Transkript
KARDIOLOGIE
Welche Manschettengrösse ist die richtige?
Blutdruckmessen bei Adipösen
Die Charakteristika von Manschette und Luftblase zur Messung des arteriellen Blutdrucks stehen sich immer noch kontrovers gegenüber. Ungenaue Messresultate können vor allem bei sehr dicken und kurzen Oberarmen entstehen. Zudem beeinflusst nicht nur der Oberarmumfang, sondern auch die bei Adipösen eher konische Form von Ober- und Vorderarm die Messung.
E-Journal of Cardiology Practice
Die Abmessungen von Blutdruckmanschetten waren schon zu Zeiten des Quecksilbermanometers Gegenstand von Debatten, und dies hat sich auch heute wenig geändert. Ein allgemeiner Konsens über die angemessene Grösse von Manschette und Luftblase besteht nicht. Klar ist jedoch, dass zu enge oder zu kurze Manschetten zu einer Überschätzung des Blutdrucks führen. Die verschiedenen Fachgesellschaften geben in dieser Frage unterschiedliche Empfehlungen ab. Während die American Heart Association (AHA) sehr detailliert empfiehlt, je nach Armumfang vier unterschiedlich breite und lange Manschetten einzusetzen, begnügt sich die Schweizerische Hypertoniegesellschaft (www.swisshypertension.ch) mit dem Hinweis, dass bei einem Armumfang > 33 cm eine grosse Manschette auszuwählen sei. Die differenzierten Empfehlungen sind für die traditionelle auskultatorische Blutdruckmessung gedacht und lassen sich nicht ohne Weiteres auf die heute häufig eingesetzte automatisierte oszillometrische Methode übertragen, die bei Blutdruckmessgeräten zur Heimmessung zum Einsatz kommt. Ein Vorteil der oszillometrischen gegenüber der auskultatorischen Methode ist der Umstand, dass die Steifigkeit der A. brachialis die Genauigkeit der Messung nicht beeinflusst.
Alternativen bei stark fettsüchtigen Patienten
Bei Adipösen kommt es oft zu falschen Blutdruckmessungen. Ihr grosser Oberarmumfang erfordert eine breitere Manschette. Die Wahl basiert auf folgender Regel: 40 Prozent (Breite) × 80 Prozent (Länge) im Verhältnis zum Armumfang. Gemäss AHA sollte die Manschette bei einem Umfang von 22 bis 26 cm nur 10 × 24 cm klein sein. Für Armumfänge zwi-
MERKSÄTZE
Die Empfehlungen zur Verwendung unterschiedlicher Manschettengrössen bei der auskultatorischen Blutdruckmessung am Oberarm sind unterschiedlich.
Bei dicken Oberarmen (> 33–34 cm) ist eine breitere Manschette zu verwenden.
Oszillometrische Blutdruckmessgeräte bieten eine Alternative, denn sie können am Vorderarm oder am Handgelenk angelegt werden.
Für die Heimmessung ist eine gute Unterweisung der Patienten essenziell.
schen 27 und 34 cm kommt die normale Erwachsenengrösse von 13 × 30 cm zum Einsatz. Bei dickeren Armen zwischen 34 cm und 44 cm empfiehlt die AHA Manschetten mit 16 × 38 cm und bei einem Umfang von 45 bis 52 cm solche mit 20 × 42 cm, was der Oberschenkelmanschette für einen Erwachsenen entspricht. Eine kurze Oberarmlänge von weniger als 20 cm kommt jedoch bei bis zu 20 Prozent der Erwachsenen vor. Erschwerend kommt hinzu, dass dicke Oberarme keine zylindrische Form aufweisen, sondern eher konisch sind. Daher liegt die Manschette nicht überall gleichmässig am Arm an, sondern lässt zum Ellbogen hin freien Raum. Bei Individuen mit krankhafter Fettsucht und sehr dicken Armen kann dies zu einer Überschätzung des Blutdrucks um bis zu 10 mmHg führen. Diesem Aspekt tragen die derzeitigen Guidelines nicht Rechnung. Für Adipöse mit kurzer Humeruslänge (überwiegend Frauen) sind Universalmanschetten entwickelt worden, die kleinere Luftblasen enthalten und dank eines speziellen Softwarealgorithmus über einen weiten Bereich von Oberarmumfängen akkurate oszillometrische Messergebnisse liefern. Bei Patienten mit kurzen Oberarmen bieten Messgeräte, die am Vorderarm angelegt werden, eine valable Alternative. Neuerdings wurden auch Vorderarmmonitore für Adipöse entwickelt, die eine konische Manschette besitzen. In dieser Situation kommen auch Blutdruckmessgeräte in Betracht, die sehr einfach am Handgelenk angelegt werden. Zwar erbringen diese an sich präzise Resultate, ob die Zuverlässigkeit ebenso gegeben ist, bleibt aber kontrovers, denn die Messgenauigkeit hängt grossenteils von der Höhendifferenz zwischen Handgelenk und Herz ab. Dies ist den Patienten für die Heimmessung sehr genau und wiederholt zu erklären. In einer Studie wurden die Blutdruckmesswerte zwischen Oberarm und Handgelenk verglichen. Erfolgten die Messungen unter Aufsicht eines Arztes in der Praxis, waren die am Handgelenk erhobenen Werte den am Oberarm gemessenen sehr ähnlich. Waren die Probanden bei der Heimmessung sich selbst überlassen, fielen die Handgelenkmessungen jedoch höher aus. Zumindest bei Patienten mit kognitiver Beeinträchtigung ist von der Handgelenkmessung eher abzuraten.
Halid Bas L
Literatur: Palatini P: Blood pressure measurement in the obese: still a challenging problem. E-Journal of Cardiology Practice, Vol. 16, No 21, 15. August 2018.
Interessenlage: Der Autor der referierten Originalarbeit deklariert, keine Interessenkonflikte zu haben.
ARS MEDICI DOSSIER III | 2019
15