Transkript
EDITORIAL NOBELPREISTRÄGER DER PHYSIOLOGIE ODER MEDIZIN
1926: Johannes Fibiger (Dänemark)
«… für seine Entdeckung des Spiropterakarzinoms» (verliehen 1927)
Johannes Fibiger (Quelle: https://de.wikipedia.org)
Johannes Andreas Grib Fibiger wurde 1867 in Silkeborg, Dänemark, als zweiter Sohn von Christian Ludvig Wilhelm und Elfride Fibiger geboren. Sein Vater war Arzt, seine Mutter Autorin. Nach dem Tod des Vaters – Johannes war gerade drei Jahre alt – zog die Familie nach Kopenhagen, wo die Mutter ihren Lebensunterhalt mit Schreiben verdiente. Sie gründete dort die erste Kochschule, die Copenhagen Cooking School. Mit 16 Jahren begann Fibiger an der Universität Kopenhagen Zoologie und Botanik zu studieren. Er schloss das Studium 1883 ab und studierte anschliessend Medizin. Ab 1890 arbeitete er einige Monate als Arzt an verschiedenen Krankenhäusern, unter anderem auch bei Robert Koch und Emil Adolf von Behring in Berlin. 1894 trat Fibiger dem Royal Danish Army Medical Corps bei. Während des Militärdienstes promovierte er mit einer Dissertation über die Bakteriologie der Diphtherie. Später setzte er die Diphtherieforschung am Blegdamshospitalet in Kopenhagen fort, wurde zum Prosektor am Institut für Pathologische Anatomie der Universität Kopenhagen, danach zum ordentlichen Professor und 1900 zum Direktor befördert.
Während seiner Arbeit am Institut für Pathologische Anatomie entdeckte Fibiger 1907 neue Spulwürmer (Spiroptera, heute: Gongylonema neoplasticum). Er vermutete, dass die Spulwürmer bei Ratten für Magenkrebs verantwortlich waren, und berichtete 1913, dass er bei gesunden Ratten experimentell Krebs auslösen konnte. Seine Entdeckung (Karzinominduktion durch Infektion) galt damals als grosser Beitrag zur experimentellen Medizin. Für seine Entdeckung des «Spiropterakarzinoms» erhielt er den Nobelpreis des Jahres 1926 für Physiologie oder Medizin, nachdem er ab 1920 mehrfach nominiert worden war. Wegen Meinungsverschiedenheiten im Preiskomitee wurde der Preis allerdings zunächst gar nicht beziehungsweise erst mit einem Jahr Verspätung, im Jahr 1927, vergeben. Zwei ebenfalls nominierte Forscher aus Japan, die ein teerinduziertes Karzinom entdeckt hatten, gingen leer aus. Später stellte sich tatsächlich heraus, dass Fibigers Entdeckung ein Fehlschluss gewesen war. Erling Norrby, ständiger Sekretär der Königlich Schwedischen Akademie der Wissenschaften, bezeichnete Fibigers Nobelpreis gar als «einen der grössten Fehler des Karolinska-Instituts», denn nach Fibigers Tod bewiesen unabhängige Untersuchungen, dass die induzierten Tumoren in Wirklichkeit auf Vitamin-A-Mangel zurückzuführen waren. Die Arbeit des nicht preisgekrönten Japaners Yamagiwa wurde hingegen zur wichtigsten Grundlage für die Induktion von Tumoren in der Krebsforschung. Die Encyclopædia Britannica beispielsweise nennt Yamagiwas Arbeit einen Meilenstein, ohne Fibiger zu erwähnen. Fibiger heiratete 1894 seine Cousine Mathilde. Sie hatten zwei Kinder. Fibiger selber litt an Dickdarmkrebs; er verstarb 1928, einen Monat nach Erhalt des Nobelpreises, in Kopenhagen an einem Herzinfarkt.
Richard Altorfer
ARS MEDICI DOSSIER VII | 2021
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