Transkript
SCHMERZEN
Schmerzlinderung bei Knie- und Hüftarthrose
Mit topischem Diclofenac beginnen
Arthrose ist ein klinisches Syndrom, das meist Knie und Hüfte betrifft. Aufgrund der Schmerzen sind die physische Funktion und die Lebensqualität eingeschränkt. Auch das Gesamtmortalitätsrisiko ist erhöht. Für die Behandlung der Schmerzen stehen topische und orale, nicht steroidale Antiphlogistika (NSAID) wie auch Paracetamol oder Opioide zur Verfügung. Was sich davon hinsichtlich der NutzenRisiko-Abwägung am besten eignet, wurde in einem systematischen Review mit Metaanalyse untersucht.
British Medical Journal
Die Auswahl an Medikamenten zur Behandlung von Schmerzen bei Knie- und Hüftarthrose ist gross. Gemäss der bisherigen Evidenz, die aus früheren systematischen Reviews stammt, scheinen NSAID und Opioide in ähnlichem Ausmass Verbesserungen bei Schmerz und Funktion zu bewirken, doch induzieren Opioide mehr Nebenwirkungen wie zum Beispiel Nausea, Erbrechen, Schläfrigkeit und bergen bei langfristigem Gebrauch ein erhöhtes Risiko für Knochenfrakturen, Abhängigkeit und Mortalität. Diese früheren Reviews kamen mit Clustern von Dosierungen und Substanzklassen zu ihrem Ergebnis, was aber für eine Verschreibung der tiefsten wirksamen Dosis dieser Mittel nicht genügend Evidenz liefert. Um diese Evidenz herzustellen, wurden im vorliegenden systematischen Review mit Metaanalyse doppelblind randomisierte, plazebokontrollierte Studien (n ≥ 100) betreffend Wirksamkeit und Sicherheit von verschiedenen NSAIDund Opioidpräparaten sowie Paracetamol bei Knie- oder Hüftarthrose überprüft. Eingeschlossen wurden 192 Studien mit 102 829 Teilnehmern, wobei 90 verschiedene Präparate oder Dosierungen eingenommen wurden, darunter 68 aus der NSAID-Klasse, 19 aus der Opioidklasse und 3 mit Paracetamol. Als primärer Endpunkt war die Schmerzintensität definiert, als sekundärer Endpunkt die physische Funktion. Primärer Sicherheitsendpunkt war
ein vorzeitiger Therapiestopp (dropout) infolge Nebenwirkungen. Weitere Sicherheitsendpunkte umfassten alle Arten von Nebenwirkungen.
NSAID günstiger im Profil
Die Analyse ergab, dass 5 orale Präparate mit einer Wahrscheinlichkeit von ≥ 99 Prozent eine deutlichere Effektstärke erreichten als eine minimal klinisch relevante Schmerzlinderung: Diclofenac 150 mg/Tag, Etoricoxib 60 und 90 mg/Tag und Rofecoxib 25 und 50 mg/Tag (in der Schweiz nicht mehr im Handel). Von den Topika erreichte Diclofenac 70–81 und 140–160 mg/Tag eine Wahrscheinlichkeit ≥ 92,3 Prozent, alle Opioide kamen auf lediglich ≤ 53 Prozent. Dem stehen die Nebenwirkungen gegenüber: Das Risiko für einen vorzeitigen Therapiestopp aufgrund von Nebenwirkungen war in der Gruppe der topischen NSAID am tiefsten (0%), gefolgt von den oralen NSAID (18,5%) und den Opioiden (83,3%). Das Risiko für Nebenwirkungen jedweder Ursache sah im Vergleich ähnlich aus (0 bzw. 29,8 und 89,5%).
Topisches Diclofenac ist Therapie der 1. Wahl
Gemäss den Resultaten scheinen Etoricoxib 60 mg/Tag und Diclofenac 150 mg/Tag mit einer Effektstärke von –0,65 und –0,56 beziehungsweise 16 und 14 von 100 mm auf der visuellen
Analogskala (VAS) die wirksamsten oralen NSAID für die Linderung von arthrotischen Schmerzen zu sein. Doch sind sie für Patienten mit Komorbiditäten und für den Langzeitgebrauch aufgrund von Nebenwirkungen nicht geeignet. Bei den Topika hatte Diclofenac ungeachtet der Dosierung den stärksten Effekt auf Schmerz und Funktion, dies bei geringer systemischer Wirkung. Deshalb sollte die tiefere topische Dosierung (70–81 mg/Tag) als Therapie der 1. Wahl bei Kniearthose gewählt werden, so das Fazit der Autoren. Der klinische Nutzen der Opioide, egal welche Präparate oder Dosierung, macht die Konsequenzen der Nebenwirkungen nicht wett. Tramadol beispielsweise erreichte eine Effektstärke von ≥ –0,31, Tapentadol eine von –0,34, und die Wahrscheinlichkeit für einen klinisch relevanten Effekt lag bei ≤ 18,1 beziehungsweise 33,9 Prozent. Paracetamol, das ebenfalls häufig verordnet wird, zeigte in der Dosierung von 3900–4000 mg/Tag den geringsten Effekt auf arthrotische Schmerzen (Effektstärke: –0,15; VAS: 4 mm). VH s
Quelle: Da Costa BR et al.: Effectiveness and safety of non-steroidal anti-inflammatory drugs and opioid treatment for knee and hip osteoarthritis: network meta-analysis. BMJ. 2021;375:n2321.
Interessenlage: Peter Tugwell deklariert eine Bezahlung für Consulting-Tätigkeit für JanssenCilag und GlaxoSmithKline. Die restlichen Autoren deklarieren keine Interessenkonflikte.
12 ARS MEDICI DOSSIER VI | 2022