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GASTROENTEROLOGIE
Durchfall nach dem Urlaub: Was kann es sein?
Die Abklärung möglicher importierter Infektionen nach Fernreisen begegnet auch Hausärzten immer öfter. Besonders häufig sind gastrointestinale Beschwerden während oder nach Tropenreisen. Harmlose und selbstlimitierende Erkrankungen sind hier von gravierenden Infektionen abzugrenzen, wobei eine Stufendiagnostik hilfreich sein kann. In diesem Beitrag wird das diagnostische und therapeutische Vorgehen bei gastrointestinalen Infektionen nach einer Fernreise vorgestellt.
Sören L. Becker, Fabian K. Berger, Sophie Schneitler
Bei Fernreisen in die Tropen und die Subtropen sind Durchfallerkrankungen am häufigsten – sie reichen von harmlosen selbstlimitierenden Infektionen bis zu schweren Krankheitsbildern wie Typhus. Reiseassoziierte Durchfälle kommen bei bis zu 60 Prozent der Reiserückkehrer aus Industrienationen vor, besonders nach Aufenthalten in Asien, Afrika sowie Südund Mittelamerika (1, 13). Infektiöse Ursachen einer Reisediarrhö können viraler, bakterieller und parasitärer Genese sein (vgl. Tabelle) (5). In vielen Fällen leichter Erkrankungen erfolgt keine mikrobiologische Diagnostik. Einige bedeutsame Erreger gastrointestinaler Infektionen sind jedoch meldepflichtig. So wurden im Jahr 2018 nach Angaben des Robert-Koch-Instituts in Deutschland etwa 700 Fälle von Shigellose und knapp 100 Typhus-/Paratyphusinfektionen diagnostiziert. Im Bereich der Parasitosen war Giardia lamblia mit etwa 3500 gemeldeten Infektionen führend, wobei etwa 55 Prozent der Erkrankungen auf Reisen akquiriert wurden (11). Man sollte zudem nicht vergessen, dass auch die Malaria, von der etwa 900 importierte Infektionen gemeldet wurden, mit einer Durchfallsymptomatik einhergehen kann (vgl. «Kasuistiken»). Auch die impfpräventable Hepatitis A (298 gemeldete, im Ausland erworbene Fälle) spielt eine Rolle (12).
MERKSÄTZE
� Bei Reiserückkehrern mit gastrointestinalen Infektionen sollte man Reiseland, -art, -dauer, Jahreszeit und Zeitpunkt des Auftretens der Symptome erfragen.
� 4 Bereiche sind zu unterscheiden: bakterielle, virale, parasitäre und toxinabhängige gastrointestinale Erkrankungen.
� In der Routinediagnostik haben sich zunehmend molekulardiagnostische PCR-Tests etabliert.
� Die Antibiotikagabe ist nur bei schweren Diarrhöen angezeigt.
� Vorsicht bei der Gabe von Fluorchinolonen (z. B. Ciprofloxacin) – wegen Nebenwirkungen («Rote-Hand-Brief»)!
� Bei intestinalen Würmern sollte man in schwierigen Fällen mit einem tropenmedizinischen Zentrum zusammenarbeiten.
Kasuistiken
Fall 1 Ein Medizinstudent stellt sich 2 Tage nach Rückkehr von einer 3-wöchigen Reise durch Kamerun vor. Er klagt über ausgeprägte wässrige Diarrhöen seit dem Morgen des vorigen Tages sowie über hohes Fieber bis 39,7 °C. Er fühlt sich sehr krank und war am Vorabend bereits in einer Kliniknotaufnahme, wo die Diagnose «Diarrhö nach Tropenreise» gestellt wurde und dem Patienten Ciprofloxacin oral verschrieben wurde.
Welche Differenzialdiagnose ist wichtig? Die weitere Diagnostik einer Blutprobe ergab, dass der Patient an einer schweren Malaria tropica durch Plasmodium falciparum mit einer Parasitämie von 4 Prozent erkrankt war. Die Malaria ist eine potenziell tödlich verlaufende Erkrankung, die neben Fieber auch zu Diarrhöen und anderen unspezifischen Symptomen führen kann. Bei jedem Fieber nach einer Tropenreise muss daher umgehend eine Malaria mittels Mikroskopie einer Blutprobe ausgeschlossen werden!
Fall 2 Eine Frau sucht etwa 3 Monate nach einem mehrwöchigen Aufenthalt in ländlichen Regionen Äthiopiens ärztlichen Rat. Sie berichtet über wässrige Durchfälle sowie peranalen Abgang «wurmähnlicher Strukturen», die ihr im Stuhl aufgefallen seien. Es wird eine Bluteosinophilie von 8 Prozent festgestellt. Auf spezifische Nachfrage berichtet die Patientin, mehrfach in äthiopischen Restaurants Rindfleischgerichte verzehrt zu haben, wobei das Fleisch nicht immer vollständig durchgebraten schien.
Welche Verdachtsdiagnose stellen Sie? In der mikrobiologischen Stuhluntersuchung fanden sich bereits makroskopisch wurmartige Strukturen, die als Proglottiden eines Bandwurms identifiziert wurden. Mikroskopisch konnten die Proglottiden als Teile des Rinderbandwurms Taenia saginata identifiziert werden, im Stuhl fanden sich darüber hinaus zahlreiche Taenia-Eier. Die Patientin wurde mit Praziquantel oral (in der Schweiz nicht registriert) behandelt, was zu einer vollständigen Rückbildung der Symptomatik führte. Eine 4 Wochen später durchgeführte parasitologische Stuhluntersuchung zeigte einen Normalbefund.
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GASTROENTEROLOGIE
Tabelle:
Überblick über wichtige bakterielle, parasitäre und virale Erreger gastrointestinaler Infektionen sowie die jeweilige klinische Symptomatik, mikrobiologische Diagnostik und gezielte Therapie
Ausgewählte Krankheitserreger Bakterien Campylobacter spp.
Clostridioides difficile
Enteropathogene Escherichia coli (EPEC) Enteroinvasive Escherichia coli (EIEC) Enterohämorrhagische Escherichia coli (EHEC)
Enterotoxinbildende Escherichia coli (ETEC) Salmonella enterica, typhöse Serotypen
Salmonella enterica, enteritische Serotypen Shigella spp.
Vibrio cholerae
Yersinia enterocolitica
Parasiten Blastocystis spp.
Cryptosporidium spp.
Klinik
akute Diarrhö ± Blutbeimengungen, häufig Fieber und ausgeprägte Allgemeinsymptomatik
akute Diarrhö, häufig (nicht immer!) nach vorheriger Antibiotikaeinnahme
Säuglingsdiarrhö
blutige Diarrhö mit häufig hohem Fieber, Gefahr der Darmperforation
Diarrhö und grippale Allgemeinsymptome, selten Maximalform des hämolytisch-urämischen Syndroms (HUS)
häufigster Erreger der akuten Reisediarrhö
schwere Allgemeinerkrankung, initial häufig keine Diarrhö; Somnolenz, Roseolen, hohes Fieber, Gefahr der Darmperforation
akute Diarrhö, selten Fieber und systemische Beteiligung
blutige Diarrhö mit häufig hohem Fieber, Gefahr der Darmperforation
ausgeprägte wässrige Diarrhöen, extrem selten bei Reiserückkehrern, relevantes Risiko meist nur nach Einsatz in medizinischen Nothilfeprojekten
eher milde Gastroenteritis
klinische Relevanz bei Nachweis umstritten, häufig nur kommensale Besiedlung
akute und persistierende wässrige Diarrhö, v. a. bei Kindern, fast nie Fieber
Diagnostik
Stuhlkultur und PCR
Antigenschnelltest, ggf. gefolgt von PCR oder Stuhlkultur PCR: Nachweis des eaeGens PCR: Nachweis von ipa-Genen PCR: Nachweis von Shiga-Toxin-Genen (stx)
PCR: Nachweis von ltund st-Genen Stuhlkultur und PCR, gefolgt von Serotypisierung
Stuhlkultur und PCR
Stuhlkultur und PCR
Stuhlkultur und PCR
Stuhlmikroskopie
Stuhlmikroskopie und PCR, ggf. Antigenschnelltest
Therapie
symptomatisch, bei schweren Verläufen Azithromycin oral Vancomycin oral
symptomatisch, keine Antibiotika Azithromycin oral
symptomatisch, in der Regel keine Antibiotika
symptomatisch, keine Antibiotika stationäre Behandlung und Gabe von Ciprofloxacin oral
symptomatisch, nur bei schweren Verläufen Ciprofloxacin oral Azithromycin oral
Flüssigkeitsersatz, ggf. Doxycyclin
symptomatisch, keine Antibiotika
meist keine Therapieindikation
bei Immunkompetenten keine antiparasitäre Therapie, bei Immunsupprimierten Rücksprache mit infektiologischem Zentrum
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Ausgewählte Krankheitserreger
Entamoeba histolytica
Klinik
Diarrhö ± Blutbeimengungen, im Verlauf auch extraintestinale Manifestationen möglich, z. B. Amöbenleberabszess
Giardia lamblia (syn.: Giardia intestinalis, Giardia duodenalis)
Intestinale Würmer (Cestoden, Nematoden, Trematoden)
häufigste parasitäre Ursache einer persistierenden wässrigen Diarrhö, praktisch nie Fieber
sehr variable Klinik, von asymptomatischen Verläufen bis zu wässrigen und blutigen Diarrhöen, häufig chronischer Verlauf, Gewichtsverlust, Bluteosinophilie
Viren
Adenovirus
Diarrhöen bei Kindern mit häufig relativ schwerem Krankheitsbild, nicht selten auch Atemwegssymptome und deutliche CRP-Erhöhung
Astrovirus
akute Diarrhö
Enteroviren
akute Diarrhö
Hepatitis-A-Virus
allgemeines Krankheitsgefühl, unspezifische gastrointestinale Symptome, im Verlauf ikterische Phase möglich mit Hepatomegalie, Ikterus, Pruritus
Hepatitis-E-Virus
häufig asymptomatischer Verlauf, milde gastrointestinale Symptome, Müdigkeit, Ikterus, Cholestasezeichen, auch neurologische Symptomatik, z. T. fulminante Hepatitis möglich
Norovirus
akute Diarrhö und Erbrechen nach kurzer Inkubationszeit, durch leichte Übertragbarkeit häufig viele Erkrankte
Rotavirus
akute Diarrhöen, insbesondere bei Kleinkindern
Sapovirus
akute Diarrhöen, insbesondere bei Kleinkindern
RT: reverse Transkriptase, PCR: Polymerasekettenreaktion * in der Schweiz nicht registriert
Diagnostik
PCR und Stuhlmikroskopie (Cave: mikroskopisch keine sichere Abgrenzung von apathogenen Amöben möglich); zusätzlich Ausschluss extraintestinaler Manifestationen sinnvoll, Lebersonografie, ggf. Amöbenserologie Stuhlmikroskopie und PCR, ggf. Antigenschnelltest Stuhlmikroskopie
PCR
RT-PCR RT-PCR Leberfunktionswerte, Serologie, PCR-Nachweis aus dem Stuhl
Leberfunktionswerte, Serologie, PCR-Nachweis aus dem Stuhl
RT-PCR
RT-PCR
RT-PCR
Therapie Metronidazol + Paromomycin oral
Metronidazol oral je nach Spezies orales Anthelminthikum (z. B. Albendazol, Ivermectin*, Mebendazol, Praziquantel*)
symptomatisch
symptomatisch symptomatisch symptomatisch
symptomatisch
symptomatisch
symptomatisch symptomatisch
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Wichtige Krankheitsbilder
Bei der Abklärung gastrointestinaler Infektionen eines Reiserückkehrers sollte man die Art der Reise, deren Dauer, die Jahreszeit, das Reiseland und den Zeitpunkt der ersten Symptome erfragen. In Abhängigkeit des Agens lassen sich vereinfacht 4 Bereiche zusammenfassen: bakterielle, virale, parasitäre und toxinabhängige gastrointestinale Erkrankungen. Die Inkubationszeit ist bei toxinabhängigen Erkrankungen mit wenigen Stunden am kürzesten, danach folgen virale und bakterielle Erkrankungen (Stunden bis Tage). Parasitäre Erkrankungen hingegen verursachen meist erst nach 2 oder mehr Wochen erste Beschwerden. Lebensmittelvergiftungen stehen typischerweise im Zusammenhang mit dem Verzehr bestimmter Speisen. Diese können zum Beispiel durch Toxine von Staphylococcus aureus oder Bacillus cereus bedingt sein. In den Tropen kommt es nach Verzehr von Riff-Fischen häufig zu der Erkrankung Ciguatera, die neben Diarrhöen und Erbrechen auch mit neurologischen Symptomen einhergehen kann (3). Bei Inkubationszeiten von wenigen Tagen ist primär an bakterielle, aber auch an virale Erreger zu denken (6). In der Routinediagnostik haben sich neben kulturellen Verfahren zum Nachweis bakterieller Erreger wie Campylobacter, Salmonella und Yersinia in den letzten Jahren zunehmend molekulardiagnostische PCR-Tests etabliert, wodurch immunologische Antigentests an Bedeutung verloren haben (10). Zur
Diagnostik von pathogenen Escherichia-coli-Stämmen wie den enterotoxinbildenden E. coli (ETEC) oder den enteroinvasiven E. coli (EIEC) werden vornehmlich PCR-Verfahren eingesetzt, ebenso wie für den Nachweis von Viren. Blutbeimengungen im Stuhl sind ein wichtiges differenzialdiagnostisches Kriterium und können auf Campylobacter, EIEC oder Shigella hinweisen. Wichtig sind neben der klassischen Enteritis auch gastrointestinale Infektionen wie Hepatitis A und E mit langer Inkubationszeit und deshalb häufig fehlender Assoziation zur Reise. Symptome sind meist eine unklare Beeinträchtigung des Allgemeinzustands, ein Ikterus oder eine Transaminasenerhöhung, gelegentlich findet sich ein Zusammenhang mit besonderen Lebensmitteln (z. B. importierten Datteln) (4). Bei persistierender Diarrhö (über 2 Wochen) ist zudem an parasitäre Erreger zu denken und eine mikroskopische und gegebenenfalls PCR-basierte Diagnostik anzufordern (9). Bei speziellen Indikationen können auch eine serologische Diagnostik und ein Differenzialblutbild (Eosinophilie?) sinnvoll sein (z. B. bei Verdacht auf Wurminfektionen) (8).
Therapie
Enteritiden sollten in Abhängigkeit von der Krankheitsschwere therapiert werden. Im Regelfall reicht bei milden und moderaten Verläufen eine symptomatische Therapie aus, die vor allem aus einer ausreichenden oralen Flüssigkeitsauf-
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nahme besteht (2). Motilitätsmindernde Therapien (z. B.
durch Loperamid) werden nicht regelhaft empfohlen, da diese
die Clearance von Erregern aus dem Gastrointestinaltrakt
verzögern können. Bei gleichzeitiger Applikation von Anti-
biotika scheint auch ein höheres Risiko für die Entstehung
resistenter Keime zu bestehen (7). Vor allem bei hämorrhagi-
scher Gastroenteritis sollte keine Loperamidtherapie erfol-
gen. Falls erforderlich (z. B. ausgeprägte Diarrhöen vor lan-
gem Rückflug), sollte der Patient initial 4 mg (2 Tabletten)
einnehmen, im Bedarfsfall ist dies auf maximal 16 mg täglich
zu steigern. Antibiotika sollte man nur bei schweren Diar-
rhöen und deutlicher Beeinträchtigung des Allgemeinzustands
einsetzen. Fluorchinolone (z. B. Ciprofloxacin) sind aufgrund
des Nebenwirkungsprofils («Rote-Hand-Briefe» in den ver-
gangenen Jahren!) und der steigenden Resistenzraten nicht
mehr uneingeschränkt Mittel der ersten Wahl. Zwar kann
Ciprofloxacin in der empirischen Behandlung häufig wirksam
sein (13), besonders bei in Südostasien erworbenen Infektio-
nen sollte man aufgrund der dort hohen Fluorchinolonresis-
tenzen jedoch eher das Makrolidantibiotikum Azithromycin
bevorzugen.
Bei parasitären Erkrankungen sollte man einen mikrobiolo-
gischen Erregernachweis anstreben. Während Metronidazol
gegen Protozoen wie Entamoeba histolytica oder Giardia
lamblia gut wirksam ist, hängt die Therapie bei intestinalen
Würmern von der verursachenden Spezies ab und sollte bei
komplizierten Fällen in Rücksprache mit einem tropenmedi-
zinischen Zentrum erfolgen.
s
Prof. Dr. med. Sören L. Becker, Dr. med. Fabian K. Berger, Dr. med. Sophie Schneitler Ambulanz für Reise- und Tropenmedizin und Institut für Medizinische Mikrobiologie und Hygiene Universitätsklinikum des Saarlandes D-66421 Homburg/Saar
Interessenlage: Prof. Dr. med. Sören L. Becker erhielt Vortragshonorare von Astellas Pharmaceuticals, Becton Dickinson, MSD, Novartis und Pfizer. Er ist Mitglied eines Advisory Boards der Firma Pfizer. Dr. med. Fabian K. Berger erhielt Vortragshonorare von MSD. Dr. med. Sophie Schneitler ist Vorstandsmitglied der Deutschen Gesellschaft für Tropenmedizin und Globale Gesundheit e. V.
Dieser Artikel erschien zuerst in «doctors today» 1/2020. Die leicht bearbeitete Übernahme erfolgt mit freundlicher Genehmigung von Verlag und Autoren.
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