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GASTROENTEROLOGIE
Hepatitis C
Schnelltests und pangenotypische Therapien helfen bei der Eradikation
Um die WHO-Ziele zur Eradikation der Hepatitis C zu erreichen, sind Fortschritte sowohl in der Diagnostik als auch in der Therapie erforderlich. Aktuelle Daten vom internationalen Leberkongress ILC in Wien zeigen, dass die therapeutischen Probleme von der pharmakologischen Seite weitgehend gelöst sind und sich in der Diagnostik eine Entwicklung in Richtung einfacher, schneller Tests abzeichnet.
Die WHO hat für das Jahr 2030 ehrgeizige Ziele vorgegeben: Die Zahl der Neuinfektionen mit Hepatitis B und C soll um 90 Prozent reduziert werden, 80 Prozent der für eine Behandlung geeigneten Patienten mit HBV- oder HCV-Infektion sollen tatsächlich behandelt werden, und dies soll in einer Reduktion der Todesfälle um 65 Prozent resultieren. Hepatitis C sollte angesichts des guten Ansprechens auf die heute mögliche antivirale Therapie in relativ kurzer Zeit eradizierbar sein. Vorausgesetzt, die Medikamente sind verfügbar und die infizierten Personen werden identifiziert. Genau hier liegt jedoch in den wohlhabenderen Ländern das Problem – weshalb die WHO-Ziele insgesamt nur schwer erreichbar sein werden. Dr. Stéphane Chevaliez von der Universität Paris-Est weist darauf hin, dass es noch im Jahr 2015 weltweit zu geschätzten 1,75 Millionen Neuinfektionen durch mangelhafte Hygiene im medizinischen Bereich sowie kontaminiertes Injektionsbesteck Drogenabhängiger kam. Die Gesamtzahl der Infizierten dürfte bei 71 Millionen liegen. Die WHO fordert, dass bis 2030 rund 90 Prozent der Infizierten diagnostiziert sein sollen. Doch bis dahin ist es ein weiter Weg, zumal gegenwärtig laut Schätzungen rund 70 Prozent der mit HCV infizierten Personen nichts von ihrer Erkrankung wissen. Angesichts der Verfügbarkeit hochwirksamer antiviraler Therapien sind nun ein verbesserter Zugang zu diesen Therapien, bessere Prävention und grosse Screeningprogramme gefragt. Für Letztere werden auch neue Tests benötigt, die auch unter schwierigen Umständen das rasche und zuverlässige Testen grosser Personenzahlen ermöglichen. Chevaliez nennt als kostengünstigere Alternative zur Nuklein säureamplifikationstechnik (PCR) die Bestimmung des HCV- Core-Antigens (cAg), die nicht nur den Nachweis einer Infektion samt Quantifizierung der Viruslast ermöglicht, sondern sich auch zum Monitoring des Ansprechens auf die Therapie eignet. Der Nachweis von cAg stellt keine besonderen Anforderungen an das medizinische Personal. Die Ergebnisse sind rasch verfügbar. Alles in allem sei der Test, so Chevaliez, überall dort von Interesse, wo Ressourcen knapp sind.
Vorteile und Grenzen von Schnelltests
Im Rahmen grosser Screening-Programme sind sogenannte Point-of-Care-Tests vorteilhaft. Sie zeichnen sich durch so
kurze Wartezeiten aus, dass das Ergebnis unmittelbar nach dem Test besprochen werden kann. Bei negativem Test sind keine weiteren Visiten erforderlich. Aus Patientensicht wird der Zugang zum Test durch diese Vereinfachungen niederschwelliger. Die Tests können nicht nur in Praxen oder Spitälern eingesetzt werden, sondern unter Umständen sogar im Haus des Patienten. Dabei können nicht nur Serum oder Plasma, sondern auch Vollblut aus der Fingerbeere oder Speichel für den Virus- beziehungsweise Antikörpernachweis herangezogen werden. Das Problem der Speicheltests liegt, so Chevaliez, in den sehr niedrigen Antikörpertitern im Speichel (3). Dennoch sind mittlerweile mehrere Tests kommerziell verfügbar. Für den Test aus der Fingerbeere (Finger-Stick-Test) zeigte sich in einer australischen Studie eine gute Akzeptanz (4). Studiendaten zeigen für die meisten, jedoch nicht für alle Schnelltests eine Sensitivität jenseits der 95 Prozent bei einer Spezifität an die 100 Prozent (5). Chevaliez: «Diese Daten zeigen, dass wir die einzelnen Test sorgfältig evaluieren müssen, bevor wir sie im klinischen Alltag einsetzen. Wir müssen auch bedenken, dass die Sensitivität dieser Tests im Falle einer Koinfektion mit HIV aufgrund reduzierter Antikörpertiter herabgesetzt ist.» Auch Point-of-Care-Tests auf virale RNA sind in Entwicklung und sollen aus 100 µl Kapillarblut innerhalb von 60 Minuten verlässliche Ergebnisse mit einer Spezifität von 100 Prozent und hoher Sensitivität liefern (6). Trockenbluttest haben unter anderem den Vorteil, dass sie sich bestens für den Einsatz in geografisch abgelegenen Regionen eignen. Dem steht ein relativ hoher Aufwand sowohl bei der Probengewinnung als auch -verarbeitung gegenüber. Chevaliez wies auf reduzierte Spezifität und Sensitivität sowie das Fehlen standardisierter Prozeduren hin.
Pangenotypische Regime bewähren sich unter Alltagsbedingungen
Im Gegensatz zu Diagnostik und Screening sind auf der Therapieseite die Probleme zumindest im Hinblick auf die Wirksamkeit der eingesetzten antiviralen Medikamente weitgehend gelöst. Das zeigen nicht zuletzt im Rahmen des ILC 2019 vorgestellte Daten zu Wirksamkeit und Sicherheit aktueller pangenotypischer Regime. So wurde die Fixkombination des Nukleotid-NS5B-Polymerase-Inhibitors
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Sofosbuvir mit dem NS5A-Inhibitor Velpatasvir in einer grossen Patientenpopulation unter klinischen Alltagsbedingungen untersucht. Die Studie basiert auf zwölf Kohorten in insgesamt acht Ländern (USA und Europa). Eingeschlossen wurde eine möglichst breite Population inklusive schwieriger Patientengruppen, wie Personen mit andauerndem intravenösem D rogenkonsum. Ausschlussgründe waren dekompensierte Zirrhose in der Anamnese, Vortherapie mit einem NS5A-Inhibitor, mehr als 12 Wochen Therapiedauer oder Ribavirin-Therapie. In die Analyse aufgenommen wurden schliesslich 5760 Patienten mit HCV-Genotyp 1–6. Von den 4491 Patienten, die zum Zeitpunkt der Auswertung die Behandlung abgeschlossen hatten, wurde bei 4442 (98,9%) ein anhaltendes virologisches Ansprechen (sustained virological response: SVR) erreicht. Die SVR-Raten waren durch alle Genotypen und Fibrosegrade hoch. Beim schwierigen Genotyp 3 lag die SVR-Rate bei 97,6 Prozent. In der Intention-to-Treat-(ITT-)Population war der häufigste Grund für Versagen «Lost to Follow-up» (7). Auch die Kombination Glecaprevir/Pibrentasvir (G/P) hat sich in zwei grossen Real-World-Studien als wirksam und sicher erwiesen. Die SVR-Raten liegen im klinischen Alltag in jenen Bereichen, die man auch in den klinischen Studien beobachten konnte. Eine der beiden Studien war eine Analyse von 1698 grossteils therapienaiven, mit Genotyp (GT) 1–6 infizierten Patienten aus dem deutschen HCV-Register (DHC-R), die über acht Wochen mit G/P behandelt wurden. Es handelte sich auch hier um eine schwierige Patientenpopulation, in der 26 Prozent unter Opiatsubstitutionstherapie standen und 15 Prozent unter psychiatrischen Erkrankungen litten. In der ITT-Population wurde eine SVR-Rate von 97 Prozent nach zwölf Wochen erreicht (SVR12). Die Therapie wurde auch von Patienten mit relevanten Komorbiditäten gut vertragen. Bei fünf Patienten kam es zu einem virologischen Rückfall und bei sechs Patienten zu einer Reinfektion (8). Ähnlich positive Ergebnisse zeigte auch eine amerikanische Studie mit 1131 Patienten, die mit G/P behandelt wurden. In dieser Kohorte wurde mit G/P eine SVR12 von 93 Prozent in der ITT-Population gesehen. Vortherapie, Zirrhose und hohe Viruslast waren mit fehlendem Ansprechen assoziiert. In einer gleichzeitig begonnenen Kohorte von 777 Patienten unter Behandlung mit SOF/VEL lag die SVR12 bei 90 Prozent. In beiden Kohorten wurden in der Per-Protokoll-Analyse SVR12 Raten von 98 Prozent erreicht (9).
geführt. Die Per-P rotokoll-Analyse zeigte ein SVR von 98
Prozent (183/186); in der ITT-Analyse erreichten 93 Prozent
(183/196) der P atienten ein SVR (11).
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Reno Barth
Referenzen 1. Chevaliez S et al.: Clinical utility of hepatitis C virus core antigen quan-
tification in patients with chronic hepatitis C. J Clin Virol 2014; 61(1): 145–148. 2. Lamoury FMJ et al.: Hepatitis C virus core antigen: A simplified treatment monitoring tool, including for post-treatment relapse. J Clin Virol 2017; 92: 32–38. 3. McKie A et al.: Novel methods for the detection of microbial antibodies in oral fluid. Lancet Infect Dis 2002 ;2(1): 18–24. 4. Bajis S et al.: Acceptability and preferences of point-of-care finger-stick whole-blood and venepuncture hepatitis C virus testing among people who inject drugs in Australia. Int J Drug Policy. 2018; 61: 23–30. 5. Chevaliez S et al.: Prospective assessment of rapid diagnostic tests for the detection of antibodies to hepatitis C virus, a tool for improving access to care. Clin Microbiol Infect 2016; 22(5): 459.e1–6. 6. Lamoury FMJ et al.: Evaluation of the Xpert HCV Viral Load Finger-Stick Point-of-Care Assay. J Infect Dis 2018; 217(12): 1889–1896. 7. Mangia A et al.: Global real world evidence of sofosbuvir/velpatasvir as a simple, effective regimen for the treatment of chronic hepatitis C patients: Integrated analysis of 12 clinical practice cohorts. ILC 2019, Abstract GS-03. 8. Cornberg M et al.: Real-world safety, effectiveness, and patient-reported outcomes in patients with chronic hepatitis C virus infection treated with glecaprevir/pibrentasvir: Data from the German Hepatitis C-Re gistry. ILC 2019, Abstract GS-07. 9. Curry M et al.: Clinical Practice experience with pangenotypic therapies glecaprevir-pibrentasvir and sofosbuvir-velpatasvir in the TRIO Network. ILC 2019, Abstract THU-127. 10. Vermehren J et al.: Retreatment with sofosbuvir/velpatasvir/voxilaprevir in patients with chronic hepatitis C virus infection and prior DAA failure: An analysis from the German hepatitis C registry (DHC-R). ILC 2019, Abstract THU-188. 11. Bacon B et al.: Effectiveness of the salvage therapy sofosbuvir-velpatasvir-voxilaprevir (SOF-VELVOX) in chronic hepatitis C: Clinical practice experience from the TRIO Network. ILC 2019, Abstract THU-116.
Quelle: Sessions «General sessions I & II», «Viral hepatitis C: Therapy and Resistance» im Rahmen des ILC 2019, 10. bis 14. April 2019 in Wien.
Rescue-Therapie für DAA-vortherapierte Patienten
Für jene wenigen Patienten, die mit den pangenotypischen Zweifachkombinationen kein anhaltendes virologisches Ansprechen erreichen, werden Rescue-Therapien benötigt. Im Rahmen des ILC 2019 wurden zwei Real-World-Studien zur Dreifachkombination Sofosbuvir/Velpatasvir/Voxilaprevir in vorbehandelten Populationen als Poster vorgestellt. Die erste der beiden Studien wurde auf Basis des German Hepatitis C Registry (DHC-R) durchgeführt und zeigt (soweit Daten bereits verfügbar waren) in einer sehr schwierigen, mit unterschiedlichen Regimen vortherapierten und zu 27 Prozent unter Zirrhose leidenden Population eine SVRRate von 100 Prozent (10). Die zweite Studie wurden in den USA mit 196 Patienten (davon 11% therapienaiv) durch-
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