Transkript
PNEUMOLOGIE
Asthma bronchiale
Auf dem Weg zur personalisierten Asthmatherapie
Das bessere Verständnis der Pathophysiologie des Asthma bronchiale und die Definition unterschiedlicher Phänotypen haben zwar die Behandlungsmöglichkeiten deutlich verbessert, dabei aber insbesondere die Diagnostik nicht einfacher gemacht. Welche Wege führen im klinischen Alltag zu einer zeitgemässen Asthmadiagnose, und welche Auswirkungen hat die komplexe Diagnostik auf die Therapie?
Asthma wird zunehmend besser verstanden. Unterschied man vor 30 Jahren noch primär zwischen extrinsischem und intrinsischem Asthma, rückten mit den Jahren zunächst die allergische Genese und dann die Rolle der T-Helferzellen vom Typ 2 (TH2) in den Fokus des Interesses. Heute bestehe die wesentliche Differenzierung zwischen T2-high- und T2-low-Asthma, wobei T2-high-Asthma wesentlich durch die Präsenz eosinophiler Granulozyten charakterisiert werde, so Prof. Daiana Stolz aus Basel. Jede dieser Asthmaformen weist charakteristische Zytokinmuster auf. Beide Formen der Entzündung führen letztlich zu Obstruktion der Atemwege, Bronchospasmen und Remodelling. In der klinischen Praxis bestehen zwei Möglichkeiten zur Charakterisierung von Asthmapatienten: Der Phänotyp bezieht sich auf das Bild, mit dem sich der Patient präsentiert – also auf Symptome, die Krankheitsgeschichte, biologische und physiologische Charakteristika, nicht jedoch auf die zugrunde liegenden Mechanismen. Wird ein spezifischer biologischer Signalweg identifiziert, der die Charakteristika eines Phänotyps erklärt, spricht man von einem Endotyp.
Patienten-Cluster: Endotyp, Phänotyp und die Grenzen der klaren Zuordnung
Im klinischen Alltag wird die Charakterisierung der Patienten allerdings dadurch erschwert, dass zwischen den verschiedenen Phänotypen und/oder Endotypen ausgeprägte Überschneidungen bestehen können. Wichtige Informationen zur Klassifizierung von Patienten hätten, so Stolz, drei Studien geliefert: das amerikanische Severe Asthma Research Program (SARP), die britische Leicester Study und die europäische Studie U.BIOPRED. Diese Studien zeigten, dass drei Faktoren entscheidend für die Klassifizierung sind: das Alter bei Krankheitsbeginn, die Lungenfunktion und der Allergiestatus (1). In allen drei Kohorten kristallisierten sich letztlich vier Gruppen heraus: • allergisches Asthma mit frühem Krankheitsbeginn und er-
haltener Lungenfunktion (Early-onset-Asthma) • allergisches Asthma mit frühem Krankheitsbeginn mit mo-
deratem bis schwerem Remodelling • nicht allergisches, eosinophiles Asthma mit spätem Krank-
heitsbeginn (Late-onset-Asthma)
• nicht allergisches, nicht eosinophiles Asthma mit spätem Krankheitsbeginn.
Eine kürzlich publizierte Cluster-Analyse des International Severe Asthma Registry (ISAR) anhand der Biomarker Serum-IgE (≥ 75 kU/l), Blut-Eosinophile (≥ 300 Zellen/µl) und FeNO (≥ 25 ppb) zeigte einen ausgeprägten Overlap hinsichtlich der Biomarkerpositivität und ergab sechs Patientencluster, nämlich (2): • Cluster 1 (61%): hoch symptomatische ältere Frauen mit
hohem BMI, häufigen Exazerbationen und niedrigen bis moderat erhöhten Biomarkern • Cluster 2 (18%): ältere Frauen mit niedrigem BMI, häufigen Exazerbationen sowie erhöhten Eosinophilen und erhöhtem FeNO • Cluster 3 (14%): hoch symptomatische Patienten mit niedrigem BMI, erhaltener Lungenfunktion und extrem hohem FeNO • Cluster 4 (6%): jüngere Patienten mit langer Krankheitsdauer, extrem hohem IgE, erhöhtem BMI und schlechter Lungenfunktion • Cluster 5 (1,2%): junge Männer mit niedrigem BMI, schlechter Lungenfunktion, extrem hohen Eosinophilen und ausgeprägter sinonasaler Beteiligung und Polypose.
Stolz wies darauf hin, dass die Gruppe der adipösen, älteren Frauen mit minimal erhöhten Biomarkern mehr als die Hälfte dieser Kohorte ausmachte. Dabei sei jedoch zu beachten, dass nur bei rund der Hälfte der Patienten der Phänotyp über die Zeit stabil bleibe. Man dürfe aus dem Fehlen einer T2-high-Inflammation nicht schliessen, dass diese auch in Zukunft nicht auftreten werde. Darüber hinaus kann eine Dysbiose in den Atemwegen die Eosinophilie verschleiern, indem sie unter anderem zu einer verstärkten Produktion von IL-13, einem Marker für Neutrophilie, führen kann. Ebenso kann infolge einer bakteriellen Fehlbesiedelung verstärkt IL-3 ausgeschüttet werden und zur Schwere der Symptomatik beitragen (3).
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PNEUMOLOGIE
Beteiligung der kleinen Atemwege als diagnostische Herausforderung
Hinsichtlich der Lungenfunktion ist die reversible Obstruktion der Atemwege der charakteristische Befund bei Asthma. Allerdings betonte Stolz, dass auch in dieser Hinsicht die Dinge nicht so einfach seien wie bisher vermutet. Das betrifft vor allem die Erkrankung der kleinen Atemwege (small airway disease, SAD). Um SAD diagnostizieren zu können, muss die Lungenfunktion mit weiteren Tests ergänzt werden (4); Stolz nannte in diesem Zusammenhang die ImpulsOszillometrie und den Mehrfach-Atemzug-N2-Auswaschtest (multiple breath washout, MBW). Die mit diesen Techniken erhobenen Parameter haben Aussagekraft im Hinblick auf unterschiedliche Ziele des Asthmamanagements (Obstruktion, Exazerbationen usw.). In Zukunft könnte auch die Bildgebung in der Asthmadiagnostik an Bedeutung gewinnen. Nicht zuletzt sind extrapulmonale Komorbiditäten und «treatable traits» zu beachten. In diesem Zusammenhang wies Stolz auf eine aktuelle Studie hin, die die Auswirkungen von Lebensstilfaktoren auf die Gesundheit und die Krankheitskontrolle von Asthmapatienten untersuchte. Dabei zeigte sich unter anderem, dass Bewegungsmangel, Angstsymptomatik und weibliches Geschlecht mit einem erhöhten Exazerbationsrisiko assoziiert waren, während verstärkte körperliche Aktivität das Risiko von Hospitalisierungen reduzierte (5).
Gesucht: Wirksamkeit abseits der
T2-Inflammation
Das dürfte auch auf Biologika mit neuen Wirkmechanismen
zutreffen. So erwies sich Tezepelumab, ein Antikörper gegen
das Zytokin TSLP (thymic stromal lymphopoietin), in der
Phase III als wirksam in der gesamten untersuchten Popula-
tion, das Ausmass des Effekts (Reduktion von Exazerbatio-
nen) war jedoch bei einer hohen Eosinophilenzahl sowie bei
hohem FeNO deutlicher (8). Brightling betonte aber, dass
auch die Patienten mit den niedrigsten Eosinophilenwerten
und dem niedrigsten FeNO von der Therapie profitiert hät-
ten, was als Hinweis auf Effekte von Tezepelumab über die
Beeinflussung der T2-Inflammation hinaus interpretiert wer-
den könne. Auch eine Abnahme der Hyperreagibilität der
Atemwege wies in diese Richtung. Ebenso zeigte eine Dosis-
findungsstudie mit dem in den IL-33/ST2-Signalweg eingrei-
fenden Antikörper Astegolimab zwar eine Reduktion der
Exazerbationsrate durch die gesamte Studienpopulation,
hier war der Effekt jedoch bei Patienten mit hoher Eosinophi-
lenzahl am schwächsten ausgeprägt (9). Das macht insofern
Hoffnung, als aktuell abseits des allergischen beziehungs-
weise Typ-2-Asthmas keine gezielten Therapien zur Verfü-
gung stehen. Brightling unterstrich in diesem Zusammen-
hang, dass sich Versuche, beispielsweise Anti-IL-23-Biolo-
gika bei Asthma einzusetzen, als wirkungslos oder sogar
kontraproduktiv erwiesen hätten.
s
Biomarkergeleitete Therapie des schweren Asthmas
Sowohl bei Asthma als auch bei COPD weise der Phänotyp den Weg zu einer personalisierten Asthmatherapie, so Prof. Dr. Chris Brightling von der Universität Leicester. Er betonte, dass die verschiedenen Komponenten der Atemwegserkrankungen wie Inflammation, Remodelling, Symptome, Exazerbationen, Obstruktion und so weiter mit einer Vielzahl von Tests quantifiziert werden könnten und die Ergebnisse dann Therapientscheidungen beeinflussten. Damit sei die Asthmatherapie letztlich immer eine personalisierte Therapie. Die Empfehlungen der Global Initiative for Asthma (GINA) betonen allerdings die Phänotypisierung erst ab Stufe 5, also bei schwerem Asthma. Hier sollen bei Patienten, die voraussichtlich von diesen Therapien profitieren werden, Medikamente zum Einsatz kommen, die auf die T2-Inflammation abzielen. Als relevante Marker stehen die Eosinophilenzahl und das FeNO zur Verfügung. Dass diese Marker nicht nur für die Diagnosestellung geeignet sind, sondern auch ein Monitoring des Therapieerfolgs ermöglichen, wurde in einer kleineren Studie aus Leicester demonstriert, die bei unter Therapie abfallenden Sputum-Eosinophilen einen dazu parallel verlaufenden Rückgang der Exazerbationen zeigte (6). Eine Analyse der mit dem Anti-IgE-Antikörper Omalizumab durchgeführten EXTRA-Studie zeigte, dass Patienten, bei denen bei Einschluss in die Studie die Biomarker FeNO, Blut-Eosinophile und Serum-Periostin am höchsten waren, auch am deutlichsten von der Therapie profitierten. Die Studie zeigte auch, dass in der Plazebogruppe FeNO ein guter Risikomarker für zukünftige Exazerbationen war (7). Ähnliches sei für andere gegen T2-Inflammation gerichtete Biologika gezeigt worden, so Brightling.
Reno Barth
Quelle: Wissenschaftliches Symposium «Precision medicine in asthma and COPD»
beim Jahreskongress der European Respiratory Society (ERS) am 6. September 2021,
online.
Referenzen: 1. Kaur R, Chupp G: Phenotypes and endotypes of adult asthma:
Moving toward precision medicine. J Allergy Clin Immunol. 2019;144(1):1-12. 2. Denton E et al.: Cluster Analysis of Inflammatory Biomarker Expression in the International Severe Asthma Registry. J Allergy Clin Immunol Pract. 2021;9(7):2680-2688.e7 3. Azim A et al.: Peripheral airways type 2 inflammation, neutrophilia and microbial dysbiosis in severe asthma. Allergy. 2021;76(7):2070-2078. 4. Postma DS et al.: Exploring the relevance and extent of small airways dysfunction in asthma (ATLANTIS): baseline data from a prospective cohort study. Lancet Respir Med. 2019;7(5):402-416. 5. Freitas PD et al.: Identification of asthma phenotypes based on extrapulmonary treatable traits. Eur Respir J. 2021;57(1):2000240. 6. Green RH et al.: Asthma exacerbations and sputum eosinophil counts: a randomised controlled trial. Lancet. 2002;360(9347):1715-1721. 7. Hanania NA et al.: Exploring the effects of omalizumab in allergic asthma: an analysis of biomarkers in the EXTRA study. Am J Respir Crit Care Med. 2013;187(8):804-811. 8. Menzies-Gow A et al. : Tezepelumab in Adults and Adolescents with Severe, Uncontrolled Asthma. N Engl J Med. 2021;384(19):1800-1809. 9. Kelsen SG et al.: Astegolimab (anti-ST2) efficacy and safety in adults with severe asthma: A randomized clinical trial. J Allergy Clin Immunol. 2021;148(3):790-798.
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