Transkript
GASTROENTEROLOGIE
Speiseröhre im Fokus
Reflux – Barrett – Karzinom
Ein gastroösophagealer Reflux, der die Ösophagusschleimhaut schädigt, kann letztlich in einen Speiseröhrenkrebs münden. Die Diagnose und die Therapie früher Stadien sind entscheidend, da bei den ersten Symptomen eines Adenokarzinoms der Tumor oft schon weit fortgeschritten ist. Zudem erlaubt eine frühe Diagnose meist eine endoskopische Resektion, die im Vergleich zur chirurgischen Therapie weniger komplikationsbehaftet ist.
David Albers, Brigitte Schumacher
Die Inzidenz des Adenokarzinoms der Speiseröhre hat sich in den letzten 40 Jahren in den westlichen Ländern versechsfacht (1, 2). Während in Asien das Plattenepithelkarzinom die vorherrschende Tumorentität ist, macht das Adenokarzinom in den USA bereits 60 Prozent der Ösophaguskarzinome aus (3). Die 5-Jahres-Überlebensrate liegt bei zirka 20 Prozent. Man geht davon aus, dass alle Adenokarzinome der Speiseröhre aus Barrett-Epithel hervorgehen. Die Pathogenese beginnt mit einer chronischen Schleimhautschädigung durch gastroösophagealen Reflux. Hierdurch wird das Plattenepithel der Speiseröhre durch Zylinderepithel ersetzt, wobei der histologische Nachweis einer spezialisierten intestinalen Metaplasie gefordert wird. Die Entwicklung des Adenokarzinoms vollzieht sich schrittweise von Barrett-Schleimhaut ohne Dysplasie zu Barrett-Schleimhaut mit einer niedriggradigen intraepithelialen Neoplasie und über eine hochgradige intraepitheliale Neoplasie bis zum Karzinom. Etwa 5 bis
MERKSÄTZE
� Die gastroösophageale Refluxerkrankung ist der wichtigste Risikofaktor für das Auftreten eines Barrett-Ösophagus.
� Eine generelle Empfehlung für eine Screeninguntersuchung besteht nicht, sollte jedoch bei langjährigen Refluxbeschwerden und weiteren Risikofaktoren erwogen werden.
� Es wird davon ausgegangen, dass alle Adenokarzinome der Speiseröhre aus Barrett-Epithel hervorgehen.
� Meist kann eine intraepitheliale Neoplasie endoskopisch lokalisiert werden. Andernfalls ist die Ablation des Barrett-Segments mittels Radiofrequenzablation (RFA) empfohlen. Zur Resektion eines Barrett-Frühkarzinoms kommen die endoskopische Mukosaresektion (EMR) und die endoskopische Submukosadissektion (ESD) zum Einsatz.
15 Prozent der Patienten mit chronischem Reflux entwickeln eine Barrett-Schleimhaut. Die Prävalenz in der Gesamtbevölkerung beträgt 1 bis 2 Prozent (4, 5). Die Diagnose eines Barrett-Ösophagus wird endoskopisch gestellt, wenn in der Speiseröhre über eine Mindeststrecke von 10 mm Zylinderepithel nachgewiesen wird, das histologisch eine spezialisierte intestinale Metaplasie enthält. Die gastroösophageale Refluxerkrankung ist der wichtigste Risikofaktor für das Auftreten eines Barrett-Ösophagus. Alle Faktoren, die das Auftreten von Reflux begünstigen, sind auch an der Pathogenese des Barrett-Ösophagus beteiligt. Männer sind deutlich häufiger betroffen als Frauen, unter 50 Jahren ist das Verhältnis 4:1 (6). Zigarettenrauchen verursacht ein 2- bis 4-faches Risiko für einen Barrett-Ösophagus (7). Alkohol ist dagegen kein Risikofaktor, mässigem Weingenuss wird sogar ein protektiver Effekt zugeschrieben (8). Weitere Risiken sind eine zentrale Adipositas, ein Lebensalter über 50 Jahre und eine positive Familienanamnese für Barrett-Ösophagus oder -karzinom. Das Risiko von Verwandten ersten Grades liegt bei 24 Prozent (9). Eine generelle Empfehlung für eine Screeninguntersuchung besteht nicht, sollte jedoch bei langjährigen Refluxbeschwerden und mehreren weiteren Risikofaktoren erwogen werden. Bei Nachweis eines Barrett-Ösophagus sollte der Arzt hingegen regelmässige Kontrolluntersuchungen vornehmen. Hochauflösende Endoskope (HD-Endoskopie) sind hier empfohlen. Zu einer routinemässigen Anwendung optischer Färbe- und Bildverbesserungsverfahren wird grundsätzlich nicht geraten, bei der Beurteilung lokaler Veränderungen innerhalb der Barrett-Schleimhaut können sie aber hilfreich sein. Die Beschreibung der Schleimhautveränderungen erfolgt anhand der Prag-Klassifikation, bei der die maximale zirkumferenzielle und die maximale Ausdehnung nach oral in Zentimetern angegeben werden. Es werden zunächst Biopsien aus allen fokalen Schleimhautveränderungen vorgenommen. Bei der Suche nach fokalen Veränderungen sollte man eine Chromoendoskopie oder ein virtuelles Färbeverfahren anwenden
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Abbildung 1: Barrett-Ösophagus (C3M5) mit Frühkarzinom Abbildung 2: Barrett-Ösophagus (C3M5) mit Frühkarzinom
im Weisslicht (© D. Albers)
nach Färben mit Indigo/Essigsäure (© D. Albers)
(10). Auch wenn ein kontrastverstärkendes Verfahren durch einen erfahrenen Untersucher die ungezielte Biopsie nicht mehr erfordert, empfehlen die Leitlinien der Fachgesellschaften Quadrantenbiopsien im Abstand von 2 cm, beginnend am oberen Ende der Magenfalten (11, 12).
Barrett-Ösophagus ohne Dysplasie
Mit einer Prävalenz von 1 bis 2 Prozent ist der Barrett-Ösophagus ein häufiges Phänomen. Auch wenn dieser eine Präkanzerose darstellt, erkrankt nur ein kleiner Teil der Patienten tatsächlich an einem Adenokarzinom (Abbildungen 1 und 2). Der Dysplasiegrad ist dabei der wichtigste Prädiktor. Liegt keine Dysplasie vor, ist das jährliche Karzinomrisiko mit 0,33 Prozent sehr gering. Eine ablative Therapie ist hier nicht gerechtfertigt, es sollten regelmässige Kontrolluntersuchungen stattfinden. Die Länge des Barrett-Segments ist ein wichtiger Risikofaktor für eine Neoplasie. So steigt das Dysplasierisiko pro Zentimeter Barrett-Länge um 14 Prozent (13). Liegt diese bei bis zu 3 cm, sollte man nach 5 Jahren und bei einer Länge bis zu 10 cm nach 3 Jahren endoskopisch nachkontrollieren. Bei einer Barrett-Länge von über 10 cm ist das Neoplasierisiko vergleichbar mit einer niedriggradigen intraepithelialen Neoplasie. Diese Patienten sollten in einem tertiären Zentrum betreut werden.
Barrett-Ösophagus mit LGIEN oder HGIEN
Die Diagnose einer intraepithelialen Neoplasie sollte grundsätzlich ein Referenzpathologe bestätigen. Die Bedeutung
Abbildungen 3a und 3b: Endoskopische Resektion des Befunds aus den Abbildungen 1 und 2 mittels endoskopischer Submukosadissektion (ESD) (© D. Albers)
einer Zweitbeurteilung wird durch die Arbeit von Curvers et al. (14) deutlich, bei der durch die Referenzbeurteilung 85 Prozent der Befunde auf Barrett-Schleimhaut ohne Dysplasie zurückgestuft wurden. Zudem lässt sich die Diagnose einer niedriggradigen intraepithelialen Neoplasie (LGIEN) in 30 Prozent der Fälle in nachfolgenden Endoskopien nicht reproduzieren. Diese Patienten sollten in Tertiärzentren vorstellig und nach 6 Monaten nachkontrolliert werden. Bestätigt sich die Diagnose, liegt ein relevantes Risiko für eine hochgradige intraepitheliale Neoplasie (HGIEN) oder ein Karzinom vor (15). Eine ablative Therapie sollte erfolgen. Die Diagnose einer HGIEN sollte ebenfalls ein Referenzpathologe bestätigen. Im endoskopischen Referenzzentrum werden dann alle sichtbaren Veränderungen endoskopisch reseziert. Eine HGIEN ohne endoskopisch sichtbare Veränderungen ist mit nur 20 Prozent der Patienten selten (11). In der Regel kann das Tertiärzentrum die Dysplasie endoskopisch lokalisieren. Andernfalls ist die Ablation des
Kasuistik
Ein 42-jähriger Patient klagt beim Hausarzt über seit Monaten andauerndes Sodbrennen und thorakales Brennen. Eine kardiologische Abklärung ergab einen unauffälligen Befund. Die Beschwerden treten im Liegen häufig verstärkt auf, vorwiegend nach grösseren abendlichen Mahlzeiten. Nach Einnahme lokaler Antazida geht es ihm besser. Die anschliessende Ösophago-Gastro-Duodenoskopie (ÖGD) zeigt eine floride Refluxösophagitis Stadium C der Los-Angeles-Klassifikation bei einer axialen Hiatushernie. Der Patient erhält einen Protonenpumpeninhibitor (PPI), wodurch die Beschwerden gut rückläufig sind. Nach 6 Wochen erfolgt eine Kontrollendoskopie, bei der zirkuläre, lachsfarbene Schleimhaut auf den distalen 2 cm der Speiseröhre nachgewiesen wird, zusätzlich bestehen 2 jeweils 2 cm lange zungenförmige Ausläufer nach oral (C2M4 nach Prag-Klassifikation). Die histologische Untersuchung liefert den Nachweis von Barrett-Schleimhaut ohne intraepitheliale Neoplasie. Der Patient wird endoskopisch überwacht.
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Barrett-Segments mittels Radiofrequenzablation (RFA) empfohlen.
Barrett-Frühkarzinom
Hier kommen die endoskopische Mukosaresektion (EMR) und die endoskopische Submukosadissektion (ESD) (Abbildungen 3a und 3b) zum Einsatz. Die EMR ist technisch leichter durchführbar, hat ab einer Läsionsgrösse von 10 bis 15 mm jedoch den Nachteil der mehrteiligen Resektion (Piecemeal-Resektion). Eine Resektion nach onkologischen Kriterien ist dann nicht mehr gegeben. Die ESD ist technisch anspruchsvoller, bietet aber die Möglichkeit einer En-blocResektion, prinzipiell unabhängig von der Resektatgrösse. Während beim Plattenepithelkarzinom des Ösophagus aufgrund des frühen Risikos für eine Lymphknotenmetastasierung die ESD im Fokus steht, gilt in der westlichen Welt für das Barrett-Karzinom die EMR als Standardverfahren. Bei mukosalen Karzinomen konnte man in einer grossen Serie mit 1000 Patienten bei einem Komplikationsrisiko von 1,5 Prozent in 96 Prozent der Fälle einen Therapieerfolg erzielen. Bei 14,5 Prozent traten Rezidive oder metachrone Läsionen auf, die man aber meist ebenfalls endoskopisch therapieren konnte (16). Auf die Mukosa beschränkte Karzinome weisen ein geringes Lymphknotenmetastasierungsrisiko auf. Sie können als endoskopisch kurativ reseziert gelten, wenn sie gut bis mässig differenziert sind (G1 und G2) und keine Lymphknoten- oder Gefässinvasion (L0 und V0) zeigen (17, 18). Bleibt die Tiefeninvasion auf die oberen 500 μm der Submukosa beschränkt und liegt eine Low-Risk-Situation (G1–2, L0, V0, Tumorgrösse < 3 cm) vor, ist das Risiko für einen Lymphknotenbefall mit 1,4 Prozent immer noch relativ gering (19, 20). Angesichts der Mortalität und der Morbidität der chirurgischen Therapie können diese Patienten ebenfalls als kurativ therapiert gewertet werden. Die Entscheidung sollte der Arzt multidisziplinär und mit dem Patienten treffen. Bei bereits vor Therapie erfolgtem Nachweis eines Karzinoms kommt der histologischen Beurteilung eine grosse Bedeutung zu, sodass die Autoren in diesem Fall der ESD trotz des grösseren technischen Aufwands den Vorzug geben.
Rest-Barrett-Schleimhaut nach Resektion
21,5 Prozent der Patienten mit kurativ endoskopisch therapiertem Frühkarzinom oder HGIEN entwickeln eine metachrone Läsion nach einem mittleren Follow-up von zirka 5 Jahren (21). Die alleinige endoskopische Resektion aller sichtbaren Veränderungen ist daher nicht ausreichend. Es muss sich die Eradikation des kompletten Barrett-Segments in einem zweiten Schritt anschliessen (2-Stufen-Konzept). Die endoskopische Resektion zirkulärer Barrett-Areale geht mit einer Strikturrate von bis zu 88 Prozent einher, sodass sich die komplikationsarme Radiofrequenzablation (RFA) als Verfahren der Wahl etabliert hat (22). Nach kompletter Entfernung des Barrett-Epithels durch endoskopische Resektion und RFA (Abbildungen 4 und 5) liegt das Risiko für ein Rezidiv der intestinalen Metaplasie bei etwa 25 Prozent (23, 24). Die Rezidivrate ist abhängig von der initialen Histologie vor der Therapie (25). Als Standard für hochgradige intestinale Metaplasie und Karzinom gelten vierteljährliche Kontrollen im ersten Jahr, halbjährliche im zweiten sowie anschliessende jährliche Kontrollen. Bei initialer Low-Grade-Neoplasie sind halbjährliche Kontrollen im ersten Jahr und danach jährliche Untersuchungen zulässig.
Dr. med. David Albers Prof. Dr. med. Brigitte Schumacher Elisabeth-Krankenhaus Essen D-45138 Essen
Interessenlage: Die Autoren haben keine Interessenkonflikte deklariert.
Abbildung 4: Rest-Barrett-Schleimhaut (C4M4) nach vorausgegangener endoskopischer Submukosadissektion (ESD) eines Frühkarzinoms (© D. Albers)
Abbildung 5: Z. n. Radiofrequenzablation (RFA) des Befunds aus Abbildung 4 (© D. Albers)
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