Transkript
EDITORIAL NOBELPREISTRÄGER DER PHYSIOLOGIE ODER MEDIZIN
1930: Karl Landsteiner (Österreich)
«Für die Entdeckung der Blutgruppen des Menschen»
Karl Landsteiner (Quelle: https://de.wikipedia.org)
Karl Landsteiner wurde 1868 in Wien als Sohn eines bekannten Journalisten und Redaktors («Die Presse») geboren. Nach der Matur begann er 1885 ein Medizinstudium in Wien, wo er 1891 promovierte. Bereits während des Studiums veröffentlichte er eine Arbeit über den Einfluss von Diäten auf die Zusammensetzung des Blutes. Nach dem Studium arbeitete er in Zürich, Würzburg und München. 1896 kehrte er nach Wien zurück und arbeitete bei Theodor Billroth. Später war er Assistent am Hygienischen Institut, danach in der Pathologischen Anatomie, und schliesslich wurde er Prosektor am Wilhelminenspital. 1903 habilitierte er sich im Fach Pathologie und wurde 1911 ordentlicher Professor für Pathologie. In dieser Zeit konnte er nachweisen, dass es sich bei der Kinderlähmung um eine infektiöse Erkrankung handelt. (Dafür wurde er posthum in die «Polio Hall of Fame» in Warm Springs in Georgia aufgenommen.) Landsteiner bemerkte 1900, dass Blut zweier Menschen beim Vermischen oft verklumpte. Die Beobachtung war ihm in ihrer Tragweite aber nicht bewusst. In seiner Arbeit «Ueber Agglutinationserscheinungen normalen menschlichen Blutes» postulierte er erstmals, es müsse drei Blutgruppen geben. Es gelang ihm, die Blutgruppenmerkmale A, B und 0 (Letztere als C bezeichnet) zu identifizieren. Die 1910 von Dun-
gern und Hirszfeld vorgeschlagene AB0-Nomenklatur wurde international erst 1928 übernommen. Landsteiner war es auch, der erkannte, dass die Bluttransfusion zwischen Personen der gleichen Gruppe nicht zur Zerstörung der Blutzellen führt, wohl aber zwischen Personen verschiedener Blutgruppen. 1907 wurde die erste erfolgreiche, auf seinen Arbeiten basierende Bluttransfusion am Mount Sinai Hospital in New York durchgeführt. 1916 heiratete Landsteiner Leopoldine Helene, geborene Wlasto. 1917 wurde ihr Sohn Ernst Karl geboren. Nach dem Ende des Ersten Weltkriegs nahm Landsteiner Stellenangebote aus dem Ausland an, so in Den Haag. Er blieb weiter wissenschaftlich aktiv und berichtete 1921 über niedermolekulare «spezifische Substanzen», die die Bindung an ein Protein benötigen, um ein Vollantigen zu werden, und führte für sie die Bezeichnung «Haptene» ein. 1922 nahm Landsteiner eine Stelle am Rockefeller-Institut in New York an, wo er 1940 zusammen mit seinen Schülern Philip Levine und Alexander Solomon Wiener den Rhesusfaktor beschrieb, den er 1937 im Blut von Rhesusaffen entdeckt hatte. 1930 wurde ihm für seine Entdeckung der Blutgruppen der Nobelpreis zugesprochen. Obwohl Landsteiner seit 1929 die amerikanische Staatsbürgerschaft besass, fühlte er sich zeit seines Lebens als Europäer, sprach Deutsch allerdings nur dann, wenn er ungehalten wurde, wie seine Schüler berichteten. In seinen letzten Jahren arbeitete er an onkologischen Fragestellungen, da seine Frau an einem bösartigen Tumor der Schilddrüse erkrankt war. Mit 75 Jahren, 1943, erlitt er während der Arbeit einen Herzinfarkt, dem er zwei Tage später erlag. Seine Frau, die im selben Jahr wie er starb, wurde an seiner Seite in Nantucket, Massachusetts, beigesetzt.
Richard Altorfer
ARS MEDICI DOSSIER II | 2020
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