. 17 592 Patienten wurden zwischen 1989 und 2013 in einem endokrinologischen Zentrum untersucht. Alle hatten Schilddrüsenknoten mit einem Durchmesser > 1 cm. 1904 der Patienten wurden operiert und 6731 länger als 1 Jahr nachverfolgt (davon 1165 länger als 10 Jahre, einige von ihnen bis zu 23 Jahre). Bei 155 Patienten konnten Malignome im 1. Jahr nach der Erstvorstellung histologisch nachgewiesen werden, bei weiteren 25 wurde ein Malignom in den Jahren 2 bis 5 entdeckt und bei zusätzlichen 9 Personen in den Jahren 6 bis 10. Danach wurden bis 23 Jahre nach der Erstdiagnose der Knoten keine weiteren bösartigen Veränderungen der Schilddrüse festgestellt. Insgesamt wurde Schilddrüsenkrebs bei 189 von 17 592 Patienten mit Schilddrüsenknoten diagnostiziert, was einer Malignitätsrate von 1,1 Prozent entspricht. Damit erweise sich die vorsorgliche Entfernung vieler Knoten als überflüssig, heisst es in einer Medienmitteilung der Deutschen Gesellschaft für Endokrinologie e. V. (DGE). Da Schilddrüsenoperationen mit Komplikationen wie etwa der Schädigung des Stimmbandnervs oder der Nebenschilddrüsen verbunden seien sowie eine lebenslange Einnahme von Medikamenten nach sich ziehen könnten, gelte es, unnötige Operationen zu vermeiden. «Diese neuen Zahlen sollten in die Risikoabschätzung beim Umgang mit den Knoten einfliessen, insbesondere auch was
die OP-Entscheidung angeht», so Studienerstautor Prof. Mar-
tin Grussendorf.
Wird ein Knoten mit einem Durchmesser > 1 cm nachgewie-
sen, sollte zunächst eine Schilddrüsensonografie mit einer
standardisierten Befundung nach TIRADS (Thyroid Imaging
And Reporting System) erfolgen. Ausserdem rät die DGE, den
TSH-Wert zu bestimmen. Weicht er von der Norm ab, sollten
im nächsten Schritt zusätzlich fT4 und fT3 sowie Calcitonin
gemessen werden. Die weiteren Schritte richten sich nach den
Befunden, und sie können Untersuchungen wie Feinnadelbi-
opsien und Szintigrafien beinhalten. Habe man sich entschie-
den, den Knoten zu beobachten, solle man ihn nach 6 bis 12
Monaten erneut per Ultraschall kontrollieren. Bei weiterhin
unauffälligem Befund könne die nächste Nachkontrolle nach
2 bis 3 Jahren und dann nach weiteren 5 Jahren erfolgen.
Die DGE empfiehlt, eine Ultraschalluntersuchung der Schild-
drüse nur bei klinisch oder laborchemisch begründetem Ver-
dacht durchzuführen, nicht aber als Präventivdiagnostik.
Diese Empfehlung ist in den Choosing-wisely-Massgaben der
Deutschen Gesellschaft für Innere Medizin (DGIM) und der
DGE festgehalten. Dort heisst es: «Ein Ultraschallscreening
auf Schilddrüsenveränderungen bei älteren Menschen soll
nicht durchgeführt werden.»
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RBO
Medienmitteilung der Deutschen Gesellschaft für Endokrinologie (DGE) vom 1. Dezember 2022 und Grussendorf M et al.: Malignancy rates in thyroid nodules – a longterm cohort study of 17 592 patients. Eur Thyroid J. 2022;11(4): e220027
ARS MEDICI DOSSIER VI | 2023
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