Transkript
Das Queen-Bee-Syndrom
EDITORIAL WENIG BEKANNTE SYNDROME
«Queen Bee Syndrome» (Bienenköniginsyndrom) ist ein Begriff, der erstmals in den 1970er-Jahren von Graham Staines, Toby Epstein Jayaratne und Carol Tavris geprägt wurde. Er beschreibt ein Phänomen, bei dem eine Frau in einer Autoritätsposition ihre Untergebenen kritischer sieht oder behandelt, wenn diese weiblich sind. Die Vermutung ist, dass betroffene Frauen andere Frauen als potenzielle Bedrohung oder Konkurrenz sehen und sie daher nicht unterstützen oder sie sogar behindern. Virginia W. Cooper beschrieb 1997 die Theorie des Queen-BeeSyndroms als einen durch gegenseitige Gefährdungswahrnehmung entstandenen Konkurrenzkampf unter Frauen um die Aufmerksamkeit des Mannes.
Zu den wichtigsten Merkmalen oder Verhaltensweisen gehören: ▲ Eine Frau mit Bienenköniginsyndrom distanziert
sich von ihren weiblichen Kollegen oder Untergebenen und betont die Unterschiede zwischen ihr und anderen Frauen. ▲ Sie ist kritischer gegenüber anderen Frauen als gegenüber männlichen Kollegen. ▲ Eine «Bienenkönigin» tendiert dazu zu leugnen, dass Frauen geschlechtsspezifischer Diskriminierung ausgesetzt sind. ▲ In manchen Fällen glaubt die Frau, dass männliche Eigenschaften der Schlüssel zum Erfolg am Arbeitsplatz sind.
Das Syndrom ist aus mehreren Gründen umstritten: ▲ Überverallgemeinerung: Eine Frau als Trägerin des
Bienenköniginsyndroms zu bezeichnen, ist eine zu starke Vereinfachung. Sie bedient das Klischee, dass Frauen ihre eigenen schlimmsten Feinde sind.
▲ Grundursachen: Das Verhalten kann auch eine Reaktion auf systemischen Sexismus sein, bei dem Frauen das Gefühl haben, sie müssten miteinander um die begrenzten Möglichkeiten konkurrieren.
▲ Fokus auf Frauen: Durch die Fokussierung auf das Verhalten von Frauen gegenüber anderen Frauen kann das umfassendere Problem des systemischen Sexismus überschattet oder ignoriert werden.
Es ist hierbei anzumerken, dass das Queen-Bee-Syndrom nicht nur Frauen betrifft, sondern nach Studien auch benachteiligte Gruppen oder Minderheiten, bei denen die Individuen sich in ihrer sozialen Identität bedroht und sich nur schwach mit der eigenen Gruppe verbunden fühlen, beispielsweise verlierende Teams, schwule Männer, Lesben, senile Menschen oder Afroamerikaner. In den letzten Jahren haben sich die Diskussionen über das Bienenköniginsyndrom intensiviert. Viele argumentieren, dass der Schwerpunkt von der Schuldzuweisung einzelner Frauen auf die Auseinandersetzung mit den systemischen Faktoren verlagert werden sollte. Untersuchungen zeigen, dass Fälle von Bienenköniginsyndrom seltener auftreten, wenn Organisationen die Vielfalt und Gleichstellung der Geschlechter unterstützen. Eine Studie aus dem Jahr 2018 vermutet, dass das Queen-BeeSyndrom ein Mythos sein könnte, und Fabiola H. Gerpott und Ralf Lanwehr gehen in ihrem Urteil noch weiter und konstatieren: «Das Queen-BeeSyndrom gibt es nicht.»
Richard Altorfer (Text erstellt unter Mithilfe von ChatGPT)
ARS MEDICI DOSSIER VI | 2023
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