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Das Liddle-Syndrom
EDITORIAL WENIG BEKANNTE SYNDROME
Das Liddle-Syndrom ist eine seltene autosomaldominante Störung des renalen epithelialen Transports. Klinisch erinnert es an einen primären Aldosteronismus mit Hypertonie und hypokaliämischer metabolischer Alkalose, aber ohne erhöhte Plasmarenin- oder -aldosteronspiegel. Der Symptomenkomplex wird deshalb auch als Pseudoaldosteronismus bezeichnet. Die Häufigkeit wird anhand von Studien bei 6 Prozent der Patienten mit arterieller Hypertonie vermutet.
Ursache ist eine natürlich gesteigerte Aktivität der epithelialen Natriumkanäle, die die Natriumresorption und die Kaliumsekretion beschleunigt und so eine erhöhte tubuläre Rückresorptionsquote mit Oligurie oder sogar Anurie bewirkt. Es kommt jedoch nicht zu einer Niereninsuffizienz, weil die Glomeruli nicht betroffen sind. Wenn die gesteigerte Wasserrückresorption das Herzzeitvolumen und damit die glomeruläre Filtration vergrössert, kommt es sogar zu einer erhöhten glomerulären Filtrationsrate. Patienten mit Liddle-Syndrom werden meist schon unter 35 Jahren auffällig. Die Verdachtsdiagnose wird
bereits durch den Nachweis einer Hypertonie bei jungen Patienten gestellt, insbesondere wenn eine positive Familienanamnese vorliegt. Oft liegen zudem Beschwerden einer Hypokaliämie und eine metabolische Alkalose vor, etwa Palpitationen, Mattigkeit, aber auch Obstipation und Myalgien.
Niedrige Natriumwerte im Urin (< 20 mmol/l), niedrige Plasmarenin- und -aldosteronspiegel sowie Ansprechen auf die empirische Behandlung werden in der Regel als ausreichend angesehen, um die Diagnose zu bestätigen. Eine definitive Diagnose kann durch genetische Untersuchungen gestellt werden. Therapeutisch wirksam sind kaliumsparende Diuretika bzw. Medikamente zur Reduktion des Natriumüberschusses und des damit einhergehenden Volumenhochdrucks, etwa Triamteren und Amilorid. Spironolacton hingegen ist wirkungslos. Das Syndrom wurde 1964 vom amerikanischen Endokrinologen Grant Winder Liddle (1921–1989) beschrieben.
Richard Altorfer
ARS MEDICI DOSSIER VI | 2022
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