Transkript
DIABETOLOGIE/ENDOKRINOLOGIE
Therapie der Hypoglykämie
Glukagon durch die Nase
Tritt bei Diabetespatienten eine Hypoglykämie auf, ist Essen ohne Spritz-Ess-Abstand oder die Einnahme von Traubenzucker in der Regel genügend. Bei schweren Hypoglykämien ist dagegen die parenterale Verabreichung von Glukose oder Glukagon indiziert. Letzteres kann jetzt auch als Nasenspray appliziert werden.
Die häufigsten Ursachen einer Hypoglykämie bei insulinpflichtigen Diabetespatienten sind eine Überdosierung von Insulin oder von oralen Antidiabetika (Sulfonylharnstoffe, Glinide) oder Fehler bei der Nahrungsaufnahme nach einer Insulinverabreichung. Eine Hypoglykämie zeigt sich durch Symptome wie Zittern, Schwitzen, Palpitationen, Tachykardien, Heisshunger und Blässe. Sinkt der Glukosespiegel unter 2,8 mmol/l (50 mg/dl), werden auch neuronale Funktionen beeinträchtigt, was sich zum Beispiel durch Benommenheit, Sprachstörungen, Sehstörungen bis zu Bewusstlosigkeit und Koma äussern kann. Um bei einer schweren Unterzuckerung die Glukoseabgabe aus der Leber via Glukoneogenese aus dem Glykogenreservoir anzutreiben, kann Glukagon direkt verabreicht werden. Bislang wurde dieses parenteral verabreicht, seit Kurzem ist es auch als Nasenspray mit 3 mg Glukagonpulver verfügbar. Dieses wird durch die Nasenschleimhaut absorbiert.
Gleich effizient
Die gepoolten Daten mit Typ-1- und Typ-2-Diabetikern zeig-
ten, dass 99,5 Prozent der Patienten (213/214) in der Nasen-
spraygruppe und 100 Prozent in der Injektionsgruppe nach
13 respektive 11 Minuten den geforderten Blutzuckerwert
erreichten. Darüber hinaus erreichten alle Typ-2-Diabetiker
(n = 41) mit dem Nasenspray den Zielwert. Unter beiden
Glukagonformulierungen veränderte sich der Blutzucker in
ähnlicher Weise. Als Nebenwirkungen traten unter beiden
Formulierungen Nausea und Erbrechen auf, Kopfschmerzen
und nasale Störungen mit dem Nasenspray etwas häufiger
(13 vs. 7% und 4 vs. 1%). Insgesamt war das Nasenspray bei
den Typ-1- und Typ-2-Diabetikern in Bezug auf das Aufhe-
ben der Hypoglykämie gut wirksam und wurde gut vertra-
gen. Das Risiko für eine sekundäre Hypoglykämie war, ver-
glichen mit der Injektion, nicht erhöht (3).
s
Nasenspray versus Injektion
Ob es den gleich schnellen Effekt hat wie das zu spritzende Glukagon, zeigten gepoolte Post-hoc-Analysen der Zulassungsstudien (1) (n = 214), die am ADA-Kongress präsentiert wurden. In den Zulassungsstudien wurde das Glukagonnasenspray bei Typ-1- und Typ-2-Diabetikern mit einer Glukagoninjektion (1 mg) in Bezug auf die Reversibilität einer insulininduzierten Hypoglykämie verglichen. Die Post-hocAnalysen berücksichtigen Daten aus 3 randomisierten Crossover-Studien. Der Therapieerfolg war durch das Ansteigen des Blutzuckerspiegels vom tiefsten Wert auf ≥ 70 mg/dl definiert oder um ≥ 20 mg/dl innerhalb von 30 Minuten (2).
Valérie Herzog
Referenzen: 1. Rickels MR et al.: Intranasal glucagon for treatment of insulin-in-
duced hypoglycemia in adults with type 1 diabetes: a randomized crossover noninferiority study. Diabetes Care 2016; 39: 264–270. 2. Seaquist ER et al.: Nasal glucagon reversed insulin-induced hypoglycemia in adults with diabetes: a pooled analysis. 1074-P. Jahreskongress der American Diabetes Association, 12. bis 16. Juni, virtuell. 3. Yan Y et al.: Nasal glucagon was efficacious in reversing insulin-induced hypoglycemia without increasing risk of secondary hypoglycemia. 1085-P. Jahreskongress der American Diabetes Association, 12. bis 16. Juni, virtuell.
16 ARS MEDICI DOSSIER IV | 2021