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RHEUMATOLOGIE
Interstitielle Lungenerkrankungen bei rheumatoider Arthritis
Hohe Rheumaaktivität, hohes Mortalitätsrisiko
Foto: KD
Interstitielle Lungenerkrankungen (ILD) sind bei Patienten mit rheumatoider Arthritis zumeist subklinisch. 7 bis 10 Prozent leiden jedoch an einer klinisch relevanten Form. Sie ist gekennzeichnet durch hohe Rheumaaktivität, hohe Antikörpertiter gegen CCP – und ein hohes Mortalitätsrisiko.
Betroffen von interstitiellen Lungenerkran-
kungen (ILD) sind vor allem Patienten mit
rheumatoider Arthritis (RA) und systemi-
scher Sklerose. Bei RA-Patienten mit pulmo-
naler Beteiligung können verschiedenste
Lungenkompartimente in Mitleidenschaft
gezogen werden. Dazu gehören die oberen
Atemwege, verschiedene Gefässe oder die
Pleura. «Die klinisch wichtigste Beteiligung
José Maria Álvaro-Gracia
bezieht sich jedoch auf das Lungenparenchym», erklärte Prof. José Maria Álvaro-
Gracia aus Madrid (E), an einem Symposium der Firma BMS
am diesjährigen EULAR in Madrid. Tatsächlich leiden bis zu
56 Prozent der ILD-Betroffenen unter einer «gewöhnlichen
interstitiellen Pneumonie» (UIP) und 12 bis 30 Prozent unter
einer «unspezifischen interstitiellen Pneumonie» (NSIP). Ty-
pisch für ILD sind unnatürliche Lufträume im Interstitium,
verdickte Gewebe zwischen den Alveolen und grossflächig
vernarbte Regionen. Häufige Symptome sind Luftknappheit,
speziell nach Anstrengung, sowie trockener Husten (1).
ACPA-positive Patienten mit höherem Risiko
Die Prävalenz der interstitiellen Lungenerkrankungen ist hoch, denn 19 bis 57 Prozent der RA-Patienten sind von einer subklinischen Form und 7 bis 10 Prozent von einer klinisch relevanten Form betroffen (2). Hinsichtlich der Mortalität sei ILD bei RA wahrscheinlich die wichtigste extraartikuläre Manifestation, sagte Alvaro-Gracia. So liegt die mediane Überlebensrate in klinisch relevanten Fällen bei nur 2,6 Jahren. Risikofaktoren für ILD sind neben dem Lebensalter, männlichem Geschlecht und Rauchen auch RF- und ACPA- Seropositivität (3). Tatsächlich können bei 63 Prozent der ACPApositiven Patienten in frühem RA-Stadium, trotz fehlender ILD-Symptomatik, im hochauflösenden Computertomogramm (CT) Veränderungen im Lungenparenchym festgestellt werden (4). Im Vergleich zu ACPA-negativen RA-Patienten ist bei solchen Patienten zudem die Menge bronchialer lymphozytärer Zellinfiltrate signifikant erhöht (50% vs. 13%). In einer weiteren Studie waren bei RA-ILD-Patienten im Vergleich zur RA-Kontrollgruppe ohne ILD überdies die Rheumafaktoren (RF) (98% vs. 58%) sowie die CCP-Antikörper (94% vs. 55%) deutlich erhöht (5). Tatsächlich findet in den Lungen von RA-ILD-Patienten eine aktive Citrullination von Peptiden statt. Das löst wiederum in den Synovialgeweben die Produktion von Antikörpern gegen diese Peptide aus, wodurch die Arthritis weiter getriggert wird. Schliesslich ist auch die Expression von PADI4 (Peptidylarginindeiminase Typ 4) bei ILD-Patienten in der befallenen Lunge signifikant erhöht, was
für eine aktive pathogenetische Rolle dieses Enzyms sprechen könnte, so die Einschätzung des Madrider Rheumatologen.
Biologika mit gewisser Wirkung
Welche Behandlungsmöglichkeiten stehen zur Verfügung? Die Daten zu Methotrexat sind nicht eindeutig. So zeige Methotrexat laut einer britischen Studie einen «potenziellen Benefit» für die Behandlung von ILD-Patienten mit RA, erklärte Álvaro-Gracia (6). Die Behandlung von RA-ILD-Patienten mit TNF-alpha-Inhibitoren (n = 367) war laut einer Analyse des British Rheumatology Biologics Register im Vergleich zu konventionellen synthetischen krankheitsmodifizierenden Antirheumatika (csDMARD) (n = 68) mit einem leicht erhöhten Mortalitätsrisiko verbunden (aMRR = 1,26). Allerdings blieb nach der Bereinigung zufälliger Störgrössen von diesem Risiko nichts mehr übrig – im Gegenteil: Das Mortalitätsrisiko mit Anti-TNF-Therapie erwies sich mit 0,81 aMRR sogar niedriger als in der Vergleichsgruppe. Auch mit dem gegen CD20 gerichteten monoklonalen Antikörper Rituximab (RTX) wurden RA-ILD-Patienten (n = 700) im Rahmen einer Beobachtungsstudie behandelt (8). Zwar verschlechterte sich die Lungenfunktion (FVC) einzelner Patienten nach Beginn der RTX-Therapie, jedoch zeigte sich der mediane relative FVC dieser Gruppe insgesamt signifikant verbessert (p = 0,025). Für eine neue japanische retrospektive Studie wurden die Daten von 49 RA-ILD-Patienten evaluiert, die mit unterschiedlichen Biologika behandelt worden waren (9). Auch wenn die Zahl der Teilnehmer nur sehr gering war, habe sich Abatacept im Vergleich zu den anderen untersuchten Sub stanzen als unabhängiger protektiver Faktor gegenüber einer ILD-Progression erwiesen, so Álvaro-Gracia (OR = 0,07) (9). Zudem seien in einer retrospektiven weiteren Untersuchung mit 118 RA-Patienten nach 12 Monaten Abatacept- respektive Rituximabtherapie bei 36 respektive 29 Prozent der Betroffenen ILD-Verbesserungen im CT festgestellt worden (10). Aufgrund solcher Studienergebnisse wurden von manchen Fachgesellschaften die Leitlinien erneuert. So sollten ILD-Patienten mit schlechtem Atemvolumen grundsätzlich von ILD-Spezialis ten behandelt werden. Zudem sollte laut Empfehlung für Patienten mit ausgeprägter ILD (Grad 2C) eine Behandlung mit Rituximab oder Abatacept in Erwägung gezogen werden (11). s
Klaus Duffner
Quelle: Satellitensymposium «The Role of pathogenetic autoantibodies in systemic manifestations of RA» (Sponsor: BMS) beim Jahreskongress der European League against Rheumatism (EULAR) 2019, 13. Juni 2019 in Madrid.
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