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PNEUMOLOGIE/ALLERGOLOGIE
Chronische Rhinosinusitis mit Nasenpolypen (CRSwNP)
Biologika etablieren sich
Fortschritte in der immunologischen Forschung kommen auch den Patienten mit chronischer Rhinitis mit Nasenpolypen zugute: Durch die zunehmende Aufklärung der pathophysiologischen Signalwege der Entzündung konnten Antikörper entwickelt werden, die die Entzündungskaskade hemmen, die Beschwerden mindern und somit die Lebensqualität erhöhen. Doch wann sollten diese Biologika eingesetzt werden? Und welche Patienten kommen dafür infrage?
Ein akuter Schnupfen ist schon schlimm genug: Die Nase läuft, man bekommt nur schlecht Luft, der Schlaf ist gestört, Geschmack und Geruch gehen gegen null. Anders als beim Erkältungsschnupfen, der meist nach 1 Woche verschwindet, halten diese Beschwerden bei der chronischen Rhinosinusitis (CRS) definitionsgemäss mehr als 12 Wochen an. Wenn aber die Rhinosinusitis andauert, wird die Behandlung schwierig. Noch schwieriger ist es, wenn es sich um eine chronische Rhinosinusitis mit nasalen Polypen (CRSwNP) handelt. Mit der Dauer der Erkrankung verschlechtert sich sukzessiv die Lebensqualität – so schränken beispielsweise Schlafstörungen und Depressionen die Leistungsfähigkeit im Beruf und in der Schule ein. Den CRSwNP-Patienten gehe es etwa genauso schlecht wie COPD-Patienten, berichtete Prof. Wytske Fokkens aus Amsterdam (NL).
Mehr als jeder Zehnte leidet unter CRS
Die chronische Rhinosinusitis ist keine seltene Erkrankung. Die Prävalenz in der westlichen Welt wird auf etwa 11 Prozent geschätzt, diejenige der deutlich mehr belastenden CRSwNP auf immerhin 2 bis 4 Prozent. Dazu komme, dass die CRS-Patienten im Vergleich zur Allgemeinbevölkerung 3-mal so häufig mit allergischer Rhinitis und etwa doppelt so häufig mit Asthma zu kämpfen hätten, wobei das Asthma bei den meisten CRS-Patienten erst nach dem 12. Lebensjahr aufgetreten sei (Late-onset-Asthma), so Fokkens weiter.
Meist Typ-2-Inflammation bei CRSwNP
CRS ohne NP kann uni- oder bilateral sein, bestehen jedoch Polypen, sind in der Regel beide Nasengänge betroffen. Die Schleimhautwucherungen sind meist an der mittleren Nasenmuschel lokalisiert, können sich aber auch in den Sinus befinden. Hinsichtlich des Entzündungstyps wird unterschieden: Ohne Polypen handelt es sich bei der CRS meist um eine Typ-1-Inflammation, bei CRSwNP besteht in der Regel eine Entzündung vom Typ 2. Die genaue Klassifikation und das Behandlungsschema für alle Typen der CRS lassen sich in der Leitlinie zu chronischer Rhinitis, EPOS 2020, nachlesen (1).
CRSwNP – therapeutisch eine harte Nuss
Besonders schwierig ist die Behandlung der CRSwNP. Die Standardtherapie bei diesen Patienten besteht ▲ bei milden Formen aus Spülungen mit Salzlösungen und
kortikoidhaltigem Nasenspray ▲ bei mittlerem Schweregrad aus systemischen Steroiden
und/oder Antibiotika ▲ bei schweren Formen und bei Versagen der medikamen-
tösen Massnahmen aus der chirurgischen Sanierung der Nase und ihrer Nebenhöhlen mit Entfernung der Polypen. Allerdings lässt sich selbst mit der Entfernung der Polypen die Erkrankung nicht immer kontrollieren. Denn auch wenn die Operation zunächst erfolgreich ist und die Beschwerden beseitigt sind, kommt es doch häufig zu einem Rezidiv.
Fortschritt durch immunologische Forschung
Einen deutlichen Fortschritt in der Behandlung hat die immunologische Forschung mit der Klärung der Entzündungssignalwege gebracht. Aufgrund des Know-hows um die Pathophysiologie der Typ-2-Entzündung, wie sie ebenso der atopischen Dermatitis zugrunde liegt, konnten Hemmstoffe der Entzündungsmediatoren entwickelt werden. Deshalb wurde Dupilumab, der bei atopischer Dermatitis erfolgreiche Antikörper gegen Interleukin (IL) 4 und IL-13, bei CRSwNP erprobt – mit Erfolg (2). Bei erwachsenen Patienten mit schwerer CRSwNP reduzierte Dupilumab die Polypengrösse, die Sinustrübung und den Schweregrad der Symptome. Die auf die Erkrankung bezogene Lebensqualität, gemessen mit dem Sinonasal-Outcome-Test-22-Score (SNOT22), stieg deutlich – und das bei guter Verträglichkeit. Dupilumab hat sich bereits in der täglichen Praxis bewährt: In Deutschland ist der Antikörper seit 2019 für die Behandlung von Patienten mit schwerer CRSwNP zugelassen.
Auch Antikörper gegen IgE und IL-5 helfen CRSwNP-Patienten
Inzwischen sind beim Rhinosinusitismanagement weitere Biologika hinzugekommen, die hemmend in die Entzündungskaskade eingreifen. So verbessert Omalizumab, ein gegen Immunglobulin E gerichteter Antikörper (Anti-IgE), die endoskopischen und klinischen Symptome, vermindert
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Tabelle:
Indikationen für eine biologische Behandlung bei CRSwNP (3 der 5 Kriterien erforderlich)
Kriterien Nachweis einer Typ-2-Entzündung Bedarf an systemischen Kortikosteroiden oder Kontraindikation für systemische Steroide signifikante Beeinträchtigung der Lebensqualität signifikanter Verlust des Geruchssinns Diagnose von Asthma als Komorbidität
Quelle: EPOS 2020 (1)
Grenzwerte (cut-off points) Gewebe-Eos ≥ 10/hpf ODER Blut-Eos ≥ 250/l ODER Gesamt-IgE ≥ 100 IU/ml ≥ 2 Behandlungen pro Jahr ODER Langzeitbehandlung (> 3 Monate) mit niedrig dosierten Steroiden SNOT-22 ≥ 40 Anosmie beim Geruchstest (Punktzahl je nach Test) Asthma, das regelmässige inhalative Kortikosteroide erfordert
den Bedarf an systemischen Kortikoiden und senkt das Risiko für eine Rezidivoperation (3). Fokkens berichtete zudem über Erfolge mit Mepolizumab. Dieser monoklonale Antikörper hemmt IL-5. Damit verkleinern sich die Polypen, und die nasale Obstruktion geht deutlich zurück. Ebenso stieg die gesundheitsbezogene Lebensqualität im SNOT-22 (4).
Vorteil für Dupilumab
Doch welches dieser Biologika taugt am ehesten bei CRSwNP? Das wollte eine kanadische Forschergruppe anhand einer Metaanalyse herausfinden (5). Vergleiche zwischen den Wirkstoffen ergaben, dass Dupilumab bei 7 von 7 Endpunkten den grössten Nutzen hat. Das heisst, unter Dupilumab ▲ verbesserte sich deutlich die Lebensqualität (SNOT-22) ▲ gingen die Symptome zurück (gemessen mit der visuellen
analogen Skala [VAS]) ▲ kam der Geruchssinn zurück ▲ verkleinerten sich die Polypen ▲ waren weniger erneute Operationen sowie ▲ systemische Glukokortikoide nötig ▲ liess sich im CT eine klinische Verbesserung nachweisen. Unter Omalizumab stieg die Lebensqualität, und der Symptomscore sank signifikant, die Verbesserungen bei den anderen Endpunkten waren allerdings weniger deutlich. Mit Mepolizumab war die Symptomreduktion sehr gut, bei den anderen Parametern waren die Verbesserungen geringer. Fokkens wies einschränkend darauf hin, dass es sich bei diesem Ergebnis um eine Momentaufnahme der derzeitig zur Verfügung stehenden Daten handle. Viele Studien auch zu neuen Substanzen seien derzeit im Gange, die zu anderen «Hitlisten» der medikamentösen Therapieoptionen bei CRSwNP kommen könnten. Doch welche CRSwNP-Patienten sollen nun ein Biologikum bekommen? Hier liefert die Leitlinie EPOS 2020 Hinweise (siehe Tabelle) (1).
Wirkung kontrollieren
Wie bei jeder Therapie muss überprüft werden, ob das Biolo-
gikum beim individuellen Patienten wirkt. Klinisch lässt sich
das Ansprechen mit 5 Kriterien feststellen:
▲ geringere Grösse der Nasenpolypen
▲ geringerer Bedarf an systemischen Kortikosteroiden
▲ verbesserte Lebensqualität
▲ verbesserter Geruchssinn
▲ geringere Auswirkungen von Komorbiditäten.
Falls sich der Therapieerfolg nicht einstellt, muss über Alter-
nativen nachgedacht werden. Wie dann vorgegangen werden
könne, lasse sich ebenfalls in der Leitlinie zur chronischen
Rhinitis, EPOS 2020, nachlesen, die Fokkens allen behan-
delnden Ärzten ans Herz legte.
s
Angelika Ramm-Fischer
Quelle: Session «Disease-specific pathways in allergic diseases – Implications for the usage of biologicals» beim Jahreskongress der European Academy of Allergy and Clinical Immunology (EAACI), 1. bis 3. Juli 2022 in Prag.
Referenzen: 1. Fokkens WJ et al.: European Position Paper on Rhinosinusitis and Nasal
Polyps 2020. Rhinology. 2020;58(Suppl S29):1-464. 2. Bachert C et al.: Efficacy and safety of dupilumab in patients with severe
chronic rhinosinusitis with nasal polyps (LIBERTY NP SINUS-24 and LIBERTY NP SINUS-52): results from two multicentre, randomised, double-blind, placebo-controlled, parallelgroup phase 3 trials. Lancet. 2019;394(10209):1638-1650. 3. Gevaert P et al.: Efficacy and safety of omalizumab in nasal polyposis: 2 randomized phase 3 trials, J Allergy Clin Immunol. 2020;46(3):595-605. 4. Han JK et al.: SYNAPSE study investigators. Mepolizumab for chronic rhinosinusitis with nasal polyps (SYNAPSE): a randomised, double-blind, placebo-controlled, phase 3 trial. Lancet Respir Med. 2021;9(10):1141-1153. 5. Oykhman P et al.: Comparative efficacy and safety of monoclonal antibodies and aspirin desensitization for chronic rhinosinusitis with nasal polyposis: A systematic review and network meta-analysis. J Allergy Clin Immunol. 2021;149(4):1286-1295.
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