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Das Bäfverstedt-Syndrom
EDITORIAL WENIG BEKANNTE SYNDROME
Borrelien-Lymphozytom (Quelle: © Spektrum 11, https://commons.wikimedia.org/wiki)
Als Bäfverstedt-Syndrom bezeichnet man ein Borrelien-Lymphozytom, also eine Hyperplasie von lymphatischen Zellen, die aussieht wie ein malignes Lymphom. Solche Pseudolymphome entstehen in der Regel reaktiv, zum Beispiel während der Frühphase einer Borrelieninfektion, meist im Stadium I einer Lyme-Borreliose. Sie sind dann typischerweise mit einem Erythema chronicum migrans vergesellschaftet. Seltener treten sie im Stadium II, Monate nach dem Zeckenbiss, auf. Typisch ist in allen Fällen eine hellrötliche knotige Schwellung im Bereich des Zeckenstichs. Das gleiche Phänomen kann auch nach Virusinfektionen auftreten. Ein Drittel der Bäfverstedt-Syndrome wird durch Borrelien hervorgerufen, meist Borrelia afzelii. Viele Fälle bleiben in ihrer Ursache jedoch ungeklärt, es soll auch nicht infektiöse Ursachen geben (z. B. Medikamente). Die Krankheit findet sich gehäuft bei Kindern und Jugendlichen, später hauptsächlich bei Frauen zwischen 40 und 70 Jahren.
Das Bäfverstedt-Syndrom wird auch Lymphadenosis cutis benigna oder Lymphadenosis benigna cutis Bäfverstedt, kutanes B-Zell-Pseudolymphom, Lymphozytom, Spiegler-Fendt-Sarkoid, multiples Sarkoid, reaktive Retikulose oder benigne Lymphoplasie der Haut genannt. Beschrieben wurde das Syndrom erstmals 1894 von Eduard Spiegler. Die Bezeichnung Bäfverstedt-Syndrom bezieht sich auf den Autor einer Beschreibung aus dem Jahr 1943: den schwedischen Dermatologen Bo Bäfverstedt. Klinisch finden sich weiche wulstige, zum Teil knötchenförmige oder gruppiert angeordnete Schwellungen der Haut mit blauroter Färbung. Die Schwellungen werden durch Lymphozyten in der Haut verursacht. Lokalisiert sind sie hauptsächlich am Ohrläppchen, im Nacken, in den Achseln, an den Brustwarzen und im Genitalbereich. Manchmal sind die regionalen Lymphknoten angeschwollen. Die Hautläsion kann das Zentrum eines Erythema migrans darstellen.
Bo Erik Bäfverstedt wurde 1905 in Göteborg geboren. Er beschrieb als Dermatologe eine Vielzahl gutartiger Formen der Lymphadenosis cutis und eine seltene Variante der Ichthyose (den sogenannten Baevferstedt-Typ). Die Publikation, deretwegen die Krankheit seinen Namen erhielt, erschien in «Acta dermato-venereologica», Stockholm, Supplement XI, 1944, 24: 1-102 («Über Lymphadenosis benigna cutis. Eine klinische und pathologisch-anatomische Studie»). Bäfverstedt starb 1990.
Richard Altorfer
ARS MEDICI DOSSIER III | 2022
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