Transkript
INFEKTIONEN
Strategie breiter gefasst
Hepatitis-C-Therapie auch beim Hausarzt
Das Hepatitis-C-Virus verursacht seit Jahrzehnten bei vielen Patienten Leberschädigungen bis hin zur Karzinomentwicklung. Seit der Einführung der direkten antiviralen Hepatitis-C-Therapie kann diese Entwicklung aufgehalten werden. Um noch mehr infizierte Patienten heilen zu können, sollen diese nun nicht nur mit gezieltem Screening durch den Hausarzt gesucht werden, sondern seit Anfang Jahr von diesem auch behandelt werden. Wie das zu realisieren ist, erklärte PD Dr. Dominique Braun, Klinik für Infektionskrankheiten und Spitalhygiene, Universitätsspital Zürich, am FOMF-WebUp.
Schätzungen gehen davon aus, dass weltweit zirka 120 bis 200 Millionen Personen mit dem zu den RNA-Viren gehörenden Hepatitis-C-Virus (HCV) chronisch infiziert sind und nur etwa die Hälfte davon diagnostiziert ist. In der Schweiz gibt es etwa 32 000 Infizierte, das sind fast doppelt so viele wie mit HIV (17 000). Die HCV-Infektion verläuft in der Regel asymptomatisch, deshalb werde sie auch «silent killer» genannt, wie Braun berichtet. In den USA sterben mittlerweile mehr Patienten an Hepatitis C als an Aids. Ein risikobasiertes Screening ist daher umso wichtiger. Denn in 50 bis 85 Prozent der Fälle chronifiziert eine HCV-Infektion. Bei bis zu einem Drittel der Infizierten führt das nach etwa 20 bis 25 Jahren zu einer Leberzirrhose beziehungsweise zu einer Leberfibrose, was sich später zu einem hepatozellulären Karzinom weiterentwickeln kann (1). Im Jahr 2020 wurden in der Schweiz schätzungsweise 1200 Personen behandelt, davon konnten rund 1100 geheilt werden. Es lohne sich also, die Infizierten per HCV-AntikörperSuchtest zu suchen, so Braun. Schätzungen zufolge sind die meisten Infizierten unter den Jahrgängen der Babyboomergeneration von 1950 bis 1975 zu finden. Ursachen dafür sind die damals verbreitete Experi-
KURZ & BÜNDIG
� Risiko- und jahrgangbasiertes (1950–1975) Testen mittels HCV-Antikörper-Suchtest sind wichtig.
� Bei positivem HCV-Antikörper-Test zusätzlich zur Einschätzung der Virämie die HCV-RNA bestimmen.
� Bei Verdacht auf akute HCV-Infektion primär ein HCV-RNA-basiertes Screening durchführen.
� Bei positiver Diagnose Fibroscan und Ultraschall durchführen.
� Die Zweifachtherapie dauert je nach Präparat 8 oder 12 Wochen.
� Anleitung und kostenlose Beratung auf hepcare.ch.
mentierfreude mit intravenösen Drogen und die Tatsache, dass nach dem damals noch unbekannten Virus nicht gesucht wurde. Weitere Risikopersonen sind unter anderem aktuelle Konsumenten intravenöser Drogen, HIV- und Hepatitis-BVirus-positive Personen, ehemalige oder derzeit einsitzende Gefängnisinsassen, Tätowierte und Gepiercte, Empfänger von Blutprodukten vor 1992 und Patienten mit erhöhten Transaminasen oder unklaren chronischen Leberschäden sowie Männer, die Sex mit Männern haben und unter einer HIV-Präexpositionsprophylaxe stehen.
Therapeutische Möglichkeiten
Ziel einer HCV-Therapie ist die Reduktion der hepatischen und extrahepatischen Komplikationen. Letztere können sich in Diabetes mellitus mit 2-fachem Risiko, Nierenerkrankungen mit 3-fachem Risiko und Non-Hodgkin-Lymphomen mit 1,5-fachem Risiko niederschlagen. Die zurzeit zur Verfügung stehenden Therapien bestehen aus Kombinationen von jeweils 2 oder selten 3 antiviralen Substanzen wie Proteaseinhibitoren (Grazoprevir, Glecaprevir, Voxilaprevir), NS5A-Inhibitoren (Elbasvir, Velpatasvir, Pibrentasvir) und einem Polymeraseinhibitor (Sofosbuvir). Durch Kombination von verschiedenen Substanzklassen wird im Fall von Velpatasvir/Sofosbuvir (Epclusa®) und Glecaprevir/Pibrentasvir (Maviret®) eine starke Wirkpotenz bei hoher Resistenzbarriere erreicht. Zu bedenken sei, dass es beim Einsatz von Proteasehemmern zu mehr Interaktionen kommen könne, so Braun. Die Dreifachkombination Voxilaprevir/Velpatasvir/Sofosbuvir (Vosevi®) wird eingesetzt, wenn eine Zweierkombination nicht zur Heilung führt.
Praktisches Vorgehen
Mit einem risikobasierten Jahrgangsscreening werden mittels HCV-Antikörper-Suchtest Infizierte gesucht, auch wenn sie normale Transaminasen aufweisen. Bei positivem Resultat muss das Ergebnis mit einem HCV-Bestätigungstest gesichert werden, mit der Bestimmung der HCV-RNA wird zudem die Infektiosität gemessen. Fällt die HCV-RNA bei erneuter Messung nach 4 Wochen < 2 log ab, ist das ein Zeichen für eine Chronifizierung, eine spontane Virusclearance
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INFEKTIONEN
Unterstützung durch HepCare
Entschliesst sich der Hausarzt aufgrund eines positiven Virusnachweises, bei seinem Patienten mit dessen Einverständnis eine HCV-Therapie durchzuführen, muss ein Spezialist für die Beratung und die Rezeptausstellung beigezogen werden. Auf der Website www.hepcare.ch ist neben einer Anleitung für Hausärzte eine Liste von Spezialisten hinterlegt, die hierfür zur Verfügung stehen. Dort ebenso zu finden ist die Checkliste für das Patientendossier, die an den Spezialisten zur Überprüfung geht. Vor der Durchführung der Therapie müssen zusätzlich verschriebene Medikamente auf ihr Interaktionspotenzial mit den HCV-Medikamenten überprüft werden.
Interaktionen bei Hepatitis-C-Medikamenten: www.hep-druginteractions.org
HepCare: www.hepcare.ch
ist in diesem Fall laut Braun nicht mehr zu erwarten. Überdies empfehle sich eine Bestimmung des Genotyps. Die verfügbaren Medikamente deckten zwar die in der Schweiz vorherrschenden Genotypen 1, 3 und 4 gut ab, doch könne es vorkommen, dass ein atypischer Genotyp (z. B. 1H) eine spezielle Therapie erforderlich mache, so Braun. Als nächster Schritt sind die Ultraschalluntersuchung der Leber sowie eine Elastografie (Fibroscan) zur Feststellung des Fibrosegrads angezeigt. Vor Beginn der Therapie mit Velpatasvir/Sofosbuvir oder Glecaprevir/Pibrentasvir ist es zudem ratsam, die Interaktionen von bereits eingenommenen Medikamenten abzuklären. Im Weiteren braucht es eine Information an die Krankenkasse, wonach bei besagtem Patienten mit chronischer Hepatitis C eine Behandlung begonnen wird, was diese dann bestätigen wird. Eine Kostengutsprache brauche es dafür aber nicht, so Braun. Mit dieser Bestätigung kann der Patient die Medikation in der Apotheke beziehen, die das Medikament ohne die Bestätigung wegen des hohen Preises nicht herausgeben wird. Abschliessend muss der Meldepflicht für Hepatitis C beim BAG nachgekommen werden.
Zwei Therapien beim Hausarzt
Je nach Präparat ist die Therapiedauer unterschiedlich. In der Hausarztpraxis kommen vor allem 2 Präparate zum Einsatz. Mit Glecaprevir/Pibrentasvir (Maviret®), das die Genotypen 1 bis 6 bekämpft, dauert die Behandlung mit und ohne festgestellte Zirrhose 8 Wochen. Bei Patienten mit Vortherapien mit pegyliertem Interferon, Ribavirin und Sofosbuvir verlängert sich die Therapiedauer bei Genotyp 3 auf 16 Wochen, bei allen anderen Genotypen beträgt sie 8 Wochen ohne Zirrhose und 12 Wochen mit kompensierter Zirrhose (2). Die 1-mal tägliche Einnahme besteht aus 300/120 mg beziehungsweise 3 Tabletten à 100/40 mg auf einmal. Das Präparat soll mit einer Mahlzeit eingenommen werden. Wird eine
Dosis vergessen, soll das Versäumnis nachgeholt werden, wenn es < 18 Stunden zurückliegt. Ist es länger her, soll die nächste Dosis am Tag darauf erfolgen. Interaktionen (Link) und Vortherapien müssen vorgängig abgeklärt werden, eine Dosisanpassung bei Nierenfunktionsstörungen ist nicht nötig, auch nicht bei gleichzeitiger Gabe von Omeprazol. Bei Vorliegen einer Leberzirrhose ChildPugh B und C ist das Präparat kontraindiziert (2). Mit Velpatasvir/Sofosbuvir (Epclusa®) dauert die Therapie 12 Wochen bei Patienten mit und ohne kompensierte Zirrhose, ebenso bei einer HIV-Koinfektion. Bei Patienten mit dekompensierter Zirrhose wird die Therapie ebenfalls während 12 Wochen durchgeführt, aber unter Zusatz von Ribavirin. Die HCV-Therapie wird 1-mal/Tag (400/100 mg) eingenommen, unabhängig von den Mahlzeiten. Bei Versäumnis einer Einnahme vor < 18 Stunden kann die Einnahme nachgeholt werden, ansonsten am Folgetag. Bei leichten und mittelschweren Nierenfunktionsstörungen braucht es keine Dosisanpassung, bezüglich Schweregrad der Leberzirrhose besteht keine Kontraindikation. Mögliche Interaktionen mit Komedikationen sollten auch bei diesem Präparat vorab abgeklärt werden. Bei einer Therapie mit säurehemmenden Wirkstoffen kann sich die Löslichkeit von Velpatasvir vermindern. Im Fall von Antazida sollte das HCV-Medikament deshalb in zeitlichem Abstand entweder 4 Stunden davor oder 6 Stunden danach verabreicht werden. Omeprazol dagegen soll in maximaler Dosierung (20 mg) 4 Stunden nach der HCV-Therapie gegeben werden, dies jedoch nur, wenn es absolut notwendig ist (2). Zur Therapieüberwachung sollen sicherheitshalber die Leberwerte zu Beginn der Therapie, nach 2 bis 4 Wochen und nach 8 bis 12 Wochen gemessen werden. Eine Kontrolle der HCV-RNA erfolgt in den Wochen 0, 4 und 8 bis 12, danach folgt die Überwachung der «sustained virological response» (SVR) in den Wochen 12, 24 und 48. Bei Patienten mit einer fortgeschrittenen Leberfibrose (F3) oder -zirrhose (Fibroscan > 9 bzw. > 12,5 kPa) empfehlen sich aufgrund des verbleibenden Risikos für ein hepatozelluläres Karzinom auch nach erfolgreicher Viruseradikation regelmässige Fibroscan- und Sonografiekontrollen.
Wann zum Spezialisten überweisen?
Führen die Zweifachtherapien nicht zur Heilung, ist für den weiteren Therapieschritt zur Dreifachtherapie eine Überweisung zum Spezialisten notwendig. Eine Überweisung zum Spezialisten drängt sich auch bei Patienten mit vorbehandelter Hepatitis C, bei Patienten mit HIV, mit komplexer Komedikation, mit höhergradiger Fibrose (F3) oder Zirrhose (Fibroscan > 9 bzw. > 12,5 kPa) und bei Patienten mit bekannter Adhärenzproblematik auf. s
Valérie Herzog
Quelle: «Hepatitis C – Update für die Praxis», FOMF-WebUp Experten Forum, 20. Januar 2022.
Referenzen: 1. Moradpour D et al.: Hepatitis C: Epidemiologie, natürlicher Verlauf und
Diagnostik. Swiss Med Forum. 2015;15(17):360-365. 2. www.swissmedicinfo.ch, Letzter Abruf: 14.2.22.
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