Transkript
PNEUMOLOGIE/ALLERGOLOGIE
Schweres Asthma vom Typ 2
Mehrheit der Betroffenen erzielt mit Antikörpern eine gute Asthmakontrolle
Gerade bei einem schweren Asthma gehört heute die Phänotypisierung zu einem guten Management dazu. Denn aus dem Phänotyp sowie aus den Fragen nach relevanten Allergien und Komorbiditäten lässt sich die optimale Therapie ableiten. Hierzu hat die Global Initiative for Asthma (GINA) einen Leitfaden erstellt, der das Management und die Therapieentscheidungen in der Praxis erleichtert.
Auch bei einem schweren Asthma gelte es, zuerst die Diagnose zu verifizieren und zwischen schwerem und schwierigem Asthma zu unterscheiden, betonte Prof. Roland Buhl aus Mainz (D) in einer deutschsprachigen Session beim virtuellen Jahreskongress der European Respiratory Society (ERS). Wenn die Diagnose gesichert ist, sollte man Einflussfaktoren wie zum Beispiel unerkannte Trigger, mangelnde Therapietreue und schlechte Inhalationstechnik ausschliessen. Wenn das ausgeschlossen wurde und der Patient trotz einer Therapie mit einem suffizienten, mittelgradig bis hoch dosierten Inhalationskortikoid und idealerweise 2 Bronchodilatatoren immer noch keine ausreichende Asthmakontrolle erzielt, dann spricht man von einem schweren Asthma. Erst in dieser Situation, wenn also die inhalative Therapie trotz aller eingesetzten Optionen an ihre Grenzen stösst, wird in der GINA-Leitlinie die Therapie mit Biologika empfohlen. Diese sollten heute noch vor systemischen Kortikoiden eingesetzt werden, betonte Buhl: «Ich kann es heute meinen Patienten gegenüber nicht mehr rechtfertigen, zuerst zu einem systemischen Kortison zu greifen. Das Nebenwirkungspotenzial dieser Präparate ist einfach zu hoch.»
«Ich kann es heute meinen Patienten gegenüber nicht mehr rechtfertigen, zuerst zu einem systemischen Kortison zu greifen.»
Um für Patienten mit einem schweren Asthma das am besten geeignete Biologikum auszuwählen, wird heute eine Bestimmung des Phänotyps empfohlen. Dies geschieht auf der Basis von Anamnese, Lungenfunktion, Biomarkern und weiteren Faktoren. Von hoher therapeutischer Relevanz ist dabei die Unterscheidung zwischen einem Typ-2-Asthma, bei dem die zelluläre Immunreaktion vom Typ 2 dominiert, und einem Asthma ohne Typ-2-Dominanz. Das Typ-2-Asthma wird weiter unterteilt in das allergische und das eosinophile Asthma. Für diese Unterscheidung sind nach den Worten von
Buhl 3 Biomarker ausreichend, aber auch unverzichtbar: Eosinophile, Immunglobulin E (IgE) und Stickstoffmonoxid im Exhalat (FeNO). «Wir müssen heute … bei jedem Patienten ein Differenzialblutbild haben, um zu wissen, wie hoch die Eosinophilenzahl ist – und bitte die Absolutzahl», betonte Buhl, weil der relative Wert zu stark von der Gesamtzahl der Leukozyten beeinflusst werde. Wichtig sei zudem auch die Frage nach einer klinisch relevanten Allergie. Aus diesen 4 Faktoren lässt sich laut GINA die Frage, ob ein eosinophiles oder ein allergisches Asthma, vorliegt, klar beantworten: Ein Typ-2-Asthma liegt vor, wenn der Patient mindestens 150 Eosinophile pro Mikroliter Blut, mindestens 20 ppb Stickoxide im Exhalat oder eine relevante Allergie, belegt durch spezifisches IgE und/oder Hauttests und/oder eine klare Anamnese, hat (siehe Kasten 1). Zu bedenken sei dabei, dass diese Biomarker durch systemische Kortikoide und andere Medikamente beeinflusst werden können und die Untersuchungen daher gegebenenfalls wiederholt werden sollten, empfahl Buhl.
Typ-2-Pathogenese: 2 Signalwege mit ähnlichem Zytokinmuster
Ein Allergen kann über eine Aktivierung des adaptiven Immunsystems ein allergisches Asthma auslösen. Wesentliche Biomarker beim allergischen Asthma sind IgE und verschiedene Interleukine. In gleicher Weise können nicht allergische Trigger das angeborene Immunsystem stimulieren. Dabei kommt es ebenfalls zu einer vermehrten Produktion von Interleukinen, die zu einer hohen Eosinophilenzahl führen – hier spricht man von einem eosinophilen Asthma. Diese beiden Asthmaphänotypen seien, wie Buhl weiter ausführte, leicht zu unterscheiden: Das allergische Asthma zeichnet sich durch einen klaren Bezug der Symptome zu klassischen Allergenen aus; die Beschwerden beginnen meist bereits früh im Leben, häufig schon im Kindes- und Jugendalter. Die Beschwerden sind klar mit einer Allergenexposition assoziiert, und häufig leiden die Betroffenen auch unter allergischen Komorbiditäten. Diese Patienten weisen einen positiven Allergietest und spezifisches IgE gegen das auslösende Allergen auf. Therapeutisch sprechen sie sowohl auf inhalative als auch auf systemische Kortikoide sehr gut an.
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Tabelle:
Mit welchem Biologikum sollte gestartet werden?
Wirkungsmechanismus
Welche Kriterien müssen erfüllt sein? (Indikation)*
Anti-IgE
Schweres allergisches Asthma:
(Omalizumab)
• Sensibilisierung im Hautpricktest
oder spezifisches IgE•
• Gesamt-IgE und Gewicht im
Dosierungsbereich
Anti-IL-5
• Exazerbationen im letzten Jahr Schweres eosinophiles Asthma:
(Mepolizumab, Reslizumab) • Exazerbationen im letzten Jahr
Anti-IL-5R
• Bluteosinophile ≥ 300/µl
(Benralizumab) Anti-IL-4
Schweres eosinophiles/Typ-2-Asthma:
(Dupilumab**)
• Exazerbationen im letzten Jahr
• Bluteosinophile ≥ 150/µl oder FeNO ≥ 25 ppb … oder Bedarf an oralen Steroiden als
Erhaltungstherapie
Welche Faktoren sprechen für ein gutes Ansprechen? (Kofaktoren) • Bluteosinophile ≥ 260/µl ++ • FeNO ≥ 25 ppb + • allergengetriebene Symptome + • Asthmabeginn in Kindheit +
• hohe Bluteosinophilie +++ • mehrere Exazerbationen im letzten Jahr +++ • Asthmabeginn im Erwachsenenalter ++ • Polyposis nasi ++ • hohe Bluteosinophilie +++ • höheres FeNO +++
Kann auch eingesetzt werden bei • mittelgradiger/schwerer atopischer Dermatitis • Polyposis nasi
*Indikation laut GINA, die Schweizer Fachinformationen haben abweichende Formulierungen ** in der Schweiz noch nicht für die Asthmatherapie zugelassen Quelle: GINA Pocket Guide «Difficult-to-treat & severe asthma in adolescent and adult patients», Stand April 2019
Im Gegensatz dazu zeichnet sich das eosinophile Asthma durch einen Erkrankungsbeginn in der zweiten Lebenshälfte oder zumindest nach dem 30. Lebensjahr aus, wobei Ausnahmen die Regel bestätigen. Diese Patienten sind deutlich symptomatischer als die Patienten mit allergischem Asthma, sie haben in der Regel eine höhere Exazerbationsfrequenz und sehr hohe Eosinophilenzahlen. Die Patienten können durchaus auch einen positiven Allergietest aufweisen, allerdings ist hier die Allergie für die Asthmasymptomatik nicht relevant. Ganz häufig, bei mindestens der Hälfte bis zu zwei Dritteln der Patienten, besteht eine Polyposis nasi. «Die Frage, ob die Patienten noch adäquat riechen oder schmecken, ist fast so gut wie eine CT der Nasennebenhöhlen, um zu beurteilen, ob der Patient Polypen haben könnte», so die praktische Erfahrung von Buhl. Diese Patienten sprechen sehr gut auf orale Kortikoide an – und natürlich auch auf monoklonale Antikörper, die gegen Signalwege der eosinophilen Gra-
Kasten 1:
Typ-2-Asthma liegt vor, wenn …
• Eosinophile ≥ 150/µl Blut und/oder • FeNo ≥ 20 ppb und/oder • allergiegetriggerte Erkrankung, positive Allergietests,
spezifisches IgE? und/oder • Eosinophile im Sputum ≥ 2%
Quelle: https://ginasthma.org/
nulozyten gerichtet sind, wie Antikörper gegen IL-5 oder dessen Rezeptor oder gegen den IL-4/13-Rezeptor.
Welches Biologikum für welchen Asthmatiker?
Sobald die Diagnose gestellt ist, stellt sich die Frage, ob der Patient ein Biologikum erhalten soll. Derzeit stehen 5 Antikörper zur Verfügung. Um die Auswahl zu erleichtern, hat die GINA klare Entscheidungskriterien erarbeitet, bei welchen Befundkonstellationen welchem Antikörper der Vorzug gegeben werden sollte (siehe Tabelle). Zusätzlich sollten bei der Therapieentscheidung auch die extrapulmonalen Komorbiditäten berücksichtigt werden, empfahl Buhl: So helfe Omalizumab, ein Antikörper gegen IgE, nicht nur gegen Allergien, sondern auch gegen Urtikaria und gegen die Polyposis nasi – für Letzteres erfolgte erst vor Kurzem die Zulassungserweiterung. Dupilumab, ein Antikörper gegen IL-4/13, ist sehr effektiv gegen die atopische Dermatitis; auch für diesen Antikörper wurde eine Wirksamkeit gegen die chronische Rhinosinusitis mit und ohne Nasenpolypen gezeigt. Antikörper gegen IL-5 oder dessen Rezeptor, Mepolizumab und Benralizumab, haben eine sehr gute Wirksamkeit bei Hypereosinophilie und beim Churg-Strauss-Syndrom – und auch hier wird die Wirksamkeit gegen die chronische Rhinosinusitis mit und ohne Nasenpolypen aktuell in Studien geprüft. «Es fällt mir relativ leicht, vorherzusagen, dass hier bald auch eine entsprechende Zulassung erfolgen wird», so die Einschätzung von Buhl. Die eingeschlagene Therapie sollte nach 4 bis 6 Monaten auf ihre Effektivität überprüft werden.
Wann sind monoklonale Antikörper sinnlos?
Zusätzlich zu diesen Phänotypen gibt es eine kleine Gruppe von Patienten mit schwerem Asthma, die weder dem allergischen noch dem eosinophilen Phänotyp zuzuordnen sind –
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die also kein Typ-2-Asthma haben. Der Anteil dieser Patienten liegt deutlich unter 10 Prozent. Hierzu gehören zum Beispiel auch übergewichtige Asthmapatienten, bei denen oft andere Pathomechanismen eine Rolle spielen. Eine weitere Form dieser Untergruppe umschrieb Buhl mit dem Begriff «Athletenasthma»: Gemeint sind Ausdauersportler, bei
Download-Tipp
GINA-Leitfaden zum Management des schweren Asthmas
Zur Unterstützung von Ärzten, die Patienten mit einem schweren Asthma betreuen, hat die Global Initiative for Asthma (GINA) einen Taschenleitfaden veröffentlicht, in dem der aktuelle Wissensstand zu Diagnose und Betreuung von Patienten mit einem schwer behandelbaren Asthma zusammengetragen wurde. Die Broschüre steht kostenlos zum Download zur Verfügung unter
https://ginasthma.org/severeasthma
denen es vor allem im Winter durch die Austrocknung der Schleimhaut durch die Langzeitanstrengung zu Veränderungen kommt, die nichts mit dem klassischen Asthma zu tun haben, sich aber symptomatisch ähnlich äussern. Kinder, die mit einer bronchopulmonalen Dysplasie auf die Welt kommen, können später durch diese Vorschädigung der Lunge ebenfalls Probleme im Sinne eines Asthmas haben, ohne eine Typ-2-Immunreaktion aufzuweisen.
Fazit
«Die Therapie des schweren Asthmas ist genauso wie die
Asthmatherapie insgesamt eine fantastische Erfolgsge-
schichte. Wir sind heute in der Lage, bei der überwältigenden
Mehrheit unserer Patienten das Asthma sehr gut zu kontrol-
lieren», so Buhl abschliessend. Mit den neuen Therapieoptio-
nen sei es heute realistisch, selbst schwerstkranken Patienten,
die über viele Jahre mit hohen Kortikoiddosen behandelt
werden mussten, eine deutlich bessere Asthmakontrolle und
eine niedrigere Exazerbationsfrequenz bei gleichzeitig deut-
lich niedrigerem Bedarf an oralen Kortikoiden zu garantie-
ren.
s
Adela Žatecky
Quelle: Online-Jahreskongress der European Respiratory Society, Deutsche Session am 8. September 2020.
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