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PNEUMOLOGIE/ALLERGOLOGIE
Asthma, COPD – oder etwas ganz anderes?
Erkrankungen der Atemwege
Asthma und COPD sind mit die häufigsten chronischen Atemwegserkrankungen in der Hausarztpraxis. Ihnen ist die unterschiedlich auftretende Luftnot gemein. Aber es gibt noch andere, seltene pneumologische Ursachen für Luftnot. Es gilt, aufmerksam zu bleiben und nicht vorschnell eine dieser beiden Krankheiten zu vermuten.
Thomas Hausen
Wir Hausärzte haben gegenüber den anderen Fachrichtungen die Möglichkeit für eine Frühdiagnose. Nur wir sehen die Frühzeichen. Damit tragen wir eine grosse Verantwortung. Sieht der Patient einen Fachkollegen, ist in der Regel einige Zeit verstrichen, und die Krankheit hatte viel Zeit, ungehindert fortschreiten zu können.
Beispiel aus der Praxis
Herr K., 34 Jahre alt, macht aktuell eine Suchttherapie (Amphetamin, Cannabis). Er stellt sich in der Praxis vor, weil er bei Spaziergängen wegen Luftnot immer der Letzte ist, der nach leichten Anstiegen oben ankommt. Anfälle von Luftnot können nicht erfragt werden. Es sind zahlreiche Allergien bekannt, die er aber nicht konkretisieren kann. Er raucht etwa 10 Zigaretten am Tag. Vor 5 Jahren wurde von seinem damaligen Hausarzt ein Asthma diagnostiziert. Seitdem inhaliert er fast regelmässig die Fixkombination aus einem inhalativen Kortikosteroid und einem lang wirksamen Betaagonisten (LABA; Fluticason 250 + Salmeterol 50) 2-mal proTag, verspürt allerdings keine Linderung. Auskultatorisch zeigt sich ein deutlich abgeschwächtes Atemgeräusch ohne Nebengeräusche.
Ist das wirklich Asthma? Bereits das Fehlen von anfallsartiger Luftnot (stattdessen ausschliesslich [?] bei Belastung) und das fehlende Ansprechen der antientzündlichen Therapie, aber auch das abgeschwächte Atemgeräusch sprechen eher gegen ein Asthma und sollten aufhorchen lassen. Die Lungenfunktion zeigt Hinweise auf eine leichte Obstruktion. Bedeutsamer sind allerdings die deutlich reduzierte in-
MERKSÄTZE
� Die Änderung oder die ausbleibende Änderung der FEV1 (> 15%/< 200 ml) im akuten Bronchospasmolysetest ist das wichtigste, einfache Merkmal zur Unterscheidung zwischen Asthma und COPD.
� Die Kombination von Belastungsluftnot, trockenem Husten und einem Knistern bei der Auskultation sollte aufhorchen und an eine Lungenfibrose denken lassen.
spiratorische Vitalkapazität (IVC), der reduzierte TiffeneauIndex (Verhältnis von exspiratorischer Einsekundenkapazität [FEV1] zur forcierten Vitalkapazität [FVC]; FEV1/FVC) und die FEV1 mit nahezu ausbleibender Änderung im akuten Bronchospasmolysetest (vgl. Tabelle 1/Abbildung). Es stellt sich die Frage, wie die Diagnose Asthma gestellt werden konnte. Es steht zu befürchten, dass der Kollege vor 5 Jahren entweder keinen Lungenfunktionstest gemacht oder einen Bronchospasmolysetest unterlassen hat. Merke: Die Änderung oder die ausbleibende Änderung der FEV1 (> 15%) im akuten Bronchospasmolysetest ist das wichtigste, einfache Merkmal zur Unterscheidung zwischen Asthma und chronisch obstruktiver Lungenerkrankung (COPD). Bei einer Exazerbation mit Schleimhautschwellung verschwindet diese Reaktion zunehmend. Die wichtigen Lungenfunktionsparameter (Tabelle 1) sind alle deutlich erniedrigt, was eigentlich gegen ein Asthma spricht. Die fehlende Änderung im akuten Bronchospasmolysetest erhärtet diese Feststellung. Eine ausbleibende Änderung würden wir beim Asthma nur sehen, wenn nur eine geringe oder keine Obstruktion vorliegt, also der Patient gut therapiert ist. Die Laboranalyse zeigt folgende Werte: s Blutsenkungsgeschwindigkeit (BSG): 4/10 s Erythrozyten: 5,1 Mio./µl s Leukozyten: 6600/µl, normale Verteilung s Eosinophile: 6% s Normalwerte für Leber und Niere, Kalzium, Eisen, Ka-
lium, Alpha-1-Antitrypsin (122 mg/dl, normal: 88–174). Die Raucheranamnese und der Typ der Luftnot (Belastungsdyspnoe) könnten als Hinweis auf eine COPD gewertet werden, doch spricht das noch junge Alter gegen diese Diagnose. Ein Alpha-1-Antitrypsin-Mangel als Auslöser für den grossen Lungenfunktionsverlust konnte ausgeschlossen werden. Merke: Bei schnell fortschreitendem Lungenfunktionsverlust immer einen Alpha-1-Antitrypsin-Mangel mittels Laboruntersuchung ausschliessen! Ein zur Sicherheit vorgenommener verzögerter Bronchospasmolysetest (5 Tage 30 mg Prednisolon) zum Ausschluss einer «fixierten» Obstruktion blieb erwartungsgemäss ebenfalls negativ. Alle Hinweise deuten auf eine restriktive Lungenerkrankung mit leichter obstruktiver Komponente ohne Änderung im
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Tabelle 1:
Lungenfunktionsparameter
Parameter
Soll (EGKS)
Ist
Ist in % vom Soll
IVC
4,89 l
3,23 l
66%
FEV1
3,92 l
1,51 l
38%
FEV1/FVC 81% 47% 58%
Bronchospasmolyse
Ist Ist in % vom Soll
3,52 l
72%
1,58 l
40%
45% 56%
Berufsanamnese Während seiner beruflichen Tätigkeit war Herr K. für 1 Jahr in einem Galvanisierbetrieb Salpetersäure ausgesetzt. Der Fall wurde zur Sicherheit der zuständigen Berufsgenossenschaft angezeigt (das Gesetz verpflichtet Ärzte in Deutschland, bereits den Verdacht auf eine Berufserkrankung der Berufsgenossenschaft mitzuteilen).
HR-CT: Zeichen einer Drug-induced-Fibrose Die daraufhin erneut vorgenommene gezielte Anamnese konnte die wahrscheinliche Ursache der Fibrose klären. Herr K. hatte die Amphetamine über 15 Jahre pulverisiert und zur Effektsteigerung inhaliert. Im vorliegenden Fall hat die fortgesetzte Inhalation von Talkum zu einer Talkose mit Übergang in eine Fibrose geführt. Die Diagnose lautet hier also: Pneumokoniose, hier Talkose mit Übergang in eine Fibrose.
Abbildung: Lungenfunktion (Daten siehe Tabelle 1) (aus [3])
Tabelle 2:
Fakten zur idiopathischen Lungenfibrose (IPF)
Häufigkeit Ursachen/Auslöser Zeit von Symptombeginn bis zur Diagnose Problem bei der Diagnose Verlauf mediane Überlebenszeit Therapie Therapieeffekt Zeitgewinn Heilungschance
14–43/100 000 unbekannt/Pneumokoniose 1 bis 2 Jahre
50% Fehldiagnosen chronisch progredient 3 bis 4 Jahre antifibrotisch Progredienz verlangsamt 4 bis 5 Jahre Lungentransplantation
Bronchospasmolysetest hin, also vermutlich nicht asthmatischer Genese. Merke: Restriktive Ventilationsstörung = niedrige VC (wegen der Kompression bei forcierter Exspiration immer als IVC gemessen) bei normaler oder hoch normaler FEV1!
Röntgenthorax Verdacht auf interstitielle Lungengerüsterkrankung (z. B. Fibrose).
Pneumokoniosen
Unter dem Begriff Pneumokoniosen (griech.: Staublunge) sind Lungenkrankheiten zusammengefasst, die nach Inhalation von vorwiegend anorganischen Stäuben auftreten. Im Röntgenbild sieht man fleckenförmige interstitielle oder subpleurale Infiltrate oder auch kleine Zysten. Um symptomatischen Patienten möglichst schnell eine antifibrotische Therapie zukommen zu lassen, sollte die Verdachtsdiagnose umgehend mit standardisierter Anamneseerhebung, serologischer Testung und zellulärer Analyse der bronchoalveolären Lavage sowie hoch auflösender Computertomografie (high-resolution computed tomography, HR-CT) in Dünnschnitttechnik gesichert werden (1). Bei zeitlich begrenzter Inhalation besteht die Chance auf eine Spontanheilung. Bei fortgesetzter Exposition entwickelt sich eine chronische Erkrankung mit unterschiedlicher Prognose. Eine eher schlechte Prognose mit einem möglichen Übergang in eine Lungenfibrose besteht für Silikose (Quarzfeinstaub), Asbestose (Asbestfasern), Talkose (Talkum), Aluminose (Aluminiumstaub), Berylliose (Beryllium) und Hartmetallstaub (Chrom, Titan, Vanadium, Wolfram und Molybdän). Eine eher gute Prognose mit seltenem Übergang in eine Fibrose besitzen Anthrakose (Kohlestaub), Lungensiderose (Eisenstaub) und Barytose (Schwerspatstaub).
Pulmonale Fibrose
Die Lungenfibrose kann idiopathisch (IPF) sein oder als Folge einer Pneumokoniose auftreten (2). Die Lungenfibrose (vgl. Tabelle 2) ist eine chronisch progrediente und letztlich tödlich verlaufende Krankheit, wobei, wie der Name bereits ausdrückt, die Ursache häufig unbekannt ist. Sie kann zudem Folge einer Pneumokoniose sein (siehe oben).
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Tabelle 3:
Merkmale zur Unterscheidung zwischen Asthma, COPD und Fibrose
Parameter Alter Allergien familiäre Prädisposition Raucher Beginn Perkussion Atembreite Auskultation Atemgeräusch Husten Luftnot Auswurf Obstruktion Bronchospasmolysetest Peak Flow
Asthma ab Kindesalter sehr häufig + ja/nein plötzlich unauffällig normal unauffällig/Giemen/ Rasselgeräusche anfallsartig, meist trocken anfallsartig selten (wenig, zäh) reversibel positiv schwankend
COPD
Fibrose
> 40 Jahre
höheres Alter
Ø Ø
Ø Ø
meistens
ja/nein
schleichend
unauffällig bis hypersonor
normal hypersonor
zunehmend reduziert
abgeschwächt (hohl klingend)
unauffällig bis leise,
häufig Knistern
regelmässig trocken/feucht
trocken
bei Belastung
häufig (klar bis schmutzig)
selten
nicht/wenig
untypisch
in der Regel negativ
negativ
stabil
hoch
Wir haben nur eine Chance, die Progression durch antifibrotisch wirkende Substanzen zu reduzieren. Mithilfe dieser Therapie kann die Überlebenszeit um bis zu 4 bis 5 Jahre verlängert werden, und der Patient erhält vielleicht die Möglichkeit für eine Lungentransplantation. Voraussetzungen sind allerdings eine möglichst frühzeitige Diagnose mit sofortigem Stopp einer eventuellen Exposition und eine frühzeitig begonnene und dauerhaft durchgeführte Therapie. Inhalatives Rauchen scheint sich negativ auf das Krankheitsbild auszuwirken.
Wann an Lungenfibrose denken? Wir wissen, dass sowohl ein Asthma als auch noch häufiger eine COPD lange Zeit nicht erkannt werden (3). Für selten auftretende Krankheiten, wie zum Beispiel Alpha-1-Antitrypsin-Mangel (24/100 000 Einwohner) und Fibrose (14–43/100 000), muss diese Feststellung demnach noch mehr gelten. Zu schnell werden diese seltenen Krankheitsbilder als Asthma oder COPD fehlgedeutet und damit falsch therapiert (vgl. Tabelle 3). Die Kombination von Belastungsluftnot, trockenem Husten und einem Knistern bei der Auskultation (Sklerophonie bei 80–95% der Patienten), das an das Lösen eines Klettverschlusses erinnert, sollte aufhorchen und an eine Lungenfibrose denken lassen. Es gibt kein pneumologisches Krankheitsbild ausser der Fibrose, bei der dieses Phänomen auszukultieren ist, und es tritt oft lange vor den typischen Veränderungen im Röntgenbild oder in der CT auf. Die Sklerophonie ist damit schon fast beweisend für eine Fibrose. Sofern dieses Knistern auszukultieren ist, sollte man den Patienten ein paar Mal husten lassen und die Auskultation wiederholen. Ist die Sklerophonie weiter zu hören, ist das beweisend. Gelegentliche Symptome wie Müdigkeit, Schwächegefühl und Gewichtsverlust sind unspezifisch und ebenso wie Trommelschlegelfinger (20–30%) im Spätstadium nicht wegweisend. Merke: Bei Belastungsluftnot, Knistern bei der Auskultation und restriktiver Ventilationsstörung unbedingt eine Fibrose ausschliessen!
Zu späte Diagnose kann fatale Folgen haben Vom Beginn der Symptome bis zur Diagnose vergehen laut Literatur 1 bis 2 Jahre, im geschilderten Fall waren es 5 (!) Jahre. In 50 Prozent der Fälle wird eine falsche Diagnose gestellt, was bei einer medianen Überlebenszeit von 3 bis 4 Jahren fatale Folgen hat. Der Nachweis einer restriktiven Ventilationsstörung und die entsprechenden Hinweise im Röntgen-Thorax und in der CT sichern die Diagnose. Eine bronchoalveoläre Lavage und in selteneren Fällen eine Lungenbiopsie können bei der Differenzialdiagnose weiterhelfen. Der Verlust an FVC kann bis zu 200 bis 280 ml pro Jahr betragen, reduziert sich aber nicht linear, sodass die Prognose damit nicht vorhergesagt werden kann. Da die meisten Patienten mit IPF Raucher sind, können COPD und Lungenemphysem gleichzeitig vorliegen. Weitere Komorbiditäten sind Bronchialkarzinom (häufiger als in der Normalbevölkerung), kardiovaskuläre und thrombotische Erkrankungen, gastroösophagealer Reflux, Depression, schlafbezogene Atmungsstörungen und Diabetes. Die Lungenfibrose zählt zu den seltenen Lungenerkrankungen und wird deswegen lange Zeit übersehen und dann häufig falsch therapiert. Bei der schlechten Prognose ist jeder Tag bis zum Beginn einer Therapie lebensentscheidend. Die letztlich notwendige Lungentransplantation kann bei korrekter Therapie um eine gewisse Zeit hinausgezögert werden. s
Dr. med. Thomas Hausen Praxis für Allgemeinmedizin D-45239 Essen
Interessenlage: Der Autor gibt keinerlei Interessenkonflikte an.
Dieser Artikel erschien erstmals in «doctors today» 6/22. Die leicht bearbeitete Übernahme erfolgt mit freundlicher Genehmigung von Verlag und Autor.
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Literatur: 1. S2K-Leitlinie zur Diagnostik der idiopathischen Lungenfi-
brose. https://www.awmf.org/uploads/tx_szleitlinien/020-016l_S2k_DiagnostikIdiopathische-Lungenfibrose_2020-03.pdf. 2. Köhler D et al.: Pneumologie. Thieme, 2.Aufl. 2015. 3. Hausen T: Pneumologie für die Praxis: Akute und chronische Atemwegserkrankungen mit Besonderheiten im fortschreitenden Alter. Elsevier, 2017. 4. Fessler B: Progression der idiopathischen Lungenfibrose verlangsamen. PneumoNews 7/2019. 5. Collard HR et al.: Patient experiences with pulmonary fibrosis. Respir Med. 2007;101(6):1350-1354. 6. Purokivi M et al: Are physicians in primary health care able to recognize pulmonary fibrosis? Eur Clin Respir J. 2017;4(1):1290339. 7. Vasâaáková M et al.: Long-term overall survival and progression-free survival in idiopathic pulmonary fibrosis treated pirfenidoneor nintedanib or their switch. Real-world data from the EMPIRe registry. Poster presented at the European Respiratory Society Annual Meeting,September 28 to October 2, 2019, Madrid, Spain.
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