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GASTROENTEROLOGIE
Hepatitis C
Worauf es bei der Therapie ankommt
Foto: vh
Im Vergleich zu früher ist die Hepatitis-C-Therapie mit den heute verfügbaren Mitteln sehr einfach und eine Ausheilung für viele Patienten erreichbar geworden. Worauf bei der Therapiewahl zu achten ist, damit die Behandlung zum Erfolg wird, und wie viel Kontrolle tatsächlich nötig ist, erklärte Prof. Alessio Aghemo, Gastroenterology, Humanitas Research Hospital, Rozzano (I), an der UEG-Week in Barcelona.
Die Entwicklung von Wirksubstanzen gegen
Hepatitis C dürfte mit den heute verfügbaren
direkt antiviral wirksamen Substanzen (DAA)
abgeschlossen sein. Diese umfassen NS5B-
Polymerase-Inhibitoren (Sofosbuvir), Protease-
inhibitoren (Glecaprevir, Grazoprevir, Voxila-
previr) und NS5A-Inhibitoren (Elbasvir, Ledi-
pasvir, Pibrentasvir, Velpatasvir). Zweier- oder
Dreierkombinationen aus den verschiedenen
Prof. Alessio Aghemo
Substanzklassen erhöhen jeweils die Wirksamkeit, auch bei Patienten, bei denen die voran-
gegangene Therapie versagt hat.
In einer italienischen Real-World-Studie (n = 1260) erreichte
die Kombination Grazopresvir/Elbasvir ein anhaltendes viro-
logisches Ansprechen nach 12 Wochen (sustained viorolgic
response, SVR12) – ein Marker für die Ausheilung der Hepa-
titis C – bei den Genotypen 1a, 1b und bei über 97 Prozent
der Patienten ohne Zirrhose, bei Patienten mit Zirrhose mit
95 Prozent etwas weniger (1). Auch Sofosbusvir/Velpatasvir
erreichte in einer weltweiten Real-World-Studie eine Aushei-
lungsrate von mindestens 96,4 Prozent nach 12 Wochen,
unabhängig von Genotyp und Zirrhosestatus (2). Eine inter-
nationale Real-World-Studie mit der Kombination Glecapre-
vir/Pibrentasvir bescheinigt dieser ebenfalls eine SVR12 von
mindestens 94 Prozent, auch unabhängig von Genotyp und
Zirrhosestadium (3). Von der Dreifachkombination von So-
fosbuvir/Velpatasvir/Voxilaprevir sind ebenfalls hohe Aus-
heilungsraten unabhängig von Genotyp (> 96%) und Fibro-
MERKSÄTZE
� Die Wirksamkeit und die Sicherheit von DAA haben sich in Real-World-Studien bestätigt.
� Die Wahl des DAA sollte auf dem Genotyp, vormaligem Therapieversagen, der Krankheitsschwere und der Arzneimittelinteraktionen (vor allem bei Älteren) basieren.
� Die Therapieüberwachung kann ohne Wirkverlust reduziert werden.
sestadium (> 93%) zu sehen, wie eine italienische RealWorld-Studie erhoben hat (4). Diese bleibt jedoch Patienten vorbehalten, die unter der Zweierkombination keine Ausheilung erreichen. All diese Daten ergeben ein Gesamtbild, wonach mit diesen Medikamenten eine hohe Wirksamkeit zu erreichen ist.
Kriterien zur Therapiewahl
Je nach Region beziehungsweise vorherrschendem Genotyp kommen verschiedene Präparate zum Einsatz. Während die beiden Zweierkombinationen Sofosbuvir/Velpatasvir und Glecaprevir/Pibrentasvir pangenotypisch einsetzbar sind, werden Sofosbuvir/Ledipasvir und Grazoprevir/Elbasvir gemäss den EASL-Guidelines bei Infektionen mit den Genotypen 1a, 1b, 4, 5 und 6 beziehungsweise 1a, 1b und 4 eingesetzt (5) (Tabelle). Ein weiteres Kriterium ist der Fibrosegrad, der sonografisch mittels FibroScan ermittelt wird. Der Fibrosegrad F3 zeigt sich ab einer gemessenen Lebersteifigkeit von 10 kPa, das Stadium F4 ab 13 kPa. Je nach vorhandenem Fibrosegrad beziehungsweise Zirrhose variiert die empfohlene Therapiedauer zwischen 8 und 16 Wochen. Hier werde sich in naher Zukunft etwas ändern, berichtet Aghemo. Vorläufige Daten der EXPEDITION-8-Studie mit Glecaprevir/Pibrentasvir bei Patienten mit den Genotypen 1 bis 6 und kompensierter Zirrhose hätten eine SVR12-Rate von 98 bis 100 Prozent nach 8 Wochen gezeigt (6). Die Empfehlung von 12 Wochen Therapiedauer bei diesen Patienten dürfte demnach bald auf 8 herunterkorrigiert werden, so Aghemo. Ebenfalls ein wichtiges Kriterium für die Wahl der Therapie ist gemäss Aghemo die Krankheitsschwere beziehungsweise die Frage nach einer dekompensierten Erkrankung. Denn eine hepatische Einschränkung hat Einfluss auf die Pharmakokinetik von Proteaseinhibitoren, was deren Konzentrationen ansteigen lässt und damit eventuell auch die Nebenwirkungen verstärkt. Bei Patienten mit dekompensierter Zirrhose Child-Pugh B oder C sollten deshalb keine Proteaseinhibitoren eingesetzt werden (5). Auch bei Patienten mit Child-Pugh A6 ist gemäss Aghemo Vorsicht geboten, wie Resultate aus einer Untersuchung andeuten (7).
ARS MEDICI DOSSIER II | 2020
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GASTROENTEROLOGIE
Tabelle:
EASL-Empfehlungen zur Hepatitis-C-Therapie
Genotyp
1a 1b 2 3 4 5 6
Sofosbuvir/ Velpatasvir (Epclusa®)
Ja Ja Ja Jac Ja Ja Ja
pangenotypisch Glecaprevir/ Pibrentasvir (Maviret®)
Ja Ja Ja Ja Ja Ja Ja
Sofosbuvir/ Velpatasvir/ Voxilaprevir (Vosevi®)
Nein*
Nein*
Nein* Jad
Nein*
Nein*
Nein*
genotypspezifisch
Sofosbuvir/ Ledipasvir (Harvoni®)
Grazoprevir/ Elbasvir (Zepatier®)
Jaa Ja Nein Nein Jaa Jaa Jaa
Jab Ja Nein Nein Jae Nein Nein
*Dreifachkombination wirksam, aber angesichts der Wirksamkeit von Zweifachkombinationen nicht sinnvoll a therapienaive Patienten ohne Zirrhose oder mit kompensierter (Child-Pugh A) Zirrhose b therapienaive und -erfahrene Patienten ohne Zirrhose oder mit kompensierter (Child-Pugh A) Zirrhose mit HCV RNA ≤ 800 000 IE/ml (5,9 Log10 IE/ml) c therapienaive und -erfahrene Patienten ohne Zirrhose d therapienaive und -erfahrene Patienten mit kompensierter (Child-Pugh A) Zirrhose e therapienaive Patienten ohne Zirrhose oder mit kompensierter (Child-Pugh A) Zirrhose mit HCV RNA ≤ 800 000 IE/ml (5,9 Log10 IE/ml) Quelle: modifiziert nach (5)
Haben Hepatitis-C-Patienten zusätzlich eine eingeschränkte Nierenfunktion, soll bei einer geschätzten glomerulären Filtrationsrate von < 30 ml/min/1,73 m2 Sofosbuvir nur noch mit Vorsicht eingesetzt werden (5), da die Konzentrationen der Substanz und deren Metabolit stark ansteigen (8). Bei Patienten mit chronischer Niereninsuffizienz unter Dialyse dagegen ist die Verabreichung von Sofosbuvir/Velpatasvir während 12 Wochen gemäss einer neuen Studie jedoch wirksam und sicher (9). Wie viele Kontrollen braucht es? Bei einer Therapie mit einem pangenotypischen Präparat ist die Einbestellung zur Kontrolle gemäss den EASL-Guidelines erst nach 24 Wochen nötig, das heisst, 12 Wochen nach Therapieende wird die SVR12 überprüft (5). Eine Kontrolle alle 4 Wochen in Bezug auf Adhärenz und Nebenwirkungen sei jedoch Usus, so Aghemo. Ob die Kontrolle nicht auch rein telefonisch sein darf, versuchte die australische SMART-CStudie herauszufinden. Diese stellte bei einer 8 Wochen dauernden DAA-Therapie randomisiert physische Kontrollen (n = 127) nach Woche 4 und 8 einer telefonischen Überprüfung (n = 253) nach Woche 4 und 8 gegenüber. Klinikbesuche waren in beiden Gruppen zu Beginn der Studie und 12 Wochen nach Therapieende vorgesehen. Als Endpunkt der Nichtunterlegenheitsstudie galt die Abheilungsrate SVR12. In der Telefongruppe betrug die SVR12 92 Prozent, in der Standardgruppe 95 Prozent. Der Unterschied war nicht signifikant, doch wurde der Endpunkt der Nichtunterlegenheit nicht erreicht. Die Heilungsraten aus beiden Studienarmen seien hoch, so Aghemo. Verzichte man bei einer DAA-Therapie auf jegliche persönliche Kontrolle bis zur SVR12-Testung, scheine dies keine schlechten Heilungsraten zu generieren. Bei Patienten ohne Adhärenzprobleme reiche jedenfalls eine vereinfachte Überwachung. ▲ Valérie Herzog Quelle: «Therapy update: Dyspepsia». United European Gastroenterology Week (UEGW) 2019, 21. bis 23. Oktober in Barcelona. Referenzen: 1. Gambato M et al.: Real-world effectiveness and utilization patterns of elbasvir/grazoprevir for treatment of HCV G1 G4 infected patients in Italy. Abstract presented at EASL 2019, 10. bis 14. April 2019, Vienna. 2. Mangia A et al.: Global real-world evidence of sofosbuvir/velpatasvir as a simple, effective regimen for the treatment of chronic hepatitis C: integrated analysis of 12 clinical practice cohorts. GS-03. Presented at EASL 2019, 10. bis 14. April 2019, Vienna. 3. Lambertico P et al.: Real-world effectiveness and safety of glecaprevir plus pibrentasvir in HCV: a multicountryanalysis of post-marketing observational studies. THU-151. Presented at EASL 2019, 10. bis 14. April 2019, Vienna. 4. Degasperi E et al.: Effectiveness and safety of sofosbuvir/velpatasvir/ voxilaprevir for retreatment of chronic hepatitis c patients with a previous failure to direct-acting antivirals: a real-life study from the NAVIGATORE Lombardia and Veneto networks. THU-131. Presented at EASL 2019, 10. bis 14. April 2019, Vienna. 5. European Association for the Study of the Liver: EASL recommendations on treatment of hepatitis C 2018. J Hepatol 2018; 69: 461–511. 6. Brown RS et al.: Glecaprevir/pibrentasvir for 8 weeks in treatment-naïve patients with chronic HCV genotypes 1–6 and compensated cirrhosis: the EXPEDITION-8 trial. J Hepatol 2019, Nov 2; pii: S0168-8278(19)30647-6. 7. Poordad F et al.: Safety of the 2D/3D direct-acting antiviral regimen in HCV-induced Child-Pugh A cirrhosis – a pooled analysis. J Hepatol 2017; 67: 700–707. 8. Fachinformation Sofosbuvir. www.swissmedicinfo.ch. Letzter Zugriff: 18.11.2019. 9. Borgia S et al.: Sofosbuvir/velpatasvir for 12 weeks in hepatitis C virus-infected patients with end-stage renal disease undergoing dialysis. J Hepatol 2019; 71: 660–685. 18 ARS MEDICI DOSSIER II | 2020