Transkript
KARDIOLOGIE
Herzinsuffizienz mit erhaltener Pumpfunktion
Erste funktionierende Therapie gefunden
Dass die SGLT2-Hemmer die Hospitalisationsrate bei herzinsuffizienten Patienten verringern, war bereits bekannt. Dass nun nach langer Suche endlich eine Therapie für Herzinsuffizienzpatienten mit erhaltener Pumpfunktion, denen sonst nichts half, gefunden wurde, ist neu. Der SGLT2-Hemmer Empagliflozin hat dafür mit der EMPEROR-Preserved-Studie die Daten geliefert. Sie wurden am virtuellen Jahreskongress der European Society of Cardiology (ESC) vorgestellt.
Für Patienten mit Herzinsuffizienz gab es bislang nur eine Therapie zur Verbesserung ihrer Prognose, wenn ihre Pumpfunktion verringert war (HFrEF), das heisst, die linksventrikuläre Auswurffraktion (LVEF) < 40 Prozent lag. Ihnen bringt die Standardtherapie, bestehend aus ACE-Hemmern, Angiotensin-Rezeptor-Neprilysin-Inhibitoren (ARNI), Betablockern und Mineralokortikoidrezeptoragonisten, einen guten Nutzen, ebenso wie die Therapie mit SGLT2-Hemmern. Letztere, das heisst Empagliflozin und Dapagliflozin, werden nun von den ESC-Guidelines offiziell als Zusatz zur Standardtherapie bei Patienten mit HFrEF empfohlen, da sie in den entsprechenden Studien DAPA-HF und EMPERORReduced eine Reduktion von herzinsuffizienzbedingten Hospitalisationen und kardiovaskulärem Tod gezeigt haben (1, 2). Für Herzinsuffizienzpatienten mit erhaltener Pumpfunktion (HFpEF) respektive einer LVEF > 40 Prozent, wie sie beispielsweise bei Diabetikern wie auch bei alten Menschen verbreitet ist, stand dagegen noch keine Therapie zur Verfügung. Das hat sich jetzt geändert.
Signifikante Reduktion bei HFpEF-Ereignissen
Am ESC-Kongress wurde mit EMPEROR-Preserved eine Studie präsentiert, die den Effekt des SGLT2-Hemmers Empagliflozin bei Patienten mit symptomatischer HFpEF mit und ohne Typ-2-Diabetes untersuchte. An der Multizenterstudie nahmen 5988 Herzinsuffizienzpatienten mit einer LVEF von 54 Prozent teil. Die Patienten wiesen ausserdem einen NT-proBNP-Wert (N-terminal pro B-type natriuretic peptide) von > 300 pg/ml (ohne Vorhofflimmern) oder von > 900 pg/ml (mit Vorhofflimmern), strukturelle Veränderungen im Herzen sowie eine Vorgeschichte mit herzinsuffizienzbedingten Hospitalisationen auf. Die durchschnittlich 72-jährigen Studienteilnehmer, davon 45 Prozent Frauen, erhielten doppelblind randomisiert zusätzlich zur Standardtherapie und zu den Behandlungen aller Komorbiditäten täglich Empagliflozin 10 mg oder Plazebo. Der primäre Endpunkt war als Kombination aus kardiovaskulärem Tod und herzinsuffizienzbedingter Hospitalisation definiert. Als sekundärer Endpunkt galten die herzinsuffizienzbedingte Hospitalisation und die Verschlechterung der Nierenfunktion während der Studienphase. Nach dem Follow-up von median 26 Monaten trat unter Empagliflozin bei 415 von 2997 Teilnehmenden (13,8%) ein
Ereignis gemäss primärem Endpunkt auf, in der Plazebogruppe war das bei 511 von 2991 Patienten (17,1%) der Fall. Damit reduzierte Empagliflozin die Ereignisrate signifikant um 21 Prozent (6,9 vs. 8,7 Ereignisse/100 Patientenjahre; Hazard Ratio [HR]: 0,79; 95%-Konfidenzintervall [KI]: 0,69–0,90; p = 0,0003). Die Number Needed to Treat (NNT) zur Verhinderung eines Ereignisses gemäss primärem Endpunkt lag für die Studiendauer von median 26 Monaten bei 31 (95%-KI: 20–69). Die positiven Wirkungen zeigten sich in allen vordefinierten Subgruppen gleichermassen, unabhängig davon, ob ein Typ-2-Diabetes vorlag oder nicht, ebenso bei LVEF-Werten zwischen 40 und 50 Prozent, 50 und 60 Prozent oder darüber. Die Anzahl der herzinsuffizienzbedingten Hospitalisationen war in der Empagliflozingruppe um 27 Prozent geringer als unter Plazebo (HR: 0,73; 95%-KI: 0,61–0,88; p > 0,001), ebenso der Abfall der geschätzten glomerulären Filtrationsrate (eGFR) (–1,25 vs. –2,62 ml/min/1,73 m2/Jahr; p > 0,001). Neue Sicherheitssignale sind nicht aufgetreten. Zu schweren Nebenwirkungen kam es in der Empagliflozingruppe bei 47,9 Prozent der Patienten, unter Plazebo bei 51,6 Prozent. Studienabbrüche infolge Nebenwirkungen wurden in der Verumgruppe bei 19,1 Prozent verzeichnet, in der Plazebogruppe bei 18,4 Prozent. Unkomplizierte Genital- und Harnwegsinfekte sowie Hypotonie waren unter Empagliflozin häufiger als unter Plazebo. Empagliflozin habe überzeugend den kombinierten Endpunkt kardiovaskulärer Tod und herzinsuffizienzbedingte Hospitalisationen bei HFpEF-Patienten mit und ohne Diabetes verringert, auch wenn die Abnahme hauptsächlich durch die Reduktion der Hospitalisation zustande gekommen sei, kommentierte Studienleiter Prof. Stefan Anker, Charité Berlin, die Ergebnisse. Diese Substanz habe das Potenzial, zur neuen Standardtherapie für diese Patientengruppe zu werden. s
Valérie Herzog
Quelle: «Hotline 1», Jahreskongress der European Society of Cardiology (ESC), 27. bis 30. August 2021, virtuell.
1. Packer M, Anker SD, Butler J et al.: Cardiovascular and renal outcomes with empagliflozin in heart failure. N Engl J Med. 2020;383:1413–1424.
2. McMurray JJV et al.: Dapagliflozin in Patients with Heart Failure and Reduced Ejection Fraction. N Engl J Med. 2019;381(21):19952008. doi:10.1056/NEJMoa1911303
ARS MEDICI DOSSIER III | 2022
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