Transkript
EDITORIAL NOBELPREISTRÄGER DER PHYSIOLOGIE ODER MEDIZIN
1935: Hans Spemann (Deutsches Reich)
«… für die Entdeckung des Organisatoreffekts im embryonalen Entwicklungsstadium»
Hans Spemann (Quelle: https://de.wikipedia.org)
Hans Spemann wurde 1869 in Stuttgart als ältester Sohn des Verlegers Wilhelm Spemann und seiner Ehefrau Lisanka geboren. Von 1878 bis 1888 besuchte er das Gymnasium in Stuttgart. Nach seinem Militärdienst (1890) arbeitete er für ein Jahr als Buchhändler. 1891 schrieb er sich an der medizinischen Fakultät der Universität Heidelberg ein. Im Winter 1893/94 war Spemann in München, und bis 1908 arbeitete er am Zoologischen Institut in Würzburg, wo er 1895 das Studium der Zoologie, Botanik und Physik abschloss und promovierte. Seine Lehrer waren Theodor Boveri, Julius Sachs und Wilhelm Röntgen. Spemann hatte mit dem Thema seiner Doktorarbeit zu kämpfen. Das Fortpflanzungsverhalten des Bandwurms war der Verwandtschaft seiner Verlobten Clara Binder zu unappetitlich; es drohte die Eheschliessung zu verhindern. Erst die Fürsprache seines Doktorvaters Boveri sowie die Uminterpretation des Themas auf einen philosophischen Grundnenner («Über das Paradoxe») durch einen Vetter der Verlobten bewirkten, dass Spemann 1895 doch noch heiraten durfte. Das Paar bekam drei Söhne und eine Tochter.
Spemann führte bereits 1902 erste wichtige Versuche zur Zellteilung durch. Es gelang ihm beispielsweise, die beiden Zellen des Zwei-Zell-Stadiums eines Salamanders mit einem Säuglingshaar zu trennen, wodurch er künstlich Zwillinge erzeugte. Durch dieses Schnürungsexperiment und weitere Versuche an mehrzelligen Embryonalstadien wurde nachgewiesen, dass die Furchungszellen eines Embryos in frühen Entwicklungsstadien noch sämtliche für die weitere Entwicklung notwendigen Erbinformationen beinhalten.
Ab 1908 lehrte Spemann als Professor für allgemeine Zoologie und vergleichende Anatomie an der Universität Rostock. Von 1914 bis 1919 war er Direktor des Instituts für Biologie in Berlin-Dahlem und von 1919 bis 1937 Lehrstuhlinhaber für Zoologie. 1935 erhielt Spemann für den gemeinsam mit Hilde Mangold entdeckten und später nach Spemann benannten Organisatoreffekt während der Embryonalentwicklung den Nobelpreis für Physiologie oder Medizin. Er hatte durch Transplantationsexperimente an der frühen Gastrula nachgewiesen, dass sich ein Gewebe ortsspezifisch und nicht gemäss der Herkunftsstelle im Spenderorganismus verhält. Die Zellen waren in diesem frühen Entwicklungsstadium noch nicht determiniert. Bei Transplantationsexperimenten an der späten Gastrula ergab sich dagegen ein anderer Effekt: Hier entwickelte sich das Transplantat herkunftsgemäss. Das heisst, das Gewebe war nun determiniert. Spemann starb nach einer länger dauernden Herzerkrankung 1941 in Freiburg i. Br.
Richard Altorfer
ARS MEDICI DOSSIER II | 2021
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