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Das Doose-Syndrom
EDITORIAL WENIG BEKANNTE SYNDROME
Das Doose-Syndrom, auch myoklonisch-astatische Epilepsie (MAE) oder Epilepsie mit myoklonisch-atonischen Anfällen genannt, ist ein Krankheitsbild aus der Gruppe der idiopathischen generalisierten Epilepsien im Kindesalter. Es wurde 1964 vom deutschen Kinderneurologen und Epileptologen Hermann Doose (1927–2018) erstmals beschrieben. Das Doose-Syndrom ist selten, betrifft aber immerhin noch 2 bis 4 Prozent der Epilepsien im Kindesalter, überwiegend Knaben. Die Erkrankung tritt meist im Alter zwischen 1 und 6 Jahren erstmals auf, typischerweise mit generalisierten tonisch-klonischen Anfällen, Absenzen oder Fieberkrämpfen. Die charakteristischen myoklonischen und myoklonischatonischen Anfälle treten häufig erst später auf; sie sind auch nicht spezifisch für das Doose-Syndrom. Die Anfälle dauern oft nur Sekunden und können mit hoher Dichte auftreten. Die Betroffenen fallen dabei typischerweise durch plötzlichen Tonusverlust der Muskulatur blitzartig in sich zusammen. Wenn sie sich dabei nicht verletzen, können sie unmittelbar nach dem Anfall wieder aufstehen. Bildgebende Untersuchungen des Gehirns sind meist unauffällig oder unspezifisch. Im EEG lassen sich manchmal irreguläre Spike-wave-Komplexe und ab-
norme Thetarhythmen nachweisen. Die Diagnose eines Doose-Syndroms wird anhand der 1989 definierten Kriterien der Liga gegen Epilepsie gestellt bei ■ Vorliegen einer normalen psychomotorischen
Entwicklung des Kindes vor der Epilepsie ■ fehlenden hirnmorphologischen Abnormalitäten ■ Beginn der Anfälle zwischen einem halben und
dem 6. Lebensjahr ■ im EEG Nachweis einer primär generalisierten
Spike- und Poly-spike-wave-Aktivität sowie fehlenden fokalen EEG-Veränderungen ■ Ausschluss von Epilepsiesyndromen mit myoklonischen Anfällen, speziell der myoklonischen Epilepsie des frühen Kindesalters, des West-Syndroms und des Lennox-Gastaut-Syndroms. Die Therapie besteht in erster Linie aus Valproinsäure und Benzodiazepinen. Spricht ein Patient mit myoklonisch-astatischen Anfällen auf eine Therapie mit Valproinsäure gut an, ist ein Lennox-GastautSyndrom unwahrscheinlich. Auch zur Anfallprophylaxe dient Valproinsäure, allenfalls in Kombination mit Lamotrigin oder Ethosuximid.
Richard Altorfer
ARS MEDICI DOSSIER IV | 2022
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