Transkript
GASTROENTEROLOGIE
Probiotika gegen antibiotikaassoziierte Diarrhö
Möglichst frühe Gabe senkt Durchfallrate
Der Nutzen von Probiotika gegen antibiotikaassoziierte Diarrhö wurde mit einem systematischen Review evaluiert. Die Einnahme von Probiotika so früh wie möglich bei einer Antibiotikatherapie wurde als wirksam und sicher bestätigt. Es fehlen jedoch noch Studien zur Dauer der Behandlung, zur Dosierung und zur Spezifizität der Probiotika sowie konkrete Behandlungsempfehlungen.
Journal of Clinical Gastroenterology
Bei einer Behandlung mit Antibiotika kommt es bei 5 bis 39 Prozent der Patienten zu einer Diarrhö (antibioticassociated diarrhea, AAD), und diese kann bis zu 8 Wochen nach Ende der Antibiotikabehandlung andauern. Ursachen sind der direkte Effekt der Antibiotika auf die Darmschleimhaut sowie der Einfluss der Antibiotika auf die Darmflora. Dadurch wird die natürliche Darmfunktion gestört, und durch das Ungleichgewicht der Darmflora können Pathogene, insbesondere Clostridium difficile, überhandnehmen. Die Diarrhö ihrerseits erschwert die Compliance bei der Einnahme der Antibiotika und den Heilungsverlauf. Probiotika können die AAD-Situation verbessern, indem sie die Zusammensetzung und den Metabolismus der Darmflora sowie die Sekretion und die Absorption der Darmflüssigkeit ändern und die intestinale Barrierefunktion und Immunreaktion verbessern. Das wurde durch diverse kontrollierte Studien belegt. Allerdings war die generelle Aussage «Probiotika helfen gegen AAD» zu allgemein; es war unklar, welche Probiotika, in welcher Dosierung, bei welchen Antibiotika, bei welchen Patienten und bei welchen Krankheitsbildern wie helfen.
Detaillierte Metaanalyse
Deshalb haben die Autoren eine umfangreiche Literatursuche (PubMed, Embase, Web of Science, Cochrane Library) nach randomisierten, kontrollierten Studien (RCT) zum Einsatz von Probiotika gegen AAD unternommen, und schliesslich 36 plazebokontrollierte Studien mit 9312 erwachsenen Probanden in eine detaillierte Metaanalyse eingeschlossen. Die einbezogenen Studien sind sehr heterogen. Die meisten Studien verwende-
ten eine Mischung verschiedener Probiotika; die Spezies Lactobacillus, Saccharomyces, Bifidobacterium und Streptococcus überwogen. Probiotika wurden zur selben Zeit wie die Antibiotika gegeben, in einigen Fällen wurden die Probiotika bis zu 28 Tage über die Antibiotikabehandlung hinaus verabreicht. Der therapeutische Hintergrund der Antibiotikagabe (z. B. zur Bekämpfung von Helicobacter pylori) war zum Teil nicht beschrieben oder variierte, was die statistische Auswertung zum Teil erschwerte, weil spezifische Stichproben zu klein waren. Gewisse statistische Befunde konnten jedoch über den ganzen Datensatz gesichert werden: s AAD wurde durch die Gabe von
Probiotika über die ganze Studie um 38 Prozent im Vergleich zur Plazebogruppe verringert. s Es gab keine signifikanten Unterschiede hinsichtlich der Nebenwirkungen zwischen der Probiotikaund der Plazebogruppe. Die Gabe von Probiotika kann als sicher gelten. Ausserdem ergaben sich für Subpopulationen folgende statistisch signifikante Befunde: s Während Therapien gegen H. pylori waren Probiotika erfolgreicher (Abnahme um 64%) bei der Unterdrückung von AAD als bei anderen Antibiotikaanwendungen (Abnahme um 25%). Metaanalysen haben zudem gezeigt, dass die ergänzende Gabe von S. boulardii oder Lactobacillus bei der Eradikation von H. pylori sowohl die Inzidenz von AAD reduzierte als auch die Eradikationsrate signifikant erhöhte. s Probiotika wirken besser gegen AAD, wenn sie während der Antibiotikagabe gegeben werden (Ab-
nahme um 58%) anstatt mindestens 1 Woche nachher (Abnahme um 26%). s Probiotika wirken am besten gegen AAD, wenn sie sofort während der ersten beiden Tage der Antibiotikagabe gegeben werden (Abnahme um 46%); werden sie erst ab dem 3. Tag gegeben, beträgt die Abnahme lediglich 21 Prozent. s Eine geringere Dosis von Probiotika (< 1010 CFU/Tag) war effektiver (Abnahme um 51%) als eine höhere Dosis (Abnahme um 23%). Die Autoren kommentieren auch vorhergehende Studien, die Lactobacillus (insbesondere L. rhamnosus GG, LGG) eine bessere Wirkung in der Vermeidung von AAD zuschreiben, konnten das aber wegen einer zu geringen Stichprobengrösse nicht separat analysieren beziehungsweise bestätigen. Der Einfluss des eingesetzten Antibiotikums konnte nicht analysiert werden, weil verschiedene der in die Metaanalyse eingeschlossenen Studien das spezifisch benutzte Antibiotikum nicht ausweisen. Die vorliegende Publikation bestätigt den Nutzen und die Sicherheit einer frühestmöglichen Probiotikagabe zur Verringerung von AAD während einer Antibiotikabehandlung bei Erwachsenen ohne Immundefizienz. Es besteht jedoch weiterhin Bedarf nach Studien, welche die Dosis sowie die Dauer der Probiotikagabe bestätigen, den Einfluss des angewendeten Probiotikastamms abklären und detaillierte Behandlungsempfehlungen ermöglichen. Mü s Quelle: Zhao Q et al.: Probiotics for the prevention of antibiotic-associated diarrhea in adults: a meta-analysis of randomized placebo-controlled trials. J Clin Gastroenterol. 2021;55:469–480. Interessenlage: Sämtliche Autoren der referierten Metaanalyse deklarieren keine Interessenkonflikte. 10 ARS MEDICI DOSSIER II | 2023